SIEBEN
"Entschuldigt die Verspätung", sagte Onkel Mattse zur Begrüßung. "Wenn ich geahnt hätte, dass es beim Notar so lange dauert, hätte ich den Termin verschoben. Ihr seid doch schon eine Weile hier." "Hauptsache, du bist da", meinte Ludmilla. "Die Jungs sind bisher auch ohne dich ausgekommen." "Herzlich und liebevoll wie immer", sagte Onkel Mattse lachend. "Wollen wir ins Wohnzimmer gehen? Dort können wir uns in Ruhe unterhalten."
Benno und Lasse nickten. Benno stellte den zu Stein gewordenen Avli auf eine Kommode. "Wo habt ihr das denn her?", wollte Onkel Mattse wissen. "Der war oben in dem Zimmer", erklärte Benno. "Die Wandtafeln sind alle mit dieser Figur verziert. Vielleicht... weißt du etwas darüber." "Ich kann dir nicht sagen, warum die Zimmer so gestaltet sind", antwortete Onkel Mattse. "Mein Vater hatte einen merkwürdigen Geschmack."
Onkel Mattse schien nicht der Sohn eines Grafen zu sein. Allein sein Name Matthias war weder adlig, noch sehr typisch für Großbritannien. Aber seine Mutter war nur einige Jahre mit dem Grafen zusammen gewesen, danach hatte sie ihn für einen jüngeren verlassen. Bennos Mutter war das zweite Kind von Gräfin Sarah gewesen.
Die Gräfin war vor einigen Jahren nach Amerika ausgewandert und hatte sowohl den Kontakt zu ihrer ersten Familie als auch zu ihrer zweiten Familie abgebrochen. Weder ihr Sohn aus erste Ehe noch ihre Tochter aus zweiter Ehe wussten, was sie gerademachte. Sie wohnte in Los Angeles. In einer Millionenstadt konnte man leicht untertauchen. Benno hatte früher oft über seine Großmutter nachgedacht. Er konnte sich nur daran erinnern, als er ein kleines Kind im Kindergartenalter gewesen war.
Ein paar Fotos von ihr und ihrem einzigen Enkel prangten noch in einem Fotoalbum. Benno wusste nur noch vage, dass die Gräfin eine sehr liebevolle Frau war, die trotz ihres Adelstitels mit ihrem Enkel zum Spielplatz gegangen war und sich ohne Scheu mit ihrem feinen Kleid in den Sandkasten gesetzt hatte, um mit ihm Sandkuchen zu backen. Dann war sie auf einmal weg und Benno wusste nichts mehr.
Nicht einmal, ob seine Mutter sehr traurig über das Verschwinden der Gräfin war. Sie hatte einen Brief hinterlassen, in dem sie bedauerte, dass sie diesen Schritt tun musste. Ein paar Angelegenheiten hatte sie noch geklärt. Was aus ihrem Haus werden sollte und wer sich um die Hunde kümmern sollte. In den letzten Sätzen hatte sie noch einmal ihr Bedauern ausgedrückt und dass die Familie in Los Angeles nicht nach ihr suchen sollte.
Danach hatte man nie wieder etwas von der Gräfin gehört. Benno war sich inzwischen sicher, dass ihr Bedauern nur Wörter auf dem Papier waren. Dass sie wirklich so gefühlt hatte, war sehr unwahrscheinlich. Dafür waren die Worte zu distanziert, zu förmlich. Ob sie wusste, dass ihr Mann, der ihr den Adelstitel verschafft hatte, gestorben war? Sicherlich nicht. Ob Onkel Mattse versucht hatte, seine Mutter darüber zu informieren?
Der Graf hatte ihr bestimmt, obwohl sie ihn verlassen hatte, etwas von seinem Erbe vermacht. Würde die Familie wieder Kontakt aufnehmen? Würde man die Gräfin in Los Angeles finden? Wollte sie überhaupt gefunden werden? Sie war Schauspielerin und hatte bereits auf zahlreichen Theaterbühnen gestanden. In dieser Branche konnte man sich leicht hinter einem Pseudonym verstecken.
Ein Name war nicht viel, er bedeutete so gut wie nichts. Vielleicht erzählte Onkel Mattse ja selbst etwas, ohne dass Benno fragen musste. Sie waren im Wohnzimmer angekommen. Der Kamin war angezündet und tauchte das Zimmer in dunkelrotes Licht. Es war die einzige Lichtquelle in dem riesigen Raum. Draußen war der Himmel fast schwarz, immer wieder zuckten Blitze am Himmel, Donner grollte. Der Wind schien stärker geworden zu sein.
Der Junge nannte es Sturm. Anders konnte man die Böen, die um das Schloss peitschten, nicht beschreiben. Onkel Mattse machte jedoch keine Anstalten, das Licht anzuschalten. Stattdessen zündete Ludmilla noch einige Kerzen an und stellte sie auf den niedrigen Couch-Tisch. "Setzen wir uns", sagte Onkel Mattse. "Ich bin sicher, es gibt viel zu erzählen."
Viel zu erzählen sollte es auch noch in den nächsten Wochen geben...
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Thunderstorm - Der Fluch (Buch I)
FantasyEr hatte viele Ideen. Einige spukten für immer in seinem Kopf herum. Andere fasste er in einem Notizblock zusammen, um sie nicht zu vergessen. Doch aus Ideen werden nur Geschichten, wenn man sie erzählt. Ein altes, baufälliges Schloss, weit außerh...