6 - Verlust

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Mit zarten Fingern griff ich nach der Schere auf dem Tisch. Mit meiner Hand umfasste ich sie fest und drückte sie an mich. Dann stand ich auf und ging mit leisen Schritten auf ihn zu. Als ich kurz vor ihm stand, drehte er sich um. Ehe er sich wehren konnte, stach ich ihm die Schere in die Brust. Sein Gesicht wurde bleich. Es verlor jegliche Farbe. Sein Blut tropfte an meiner Hand herunter. Ich spürte wie die Blutlache unter meinen Füßen langsam wuchs und wuchs. Mir wurde übel. Ich versuchte es zu unterdrücken. Seine Mimik war erstarrt. Seine Augen waren starr auf mich gerichtet. In seinen Augen konnte ich sehen, dass er sich fragte warum. „Meine Familie", zischte ich. Mit der freien Hand versuchte er meine Hand weg zu ziehen, doch ich blieb standhaft. Er gab nach. Das Messer fiel ihm aus der Hand und er sackte zu Boden. Regungslos lag er nun da. Langsam stand ich auf. Meine Hände waren blutverschmiert. Ich zitterte am ganzen Körper. Die Schere ließ ich fallen. Ängstlich schaute ich mich um und sah die toten Leichen meiner Eltern. „Mum? Dad?" Keine Reaktion. Sie lagen still dort. Ihre Gesichter waren bleich, wie das des Mannes. Ich schüttelte an der Schulter meiner Mutter. „Mum! Mum, bitte wach auf! Mum!" Tränen liefen mir über mein Gesicht. Plötzlich spürte ich an meinem Bein eine Bewegung. Ruckartig drehte ich mich um. Mein Vater streckte seine Hand nach mir aus. „Dad!", stieß ich hervor. Ich kniete mich auf den Boden und nahm vorsichtig seine Hand. Sie war kalt. Eiskalt. Als wäre jegliches Leben aus ihr heraus geflossen. Er räusperte sich, hustete und spuckte Blut. Mein Gesicht war tränen-übergossen. Ich wusste, dass ich ihm nicht helfen konnte. Auch wenn ich es mehr als alles andere auf der Welt gewollt hätte. „Derek..." Er sprach leise. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. Schmerzerfüllt verzog er den Mund. „Du sollst wissen ... dass ... ich dich immer ... lieben werde ... mein Sohn." Er rang sich zu einem Lächeln und drückte meine Hand fester. Dann wurde er schwächer; verlor an Kraft. Seine Augen fielen langsam zu. „Nein! Nein, du kannst jetzt nicht gehen! Dad!" Ich schrie. Verzweifelt rüttelte ich an meinem Vater, in der Hoffnung, er würde wieder aufwachen. Erfolglos. Ich vergrub mein Gesicht in meinem Pullover. Ich musste weg hier. Raus aus allem. Es tat weh. So unendlich weh. Die einzigen Menschen, die ich geliebt hatte und die mich liebten. Weg. Verloren. Für immer.

Sie - Bezaubernde GefahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt