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Ich hatte mich schon oft gefragt, warum ich so bin, wie ich bin. Warum ich so handle, wie ich handle. Warum ich so denke, wie ich denke. Mir stand mein Charakter schon oft im Weg. Ich hatte ja keine Freunde, ich hatte es ja nie darauf angelegt. Es war nicht wichtig für mich, aber ich hätte nichts dagegen gehabt. Ich habe nie jemandem etwas getan. Anfangs wurde ich eher gemobbt, später nur gemieden und ignoriert. Ab da hatte ich es aufgegeben mir Freunde zu machen. Ich war nicht mehr unbedingt nett zu allen und hatte alle auf dem Gang begrüßt, ich habe mich auf die Schule konzentriert um irgendwann auf ein gutes College zu gehen. Weit weg von hier. Ich wollte zusammen mit Autumn nach Stanford. Sie wollte Jura studieren, obwohl sie nicht wirklich gut in der Schule war, sie hatte auch nie gelernt und wahrscheinlich hätte es nie funktioniert, aber es war etwas an dem ich mich festhalten konnte. Ich fragte mich ob es daran lag, dass ich keinen Dad hatte und oft alleine war, weil Mom für uns beide sorgen musste. In unserer Nachbarschaft gab es keine Kinder also musste ich mit mir selbst spielen. Ich habe mir damals selbst das Lesen beigebracht und seitdem alles verschlungen was auch nur in meiner Reichweite war. Ich war es nicht gewohnt mit gleichaltrigen umzugehen und hab es auch nie ‚gelernt'. Ich war schon immer sehr erwachsen für mein Alter, ich musste mich ja praktisch selbst erziehen. Und jetzt hatte ich drei Freunde und hatte keine Ahnung ob ich ihnen vertrauen kann und wie ich mich ihnen gegenüber verhalten soll. Ich versuchte es wirklich, sie waren so nett zu mir und ich mochte sie, aber mir wurde alles zu viel. Ich war verwirrt und der Traum half mir auch nicht dabei. Er war so real. Und ich habe geträumt, das erste Mal seit Monaten. Ich fühlte mich das erste Mal wieder ausgeschlafen und das ausgerechnet, nachdem ich ihm begegnet bin. Wieso hatte ich ausgerechnet von ihm geträumt? Wieso beschäftigte mich dieser Junge so? Ich war völlig fertig und ich konnte mit niemandem darüber reden. Niemand kannte mein Geheimnis und ich wollte auch, dass es so blieb.

Der Morgen verlief genauso wie der Abend. Ich frühstückte und dann fuhr Mom mich ohne ein Wort in die Schule. Ich stieg aus und bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte um mich zu verabschieden, fuhr sie davon. Ich blieb einige Sekunden stehen und drehte mich dann um, um in Richtung des ‚geheimen' Raumes zu gehen. Ich öffnete die Tür und wurde von Gelächter empfangen.

„Hey Leute.", sagte ich und schloss die Tür hinter mir. Ich bekam ein einstimmiges ‚Morgen' zurück. „...und dann musste ich ihn nochmal baden und komplett umziehen. Das Beste war, die Kleinen sahen dabei zu und stürzten sich gleich danach in den Matschhaufen. Zum Glück musste ich mich nicht um alle alleine kümmern, aber ich sags euch ich hätte ihn in dem Moment umbringen können." Xander und Hope kriegten sich vor Lachen nicht mehr ein und ich stand einfach daneben. „Was ist so lustig?", fragte ich etwas verwirrt.

Hope konnte sich als Erste fassen. „Natalie hat uns gerade ihr Abenteuer mit ihren sechs kleinen Geschwistern heute Morgen erzählt. Und es ist einfach immer lustig, jeden Tag passiert etwas anderes." Sie wischte sich die Lachtränen aus den Augen. „Sechs Geschwister?", fragte ich leicht hysterisch.

Nat sah mich etwas unsicher wegen meiner Reaktion an. „Ehm, ja. Hast du Geschwister?"

Ich schüttelte bloß den Kopf. „Es gibt nur mich und meine Mom."

Die Frage: Was ist mit deinem Dad? , stand nun im Raum. „Ich hab keine Ahnung was mit meinem Dad ist, er ist abgehauen als ich noch klein war." Ich zuckte mit den Schultern. Die drei sahen mich bemitleidend an. „Ist nicht schlimm, wenn er nicht den Mumm hatte zu bleiben, brauch ich ihn nicht."

Sie nickten verständnisvoll. Sie redeten noch ein bisschen, ich hielt mich aus den Gesprächen raus, der Traum spukte noch in meinen Gedanken herum. Ich verstand es einfach nicht. Wieso ausgerechnet er? Wieso?

Jemand rammte mir den Ellenbogen in die Seite. Ich schnappte kurz nach Luft. „Auaa."

Xander schnaufte genervt und doch belustigt. „Du hörst mir gar nicht zu."

How to save a life - Gebrochenes Versprechen *ON HOLD*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt