Umziehen?

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„Hallo Shayna. Wie geht's dir denn heute? Kommst du gut zurecht?", fragte mich Dr. Diaz. Sie war meine Psychologin, zu der mich meine Eltern gegen meinen Willen schickten. Ich starrte sie einfach nur an. Ich hatte schon seit längerer Zeit aufgehört zu sprechen, was auch der Grund war, weshalb mich meine Eltern zur Psychologin zwangen. Seit zwei Jahren, um genau zu sein. Seit dem Tod meiner Schwester...

FLASHBACK
Meine Schwester und ich spielten Frisbee im Park. Emily hatte mich gerade ausgelacht, da ich den Frisbee vielleicht einen Meter weit geschossen hatte.
„Wow, Shayna, du bist ja richtig gut!", kicherte sie. Ich lachte auch, wenn auch etwas beleidigt.
„Pass auf! Ich zeig dir, wie das geht!", rief sie. Dann holte sie weit aus und schoss den Frisbee mit aller Kraft soweit sie konnte. Er flog über die ganze Wiese und landete auf der Strasse.
„Siehst du, Shay! So geht das! Warte, ich hole ihn.", bot sie an und schon lief sie los. Ich sah ihr hinterher. Emily war drei Jahre jünger als ich, also elf Jahre alt. Sie hatte lockige, schwarze Haare, grüne Augen und über ihr ganzes, süsses Gesichtchen hatte sie Sommersprossen verteilt. Bei jedem ihrer Schritte bauschte sich ihr blaues Sommerkleidchen.
Gerade war sie beim Frisbee angelangt, der mitten auf der Strasse lag. Plötzlich nahte ein silbrig glitzernder Wagen mit hoher Geschwindigkeit!
„Pass auf, Em!", schrie ich noch, doch es war zu spät. Der Wagen rammte meine kleine Schwester und sie flog durch die Luft, wie eine Puppe. Ein paar Meter weiter blieb sie reglos liegen.
„Em! Oh mein Gott, Emily!", brüllte ich und stürzte auf sie zu. Ich zog sie an meine Brust und vergrub meinen Kopf an ihrer Seite.
„Verlass mich nicht! Nein, komm zurück! Emily! Bitte, Em, bitte..."
Nach geraumer Zeit wurde ich von ihr weggezehrt und sie brachten sie ins Spital. Ich schrie und zappelte hysterisch! Ich wollte bei meiner Schwester sein und sie nie wieder loslassen. Irgendwann bekam ich dann eine Beruhigungsspritze. Im Spital erwachte ich wieder.
„Wo ist Em? Verdammt, wo ist sie?!", schrie ich. Meine Eltern sassen an meinem Bett und sahen mich unendlich traurig an. Dad schüttelte den Kopf und meine Mom begann zu schluchzen. Auch ich begann zu weinen...
FLASHBACK ENDE

Nach dem Besuch bei Dr. Diaz ging ich sofort zu Em. An ihrem Grab sank ich auf meine Knie und sprach leise mit ihr. Sie war seit zwei Jahren die Einzige, mit der ich sprach. Auf einmal hörte ich, wie sich Schritte näherten. Sofort verstummte ich. Mein Dad legte mir eine Hand auf die Schulter und zog mich hoch.
„Komm, gehen wir nach Hause, Schätzchen. Wir müssen noch mit dir reden."

Mittlerweile waren wir zu Hause angekommen und sassen zusammen im Wohnzimmer.
„Okay Schätzchen. Wir, das heisst dein Vater und ich, haben mit Dr. Diaz geredet. Sie meinte, dass du dich immer noch geweigert hättest zu sprechen. Das kann so nicht weitergehen. Deshalb hat sie uns geraten einen Neuanfang zu wagen... Wir werden umziehen.", erklärte mir meine Mom. Sofort sprang ich auf und schüttelte vehement den Kopf. Umziehen?! Nie im Leben! Ich würde doch nicht meine Schwester hier alleine zurücklassen. Wir MUSSTEN einfach hier in Los Angeles bleiben.
„Aber Shayna, du weisst doch noch gar nicht wohin.", meinte mein Vater und fuhr fort: „Wir ziehen nach Miami, zu deinem Bruder." Zu meinem Bruder? Als Emily starb, war Ethan zwanzig Jahre alt. Er hielt es hier nicht mehr aus, da ihn alles an sie erinnerte. Dann bekam er ein tolles Angebot für eine Universität in Miami und er nahm an. Seit zwei Jahren hatte ich ihn nicht mehr gesehen, oder beinahe, denn er kam mich manchmal besuchen. Er sorgte sich ebenfalls sehr um mich, genau wie meine Eltern, da ich nicht mehr sprach.
„Nun, was denkst du?", erkundigte sich Mom. Ich würde zwar gerne näher bei meinem Bruder sein, aber ich konnte Em hier nicht alleine lassen. Deshalb schüttelte ich nochmals mit dem Kopf.
„Bitte Shayna! Eine Abwechslung würde uns allen gut tun und du musst wieder beginnen zu reden, und ich meine mit anwesenden Leuten und nicht mit deiner toten Schwester!", rief mein Dad aufgebracht.
„Okay, du erhaltest eine Chance. Du musst uns versprechen, dass du wieder beginnst normal zu reden und dich wieder um Anschluss bemühst, dann werden wir hier bleiben.", bot Mom mir an. Ich hatte die Schule ziemlich schleifen lassen in letzter Zeit und all meine Freunde verloren, da ich nicht mehr mit ihnen redete und sie immer wieder abwies, wenn sie versuchten zu helfen. Doch mir war klar, dass ich das nicht versprechen konnte. Ich wusste eigentlich selbst nicht so genau, weshalb ich nicht mehr sprach. Vielleicht war es, weil ich immer stundenlang mit Emily geredet hatte... Die Erkenntnis, dass sie mir nie wieder antworten würde, schmerzte einfach zu sehr!
„Also. Versprichst du es uns?", fragte Dad. Ich schüttelte abermals den Kopf. Er seufzte frustriert.

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Hey Leute!
Ich hoffe, die Geschichte gefällt euch bisher! Es würde mich freuen und motivieren zum weiterschreiben, wenn ihr mir Feedback geben würdet und für Silent Voice voten würdet!
Eure @be_brave__

Silent Voice *paused*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt