Über ein Jahr lang war ich alleine unterwegs. Ich hatte kein richtiges Zuhause und keine Menschen, die in schwierigen Situationen auf mich aufpassen würden. Ich war auf mich allein gestellt. Ohne ein genaues Ziel wo ich überhaupt hin wollte. Ich wollte einfach nur weg und das so weit es ging. Oftmals übernachtete ich bei fremden Familien, die ich getroffen hatte. Meist waren es ältere Menschen oder Familien mit Kindern, die mich, den kleinen Jungen mit dem Koffer und ohne Eltern oder ein Zuhause, von den Straßengassen der Städte mit zu sich nach Hause holten. Sie fragten immer wieder das selbe. „Wieso passt keiner auf dich auf?", „Woher kommst du und warum gehst du von Zuhause weg?" und „Wohin möchtest du überhaupt, mein kleiner?" Ich belog sie jedes Mal und erzählte ihnen, ich sei auf dem Weg zu meiner Großmutter, da meine Mutter schwer krank sei und sie ihr helfen könnte. Sie glaubten es immer und hatten Mitleid mit mir. Ich hingegen bestahl sie heimlich. Schmuck, teure Uhren, Bargeld: Ich nahm alles mit, was man tauschen konnte und womit ich überleben würde. Sie wussten es nicht, sonst wären sie vermutlich nie so lieb und nett zu mir gewesen. Einige hatten mir sogar angeboten, dass sie mich fahren würden oder dass sie meine Großmutter anrufen würden und ich erst mal bei ihnen bleiben könnte. Aber jedes mal winkte ich ab. Ich wollte bei diesen Leuten nicht dauerhaft bleiben. Sie hatten ihren Nutzen für mich erfüllt und waren nun wertlos.
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Sie - Bezaubernde Gefahr
Mystery / Thriller"Denn in dem Moment, in dem man diese Person sieht, vergisst man alles andere auf der Welt."