Nach dem Gespräch mit Dag war ihm klar geworden, dass er tatsächlich nicht länger in dieser Ungewissheit leben konnte.
Vincent musste mit Florentina reden.
Es war wichtig.
Nachdem er einige Tage lang darüber nachgedacht hatte, wie er dieses Gespräch am besten beginnen sollte, hatte er sie gestern zufällig in einem Laden angetroffen, und hatte spontan gehandelt und sie gefragt, ob beide sich nicht mal alleine treffen könnten.
Florentina hatte direkt zugesagt und ein kleines Café in der Nähe vorgeschlagen, wo sie beide unbehelligt sprechen konnten, ohne Gefahr zu laufen, dass ihr Vater oder ihre Stiefmutter es mitbekam.
Denn Vincent hatte ihr ebenso kurzbündig mitgeteilt, wie ihr werter Herr ihn angeschnauzt hatte.
Als er das Café erreicht hatte, saß Florentina bereits draußen an einem der Tische. Ihr Haar hatte sie unordentlich zu einem Zopf zusammengebunden, dennoch fand er es einfach perfekt für ihr äußeres Erscheinungsbild.
Sie sah ihn auf sich zukommen und winkte mit einem Lächeln. »Hey Großer. Da bist du ja.« , begrüßte sie ihn.
Vincent setzte sich ihr gegenüber und versuchte, seine Anspannung zu verschleiern. »Ja. Danke, dass du Zeit hast.« , sprach er leicht nuschelnd und leise.
Florentina winkte ab. »Ach. Ich hab' immer Zeit für dich.«
»Ich ... ich wollt' mit dir reden.« , begann er und bemerkte wie seine Unsicherheit sich in seinem Tonfall widerspiegelte. Er räusperte sich kurz. »Also ... über uns.«
Sie lächelte und lehnte sich entspannt zurück. »Schon wieder?« , gab sie ein wenig amüsiert darüber von sich. »Gibt es denn ... ein uns?«
Vincent schluckte und spürte, wie seine Hände leicht zitterten. »Ich ... ich weiß nicht. Ich ... ich will ... ehrlich sein. Ich glaube, ich hab' ein wenig Gefühle für dich. Aber ... du ... du scheinst das anders zu sehen.«
Florentina legte den Kopf schräg und betrachtete ihn nachdenklich.
Die Serviererin kam an den Tisch. »Was wollt' ihr zwei denn haben?«
»Ich eine Cola.« , lächelte sie diese an.
Ihr Blick fiel zu Vincent. »Und du?«
»Ehm ... ja ... dasselbe.«
»Okay.« Sie ging wieder ins Innere und Vincent sah zu Florentina.
»Gefühle sind kompliziert.« , meinte sie. »Ich will kein kompliziertes Leben. Du denkst einfach zu viel darüber nach, weißt du das?!«
»Vielleicht.« , räumte er ein. »Aber ... ich weiß einfach nicht, woran ich bei dir bin. Für mich ist es nicht nur ... Spaß.«
Florentina lächelte. Dieses Mal ein wenig weicher. »Vincent ... ich mag dich. Und ich genieße es, Zeit mit dir zu verbringen. Aber ich will kein kompliziertes Leben.« , wiederholte sie. »Ich genieße den Moment. Und das solltest du auch.«
»Aber ... was, wenn du wirklich irgendwann einfach verschwindest? Du sagtest, du willst hier weg.« Vincent beugte sich leicht vor. »Ich will nicht, dass das zwischen uns einfach an einem unbestimmten Zeitpunkt ... endet, ohne dass ich weiß, was hätte sein können ... falls es nicht schon ... geendet hat ... und es ... einmalig war, aber ...«
Sie zuckte leicht mit den Schultern. »Und was genau wäre schlimm daran, wenn ich verschwinde?« , fragte sie ihn und sprach direkt umstandslos weiter. »Manchmal passieren Dinge eben. Und nichts ist für die Ewigkeit. Ich finde, das macht den Moment doch gerade erst besonders. Man weiß nie, wann es genau endet und was Neues beginnt.«
Vincent sah auf die Cola, die ihm in diesem Augenblick hingestellt wurde, während er über ihre Worte nachdachte. »Ich weiß nicht.« , sagte er. »Ich benötige etwas ... Greifbares. Etwas, auf das ich mich verlassen kann.«
Florentina legte ihre kleine Hand auf seine. »Du machst dir zu viele Gedanken. Das ist nicht gut. Gefühle müssen nicht immer gebunden sein. Wir können Spaß haben. Uns nahe sein und trotzdem frei bleiben. Warum sich jetzt schon Gedanken über morgen machen?«
»Weil ich mich nicht fallen lassen kann, wenn ich nicht weiß, ob du morgen noch da bist.« , sagte er ehrlich. »Das macht mir Angst.«
Sie zog ihre Hand zurück und sah ihn wie gehabt lange an. »Angst hält uns manchmal davon ab, wirklich zu leben. Eventuell solltest du versuchen, einfach den Moment zu genießen, anstatt dich von der Angst leiten zu lassen.«
Vincent spürte dieses Gefühl in seinem Magen.
Sie hatte recht ... zumindest aus ihrer Sicht gesehen.
Dennoch fiel es ihm schwer, ihre unbeschwerte Haltung zu akzeptieren, wenn er sich so unsicher fühlte.
Er konnte sie nicht ändern.
~ Sie ist, wie sie ist ~
Vincent musste demzufolge selbst entscheiden, ob er sich auf ihre Sichtweise einlassen konnte oder nicht.
»Vielleicht hast du Recht.« , sagte er schließlich, auch wenn er sich in der Tat nicht sicher war, ob er das wirklich glaubte.
Florentina lächelte sanft und drückte noch einmal kurz seine Hand. »Es ist nicht schwer. Manchmal ist es das Risiko wert.«
Die Unsicherheit schien ihn in diesem Moment umso tiefer zu ziehen, doch gleichzeitig war ihm auch klar, dass es eine Wahrheit in Florentinas Worten gab, die er nicht leugnen konnte.
Ja, die Zukunft mit ihr war ungewiss ... möglicherweise würde sie morgen verschwinden ... vielleicht würde es einfach nur ein kurzer Moment in seinem Leben bleiben. Aber ... im Hier und jetzt fühlte er etwas Echtes.
Er fragte sich, ob er wirklich bereit war, das Risiko einzugehen.
Die Möglichkeit, verletzt zu werden oder sogar irgendwann in die Leere zu stürzen, wenn sie ging, war da.
Doch während all diese Gedanken in ihm tobten, gab es eine Sache, die für ihn feststand.
Vincent wollte sie nicht verlieren.
Auch wenn er sich nicht sicher war, wohin das alles führen würde, wusste er, dass er noch nicht bereit war, sie loszulassen.
Vielleicht war es das Risiko tatsächlich wert.

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Lass uns kurz für immer bleiben
Fanfiction(Band 1) Vincent und Dag sind beste Freunde. Unzertrennlich durch ihre Träume von der großen Bühne und eine tief verwurzelte Leidenschaft für die Musik. Alles läuft gut, bis eine neue Nachbarin in Vincents Leben tritt. Florentina bringt eine neue E...