Der Weg in die Finsternis

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Die Worte meiner Mutter hallten in meinem Kopf wider: „Dein Vater lebt noch... aber er ist gefangen." Es war ein Funken Hoffnung, aber auch ein Schlag in die Magengrube. Mein Vater, der unerschütterliche Schattenwolf, der mich stets beschützt und gelehrt hatte, niemals aufzugeben, lebte. Doch was auch immer ihn gefangen hielt, musste übermächtig sein – stärker, dunkler, und weitaus gefährlicher, als alles, was ich bisher erlebt hatte.

Wir hatten keine Zeit zu verlieren. Der Schattenwolf-Welpe Ryuu, mein treuer Gefährte, trottete dicht an meiner Seite. Ich spürte seine Entschlossenheit, die sich mit meiner vermischte. Wir waren ein Team, untrennbar verbunden durch die Schattenkräfte, die mein Vater uns hinterlassen hatte.

„Mutter, wo ist er? Wer hält ihn gefangen?" fragte ich, als wir uns in eine geschützte Höhle zurückzogen, um Pläne zu schmieden.

Sie hielt den Brief in ihren zittrigen Händen. Ihre Augen – normalerweise voller Stärke – wirkten verloren, als ob sie zwischen Freude und Schmerz schwankte. „Er ist im Schattenreich, Miyu. Gefangen von den Revenants."

Das Wort ließ meine Haut kribbeln. Die Revenants waren mehr als nur Geister oder Dämonen. Sie waren alte, vergessene Krieger, gefesselt durch dunkle Magie und unsterblich in ihrer Qual. Ihre Anführerin, eine Kreatur namens Shiraki, war bekannt für ihre Grausamkeit. Man sagte, sie könne selbst die stärksten Oni brechen.

„Wie...?" Ich wollte die Frage stellen, doch ich wusste, dass die Antwort irrelevant war. Es spielte keine Rolle, wie mein Vater in ihre Fänge geraten war. Wichtig war nur, dass wir ihn zurückholen mussten.

„Miyu," begann meine Mutter mit fester Stimme, „dieser Weg wird dich an den Rand deiner Kräfte bringen. Und er könnte dein Leben kosten."

Ich spürte die Schwere ihrer Worte, doch ich zögerte nicht. „Er hat mich nie aufgegeben. Ich werde ihn auch nicht aufgeben."

Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen, und ich sah, wie ein Funken des alten Feuers in ihr zurückkehrte. „Dann lass uns keine Zeit verlieren."

Bevor wir uns auf den Weg machen konnten, mussten wir Hilfe suchen. Meine Mutter führte mich zu einer alten Ruine, tief im Herzen der Berge, wo ein alter Freund meines Vaters lebte. Sein Name war Kaido, ein einsamer Schattenwolf, der sich seit Jahren vor der Welt verborgen hielt.

Die Ruinen waren überwuchert, und die Stille war erdrückend. Doch Ryuu spürte etwas. Er knurrte leise, und ich folgte seinem Blick. Zwischen den Schatten tauchte eine massige Gestalt auf – ein Wolf, groß und majestätisch, mit silbergrauem Fell, das im Licht des Mondes glänzte.

„Wer wagt es, meinen Frieden zu stören?" Kaidos Stimme war tief und vibrierte durch die Luft.

Meine Mutter trat vor. „Kaido, alter Freund. Es ist Akari. Ich brauche deine Hilfe."

Kaidos Augen weiteten sich, und sein Blick wanderte zu mir. „Akari... und das muss Miyu sein. Ich hätte nie gedacht, dich jemals wiederzusehen."

Er lauschte unserer Geschichte, und als wir von meinem Vater sprachen, senkte er traurig den Kopf. „Revenants. Wenn sie ihn haben, dann wird es ein Höllenritt, ihn zurückzuholen. Aber ich schulde deinem Vater mein Leben, Miyu. Ich werde euch begleiten."

Kaido führte uns durch alte Pfade, die längst vergessen waren – Wege, die nur Schattenwölfe kannten. Der Übergang ins Schattenreich war kein Ort, den Sterbliche leicht betreten konnten. Es war eine Ebene zwischen Leben und Tod, durchdrungen von dunkler Magie und voller Kreaturen, die kein Licht kannten.

„Haltet euch nah bei mir," warnte Kaido. „Der Schatten frisst jene, die ihn nicht verstehen."

Ryuu hielt sich dicht an meinem Bein, sein kleines Herz schlug wild, aber er zeigte keine Angst. Er war ein echter Schattenwolf – jung, aber mutig.

Nach Stunden des Wanderns spürte ich, wie sich die Luft veränderte. Sie wurde schwerer, kälter, und die Welt um uns herum begann zu verschwimmen. Die Farben verblassten, und alles schien in Grautönen zu versinken.

„Wir sind da," sagte Kaido, seine Stimme gedämpft.

Vor uns erstreckte sich das Schattenreich. Es war ein trostloser Ort, mit verdrehten Bäumen und einem Himmel, der von schwarzen Wolken bedeckt war. Flüsse aus schwarzer Tinte schlängelten sich durch die Landschaft, und in der Ferne waren Schreie zu hören.

„Shirakis Festung liegt dort," sagte Kaido und deutete auf einen düsteren Berg in der Ferne. „Doch der Weg dorthin ist voller Fallen."

Kaum hatten wir das Reich betreten, wurden wir von Kreaturen angegriffen. Es waren Schattenbestien, formlose Wesen, die aus purem Hass bestanden. Sie stürzten sich auf uns, ihre Klauen schnitten durch die Luft, und ihre Schreie ließen meine Ohren schmerzen.

Kaido kämpfte mit einer Wildheit, die ich nie zuvor gesehen hatte. Meine Mutter entfesselte ihre Oni-Kräfte, ihre Fäuste leuchteten rot, als sie eine Bestie nach der anderen zerschmetterte. Doch es waren zu viele.

„Miyu!" schrie meine Mutter, als sie eine Bestie von mir fernhielt. „Du musst Ryuu einsetzen! Er ist der Schlüssel!"

Ich verstand nicht sofort, was sie meinte, doch Ryuu schien es zu wissen. Der kleine Schattenwolf stellte sich vor mich, seine Augen glühten, und plötzlich begann er zu wachsen. Innerhalb von Sekunden verwandelte er sich in einen ausgewachsenen Wolf, seine Gestalt majestätisch und von einer dunklen Aura umgeben.

Er heulte, und die Schattenbestien wichen zurück, als ob sie Angst vor ihm hätten. Gemeinsam kämpften wir uns durch die Horde, bis der Pfad endlich frei war.

Als wir Shirakis Festung erreichten, spürte ich, wie meine Kräfte schwanden. Doch die Aussicht, meinen Vater zu retten, trieb mich weiter an.

Die Festung war ein düsterer Turm aus schwarzem Stein, umgeben von einem giftigen Nebel. Kaido blieb stehen. „Das ist so weit, wie ich euch begleiten kann," sagte er leise. „Aber Miyu, denk daran – deine Verbindung zu deinem Vater ist deine größte Stärke."

Mit diesen Worten ließ er uns zurück, und ich trat mit meiner Mutter und Ryuu in die Festung ein.

Die Halle war erfüllt von einer eisigen Stille. Shiraki wartete auf uns, eine schlanke Gestalt mit langen, weißen Haaren und Augen, die wie glühende Kohlen brannten.

„Ihr habt es weit geschafft," sagte sie mit einer Stimme, die wie Eis klang. „Aber hier endet euer Weg."

Mein Vater war in Ketten gelegt, seine Kräfte schwach, doch er hob den Kopf, als er mich sah. „Miyu..." flüsterte er.

„Lass ihn frei!" schrie ich, doch Shiraki lachte nur. „Wenn du ihn willst, musst du mich besiegen."

Der Kampf war der härteste meines Lebens. Shiraki war schnell, stark, und ihre Magie war überwältigend. Doch mit Ryuu an meiner Seite und der Kraft meiner Mutter schaffte ich es, sie in die Knie zu zwingen.

In einem letzten, verzweifelten Angriff vereinten Ryuu und ich unsere Kräfte, und ein mächtiger Schattenstoß traf Shiraki, zerschmetterte sie in einer Explosion aus Licht und Dunkelheit.

Mein Vater war frei. Doch er war geschwächt, und ich wusste, dass es Zeit brauchte, bis er sich vollständig erholte. Gemeinsam verließen wir das Schattenreich und kehrten in unsere Welt zurück.

Doch etwas hatte sich verändert. Ich spürte, dass ich stärker geworden war – nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Mein Weg war noch lange nicht vorbei, doch ich war bereit, alles zu tun, um meine Familie zu schützen.

Dies war erst der Anfang meiner Reise.

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⏰ Letzte Aktualisierung: 3 days ago ⏰

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