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Ich hätte nie gedacht, dass ich das Träumen mal vermissen würde. Man tat es immer, es war einfach da. Seit Autumn's Tod träumte ich nicht mehr. Nicht einmal einen Alptraum. Da war einfach... nichts. Es erschöpfte mich. Jeden Morgen fühlte es sich an, als hätte ich nicht geschlafen. Es ist nicht so, als wenn man vergisst, was man geträumt hat. Man kann es gar nicht richtig beschreiben. Da ist eine Leere. Einfach eine Leere.

Auch diese Nacht hatte ich nichts geträumt. Nicht von Autumn, nicht von ihrem Mörder und auch nicht von der Schule. Die Meisten wären wahrscheinlich total aufgeregt gewesen wie sie wohl aussieht, wie nervig die Lehrer sind und wie beliebt sie sein würden. Mir war es egal. Ich würde hingehen, lernen und wieder verschwinden. Nach meinem Abschluss wird man sich nicht an mich erinnern können.

Das Frühstück war schon nicht mehr so unangenehm leise wie das Abendessen. Es wurde der typische Small-Talk betrieben. ‚Wie geht es dir?, Hast du gut geschlafen?, Willst du etwas essen?' Das Übliche eben. Ich hab so gut wie möglich gelogen. ‚Mir geht es gut. , Ja danke. , Natürlich, ich habe riesen Hunger.' Nach dem Frühstück ging ich noch einmal in mein Zimmer um meine Tasche zu holen. Es war schon etwas seltsam dieses Haus jetzt mein zu Hause zu nennen. Es war einfach nicht meins. Es war Autumn's. Klar hatte ich hier viel Zeit verbracht, aber ich war eben nur zu Besuch. Das Haus war schon ziemlich alt. Es hatte schon haufenweise Renovierungen hinter sich, dass sah man deutlich am Treppenhaus. Die Eichenstufen waren abgenutzt und knarzten bei jedem Schritt. Die Wand die an der Decke endete, blätterte schon ab und man sah die alte beige Wandfarbe hinter dem Weiß durchscheinen. Ich betrat mein Zimmer und setze mich kurz an den Rand meines Bettes. Ich schlug mir meine Hände vors Gesicht und blickte zwischen meinen Fingern hervor. Ich sah das silberne Armband am Boden liegen. Ich musste es wohl, während ich ‚geschlafen' hatte, fallen gelassen haben. Ich hob es schnell auf und hing es behutsam über die Ecke des Bilderrahmens auf meinem Nachttisch. Ich hatte Angst es zu tragen. Ich wollte es nicht verlieren. Das hätte sie mir nie verziehen. Außerdem ist es so ziemlich das Einzige was ich von ihr hatte. Desiree hat nichts von ihren Sachen angefasst. Alles war so wie sie es hinterlassen hatte. Ich verstand es gut. So war es, als wäre sie nicht weg. Als würde sie jeden Moment hereinspazieren und rumbrüllen wo denn ihr neues Top sei.

Ich stand von meinem Bett auf und ging zu meinem Schreibtisch. Ich schnappte mir meine Tasche stopfte einen Block und mein Federmäppchen hinein, nahm mein Handy vom Ladekabel, obwohl ich es eh nicht brauchen würde und zog mir meine schwarzen Sneaker an. Kurz stellte ich mich vor den Spiegel um zu überprüfen ob meine Jeans und mein dunkelgrünes Top noch saßen. Man musste ja nicht total unordentlich angezogen in die Schule gehen. Ich hoffte meine Klamotten würden mir keine Probleme machen. Ich hatte keine Ahnung, ob es da eine Art Regelung von Kleidungsstücken an der Schule gab, aber das Wetter in North Carolina im Oktober ist schon nicht ohne. Es regnete zwar oft, umd es war kalt aber die Sonne erhitzte alles doch noch ganz schön. Schnell rannte ich die Treppe runter, nahm das Geld von der Küchentheke für mein Mittagessen und ging nach draußen. Meine Mom saß schon im Auto und wartete auf mich. Ich stieg ein und sie startete den Motor. Die Fahrt verlief schweigend. Ich starrte aus dem Fenster und wartete bis der 20-minütige Weg zur Schule hinter uns lag. Mom parkte auf dem Schulparkplatz. Wir waren offensichtlich zu spät, denn auf dem großen Platz vor der Schule standen keine Schüler mehr um sich zu unterhalten. Der Campus war ziemlich schön. Er war umsäumt von Bäumen und überall standen Tische und Bänke. Wahrscheinlich, für die, die zum Essen nach draußen gingen. Ich war eher der Typ der sich das Essen kaufte und so schnell wie möglich aus der Cafeteria verschwand um auch ja keine Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich aß entweder auf dem Gang oder im Klo, kommt darauf wo weniger Leute waren. Ja, ob ihrs glaubt oder nicht, es gab mehrere solche Loser wie mich auf meiner alten Schule. Aus dem Augenwinkel sah ich wie meine Mutter mich ansah. Ich drehte mich zu ihr um und sah ihr in die Augen. „Viel Glück, mein Spatz. Du schaffst das. Du bist so ein starkes Mädchen. Ich bin stolz auf dich." Meinte sie mit Tränen in den Augen. Bei dem Anblick musste ich sie in den Arm nehmen. „Danke Mom. Viel Spaß bei deinem neuen Job." Meine Mom arbeitete als Gärtnerin. Hier hatte sie schnell einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Ihren grünen Daumen hätte ich gern. Meine Pflanzen, egal welche, gingen immer ein. Ich hatte es sogar einmal geschafft einen Kaktus eingehen zu lassen. Habt ihr das schon mal versucht? So gut wie unmöglich. Man muss eigentlich fast nichts tun, aber ich hab es geschafft. Aber ich mochte die Natur. Die verschiedenen Farben und Gerüche. Ich liebte es in den Wald zu gehen. Die Dunkelheit und die Sonnenstrahlen, die sich auf den Weg durch das Blätterdach der Bäume verirrt hatten. Am Liebsten aber mochte ich Wasserfälle. Die hatten so etwas Beruhigendes. Bei mir zu Hause gab es ganz in der Nähe einen. Ich bin oft dahin gegangen um zu lesen oder um die Füße ins Wasser hängen zu lassen.

How to save a life - Gebrochenes Versprechen *ON HOLD*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt