6. Kapitel

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Kap. 6

Am nächsten Morgen wurde ich von meinem Wecker geweckt. Ich hatte ihn extra leise gestellt, damit Tim ihn nicht hörte. Ich wusste, dass er in einer Stunde in der Uni sein musste und wollte ihm Frühstück machen. Ich wollte ihm einfach irgendwie zeigen, wie dankbar ich ihm war, dass ich bei ihm wohnen durfte und das er einfach für mich da war. Ich zog mir meine Sachen an und ging an dem schlafenden Tim vorbei um Brötchen zu holen, doch an der Tür drehte ich mich noch einmal um. Da lag er. Seine braunen Haare waren verstrubbelt und er murmelte im Schlaf vor sich hin. Was er wohl gerade träumte? Plötzlich hatte ich das Bedürfnis ihm die Haare aus der Stirn zu streichen. Ich musste an unsere Umarmung von gestern denken. Es hatte sich einfach zu gut angefühlt, ihn so nah bei mir zu spüren. Mit Mühe riss ich mich aus meinen Gedanken und von Tims Anblick los und ging rüber zum Bäcker. Wieder in der Wohnung fing ich an Frühstück zu machen. Es dauerte nicht lange, da kam ein ziemlich verschlafen aussehender Juli, offenbar vom Kaffeegeruch angelockt, in die Küche gestapft. „Ach du bist das.", murmelte er mir zur Begrüßung entgegen. „Was machst du denn am frühen Morgen schon bei uns?", fragte er und schaute über den gedeckten Tisch. „Ich penn ein paar Tage bei Tim.", antwortete ich gut gelaunt. „Mh, ja also wenn du jeden Morgen Frühstück machst, würde ich das natürlich erlauben.", grinste Juli, der schon am Tisch saß und sich ein Scheibe Käse auf eine Brötchenhälfte klatschte. „Kannst knicken.", grinste ich zurück. Ich wollte mich gerade zu ihm setzte, da ging die Tür erneut auf. Diesmal war es Tim. Als ich ihn ansah, kamen alle Gefühle von gestern Abend auf einen Schlag zurück: Das Schwebegefühl im Bauch und die Wärme, wenn er mich ansah. Wie er da verschlafen in Boxershorts und T-Shirt in der Tür stand, sah irgendwie ziemlich heiß aus. Schnell versuchte ich woanders hin zu gucken. „Was geht denn hier ab?", fragte Tim und Blickte verblüfft auf das Küchenszenario. „Stegi, hat Frühstück gemacht. Von mir aus darf er für immer bleiben.", nuschelte Juli zwischen zwei Schlucken Kaffee. Tim sah mich an. „Schatz, das wäre doch nicht nötig gewesen.", grinste er und berührte kurz mit der Hand meine Schulter. Sofort beschleunigte sich mein Puls und mein ganzer Körper begann zu kribbeln. „Jaja, komm du Lappen.", sagte ich schnell. Während wir frühstückten planten wir den heutigen Tag. Juli und Tim mussten beide den Vormittag über in die Uni, danach würde ich Tim abholen und er würde mir die Stadt zeigen. Juli würde eventuell später dazu stoßen. Ich war froh, dass ich mich mit Tims Mitbewohner so gut verstand, irgendwie war er so eine Art Schwiegermutterersatz. Juli musste schon früher in der Uni sein, also räumten Tim und ich noch die Küche auf.

Anschließend ging Tim unter die Dusche und ich in sein Zimmer. Ich fuhr seinen PC hoch und überlegte, ob ich wohl twittern sollte, dass ich bei Tim war. „Mh nein.", dachte ich mir, da würden eh nur dumme Kommentare, wie Fragen zu unserer ersten gemeinsamen Nacht kommen. Unsere erste gemeinsame Nacht... Das klang interessant, sehr interessant. „Na, an was denkst du?" Vor Schreck sprang ich auf. „Alter, erschreck mich nicht so.", rief ich und drehte mich zu Tim um, der offenbar mit Duschen fertig war und plötzlich hinter mir stand. Ein Fehler, wie ich feststellen musste. Da stand Tim: 10 cm von mir entfernt, mit nassen Haaren und nur in Boxershorts. Mein Blick fiel sofort auf seinen Oberkörper. Gut trainiert, aber auf keinen Fall zu fiel, lautete das Fazit meines Scans. Mir wurde heiß und bestimmt wurde ich auch rot. „Jaja, ich bin schon ein ganz schön heißes Gerät.", lachte Tim, dem mein Blick wohl nicht entgangen war. „Genau das habe ich gedacht, weißt du.", entgegnete ich sarkastisch. Hatte ich. Er stand immer noch direkt vor mir. „Uhh.", sagte er und es klang wie in seinem Intro. Wenn ich zuhause seine Videos guckte musste ich das „Uhh" immer mitsprechen. Er machte mich wahnsinnig wie er da halbnackt direkt vor mir stand. „Jaja komm, pack deine geilen Körper ein, du musst zur Uni.", sagte ich und drückte ihm das Shirt an die Brust, das neben mir über der Stuhllehen gehangen hatte. „Nä, das nicht", sagte er mit einem Blick auf das Shirt. Er ging zum Schrank und zog sich ein anders Shirt heraus. Das Stexpert-Shirt, was ich ihm vor wenigen Tagen erst geschickt hatte. Er drehte sich zu mir um und grinste. „Ja ganz toll Tim, aber du musst jetzt echt los.", tat ich genervt auch wenn ich mich total freute, dass er mit dem Shirt heute den ganzen Tag repräsentieren würde, dass er zu mir gehörte. Ok, das war vielleicht etwas zu viel gesagt. „Jaja, Mama.", entgegnete Tim und setzte seinen Rucksack auf. Er war schon fast aus der Tür, da drehte er sich noch einmal um. „Stegi?" „Timbo?", fragte ich zurück „Cool, dass wir uns später sehen." Und mit diesen Worten war er verschwunden.

Ich wartete vor Tims Uni. Ich war nervös. So nervös wie kleine Mädchen vor ersten Dates. In fünf Minuten hatte Tim frei. Warum war ich jetzt überhaupt schon wieder so nervös? Aber insgeheim kannte ich die Antwort: Ich wusste, dass ich mit Tim reden musste. Wir hatten immer über alles reden können. Und so wie es im Moment war, konnte es doch auch nicht ewig weitergehen. Außerdem hatte ich ihm gegenüber einfach auch ein schlechtes Gewissen, wenn ich heimlich auf sein Six-pack schielte. Und wer weiß vielleicht ging es ihm sogar ähnlich und er hatte auch mehr als nur freundschaftliche Gefühle für ich über. Aber was wenn nicht? Darüber wollte ich nicht nachdenke. Auf jeden Fall konnte und wollte ich ihm einfach nichts mehr vor machen und je eher es raus war, desto besser. Da kam Tim auch schon. Wie zu erwarten fing mein Herz an schneller zu schlagen. „Na, wieder ein bisschen schlauer geworden heute?", fragte ich als er bei mir ankam und hoffte, dass er von meiner Nervosität nichts mitbekam. „Sieht man das denn nicht?", fragte er zurück. „Nee, du siehst genauso dumm aus, wie heute Morgen.", entgegnete ich grinsend und fing mir direkt einen Schlag auf die Rippen. „Komm du Lappen, ich hab extra ne S-Bahn Linie rausgesucht, die uns einmal um die Stadt fährt und zum Schluss gucken wir uns die Stadt vom Dom aus an.", sagte er und setzte sich in Richtung Bahn-Station in Bewegung. In der Bahn suchten wir und einen freien Vierer und setzten uns gegenüber voneinander ans Fenster. Tim legte sofort los und erklärte mir alles an dem wir vorbei fuhren. Er wusste zu jedem Bauwerk irgendeine Geschichte und er klang fast als hätte er einen Reiseführer auswendig gelernt. Ich konnte nicht anders als ihn immer wieder anzustarren. Aber er sah einfach so unfassbar attraktiv aus, wie er da in seinem Stexpert-Shirt vor mir saß und irgendwelches schlaue Zeug über das Kölner Rathaus erzählte. Schließlich stiegen wir an der Domplatte aus und stiegen die Stufen zum Südturm des Doms hinauf. „Ok, da oben sagst du ihm was Sache ist.", beschloss irgendwer in meinem Kopf. Mit jeder Stufe wurde ich nervöser. Ich zählte sie: 461, 462, 463, 464. Wir waren oben. „Oha, Stegi guck dir mal diese Aussicht an.", rief Tim und ließ seinen Blick begeistert wie ein Kind an Weihnachten über die Dächer Kölns schweifen. Ja die Aussicht war wirklich ganz nett. Aber ich könnte überhaupt nicht richtig hingucken. Ich konnte nur an das denken, was ich Tim gleich sagen wollte. „Jetzt oder nie.", schoss es mir durch den Kopf. Wir waren ganz alleine auf diesem Turm, einen besseren Moment würde es so schnell nicht wieder gebe. Ich kratze all meinen Mut zusammen und trat neben Tim an die Brüstung. „Tim ich muss dir was sagen.", fing ich an. Tim, der gerade noch verträumt in die Ferne gestarrt hatte, drehte sich zu mir um. „Uh, das klingt ja gefährlich.", sagte er grinsend, doch beim Anblick meiner Mine wurde auch er ernst. Im meinem Kopf rannten die Gedanken. Was hatte ich nochmal sagen wollen? „Ähm also...Ich... Ich habe irgendwie gemerkt, dass ich mehr für dich empfinde als Freundschaft. Ich weiß auch nicht wie das passiert ist, aber...aber ich hab mich in dich verliebt." Hatte ich das jetzt gerade wirklich gesagt? Hatte ich ausgerechnet auch noch verliebt gesagt? Ich war mir nicht sicher. Die ganze Szene wirkte plötzlich surreal. Ich versuchte in Tims Augen irgendeine Antwort zu lesen, aber er starrte mich einfach nur entsetzt an.

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