3 - Täuschung

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Ich hatte zwangsweise einige Kontakte. Ich würde sie aber nicht als „Freunde" bezeichnen. Viele von ihnen taten es. Für sie war ich ihr Freund, ihr engster Vertrauter. Aber die Menschen, die mich kannten oder glaubten zu kennen, kannten nicht mein wahres Ich. Für sie war ich Dr. Jared Cope, promovierter Anthropologe der Harvard University, Kyle Rood, reicher alleinstehender Erbe einer großen Firma oder Samuel Johnson, ein Autowerkstatt-Besitzer aus der Mittelschicht, der seine Kinder und seine Frau bei einem Autounfall verloren hatte. Das und noch viele mehr waren meine Rollen. Meine Masken, die ich jahrelang Tag für Tag aufgesetzt hatte. Personen, die ich vorgab, zu sein. Personen, die meinen „Bekannten" halfen. Personen, die ihnen vortäuschten, ein netter Mensch auf der Suche nach neuen Kontakten zu sein. Ich war eine Art Schauspieler, der wusste wie er seine Kunstform geschickt anwenden konnte. Ich war ein ziemlich guter Schauspieler. Flink und trainiert, ohne jemals einen Fehler zu begehen. Ohne aus seiner Rolle zu schlüpfen. Aber ich war ein betrügerischer Schauspieler. Ich zeigte den Leuten einen nicht existierenden Charakter. Eine nicht existierende Person, die ihnen mit der Zeit vertraut wurde. Zu vertraut. Doch leider bemerkten sie ihre Fehler sehr spät. Die Menschen sehen ihre Fehler erst ein, wenn es zu spät ist; meist erst in dem Moment, in dem sie kurz vor dem Sterben sind. Ich hatte oft Momente erlebt, in denen die Menschen ihr Leben in einem Rückblick vor sich sahen und mich fragten warum. Warum der Mensch, der sie seit Jahren begleitete, ihnen so in den Rücken fiel. Warum der Mensch, den sie dachten zu kennen, ein ganz anderer war. Und warum ich es über das Herz brachte, Menschen mit denen ich Jahre verbracht hatte, die mich auf Hochzeiten eingeladen hatten und mit denen ich gemeinsam im Urlaub gewesen war, zu töten. Meine Antwort war immer die selbe: Weil es mein Job war.

Sie - Bezaubernde GefahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt