Perlenmeer Kapitel 20

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 Kapitel 20

Hausarrest war schlimmer als ich gedacht hatte. Es war heiss und stickig in meinem Zimmer, Maya und Agnes waren jetzt sicher am See und was Yuri machte, wusste ich nicht. Ich hockte auf meinem Bett und las bis es dunkel wurde. Der ganze Freitag war dahin. Am Abend kühlte es zum Glück etwas ab und trotzdem ging es mir nicht viel besser. Ich fühlte mich einsam. War ja normal, dass man sich so fühlte, wenn man den ganzen Nachmittag mutterseelenallein in seinem Zimmer verbracht hatte.

Ich legte mich auf mein Bett und starrte zur Decke.

Erst nahm ich das leise Geräusch gar nicht zur Kenntnis... Doch es wiederholte sich immer und immer wieder. Es kam von meinem Fenster. Kleine Kieselsteine, die an meinem Fenster abprallten.

Mein Herz blieb stehen und nervös öffnete ich das Fenster.

„Au!“ Eines der Kieselsteinchen traf mich auf die Stirn.

„Tut mir leid!“ Aufgeregt lehnte ich mich aus dem Fenster und da standen Yuri und Shelly. Er grinste und ich schnappte nach Luft.

„Yuri, was machst du hier?!“, fragte ich aufgekratzt und so leise wie möglich.

„Ich war mit Shelly auf einem Spaziergang... dachte es würde nicht schaden vorbei zu schauen.“ Er strahlte, während er zu mir hoch sah. Leider hatte ich nicht so lange Haare wie Rapunzel, mit denen ich ihn hätte hochziehen können und auch keine Ranken, an denen er hätte hochklettern können... Da ich Hausarrest hatte schien es unmöglich zu sein, anders in Kontakt zu treten.

„Na wie gehts? Bist du schon da oben versauert?“ Er schmunzelte und warf dann Shelly den Stock, um sie still und beschäftigt zu halten, denn sonst hätte sie zu kläffen begonnen.

„Es tut mir leid, dass du Hausarrest hast... ist ja im Grunde genommen meine Schuld“, sagte er leise zu mir hoch und ich lächelte stumm.

„Schon okay.“

„Also dann, ich muss weiter, wollte nur mal hallo sagen! Schlaf gut!“ Er winkte kurz und schwungvoll und verschwand mit Shelly an der Leine aus meinem Hintergarten zurück in die Dunkelheit der Nacht...

Das Wochenende war nur noch schlimmer. Ich begann sämtliche Schubladen meiner Komode auszuräumen und neu ein zu sortieren. Übte meinen Dorothytext bis ich ihn im Schlaf konnte und begann das grosse Rezeptbuch meiner Grossmutter zu lesen, das ich in einer der Schubladen gefunden hatte. Ich trug kurze dunkelblaue Hosen und ein schwarzes bauchnabelfreies T-shirt. Es war so heiss! Als es an der Haustür klingelte, tat ich so, als hätte ich nichts gehört und las mir das Cordonbleurezept zum dritten Mal durch.

„Nancy! Es ist für dich!“ Ich fuhr auf und stürzte die Treppe hinunter. Tatsächlich! Man besuchte mich!

Agnes und Maya standen in der Tür, strahlten breit.

„Wir dachten wir kommen dich besuchen!“ Vor Freude jauchzte ich laut.

„Wie schön! Ihr habt mir mein Leben gerettet, kommt herein!“ Ich liess sie ins Haus rein und lud sie zu Eistee und Kuchen ein. Mein Vater hatte nichts dagegen, zumal keine von meinen Freundinnen Yuri Callaghan hiessen. Er wusste auch nicht, dass Maya die Schwester von dem von ihm bezeichneten „Drogenkind“ war und so begrüsste er sie kühl und ging in sein Arbeitszimmer. Mein Bruder war auf dem Spielplatz mit Freunden und meine Mom war in der Stadt mit Freundinnen.

Wir setzten uns in den Garten und tranken Eistee.

Es war schön Gesellschaft zu haben. Wir genossen die Sonne, das erfrischende Getränk und sprachen über die Schule, die Lehrer, das Wetter und das anstehende Theater. Liebend gerne hätte ich die beiden über Ace ausgefragt.

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