Perlenmeer Kapitel 03

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Der nächste Tag verlief gut. Ohne irgendwelche erwähnenswerte Vorfälle. Und nach vielen anstrengenden Schulstunden ging ich in die Bibliothek um einen ganzen Berg an Romanen zurück zu bringen um mir dann einen weiteren Berg auszuleihen. Ich stand bei einem der Gestelle und studierte einige Titel, als auf einmal Olivia neben mir stand.

,,Hallo Nancy!“, sagte sie laut und aus Überraschung liess ich „Spiegeltänzer“ fallen.

,,Oh, hi Olivia“, erwiderte ich leiser und um einiges weniger begeistert als sie.

,,Was machst du?“, fragte sie und lächelte herzlich.

Nach was sieht’s denn aus? ,,Ich leihe mir Bücher aus.“

Sie hob das mir runter gefallene Buch auf und musterte es interessiert.

,,’Spiegeltänzer’ Hm.. klingt nicht schlecht. Weißt du, dass es einen Balletttanz gibt, der so heisst?“

,,Nein, das wusste ich nicht“, meinte ich etwas milder, zumal ich mich für Ballett interessierte.

Sie schlug den Roman auf und als sie nichts mehr sagte, sondern einfach nur las, drehte ich mich zurück zum Regal. Eigentlich war Olivia ganz angenehm. Ich verstand einfach nicht, weshalb sie so unbedingt Zeit mit mir verbringen wollte…

Nicht so geschwätzig wie Agnes und auch nicht so uninteressiert an Bücher wie Delaiah. Früher hatte er mich manchmal in die Bibliothek begleitet und sich zu jedem Titel, den ich auszuleihen gedachte, eine wahnsinnig lächerliche Geschichte erfunden. Sodass wir letztendlich stets auf dem Boden lagen und angestrengt unseren Lachanfall in angemessener Lautstärke zu halten versuchten.

Ich lächelte matt bei dem Gedanken, ehe wieder Olivia sprach und meine Aufmerksamkeit sich auf sie lenkte.

,,Hast du was dagegen, wenn ich „Spiegeltänzer“ ausleihe? Da du es ja zuerst entdeckt hast…“

,,Nein, klar! Nimm es!“ Ich lächelte.

Und auch sie lächelte. Dankbar.

Als wir wieder draussen waren, gingen wir den breiten Platz des Schulhofes hinauf bis zur Hauptstrasse.

,,Sag mal… ich frage mich schon die ganze Zeit, weshalb du so viel Zeit mit mir verbringen willst. Und nicht etwa mit Deborah, Maya oder Agnes…“

Olivia lächelte. Ihre blauen Augen strahlten und ihre Wangen waren ganz rot.

,,Weil… du mir irgendwie bekannt vorkommst! Von irgendwoher kenne ich dich! Aber ich weiss nicht mehr genau woher, weshalb ich Zeit mit dir verbringen wollte, um dahinter zu kommen…“ Sie wurde ganz rot vor Aufregung. Erstaunt sah ich sie an. Das hätte ich jetzt echt nicht erwartet.

,,Hm… also du kommst mir nicht bekannt vor. Ich habe dich das erste Mal gesehen, als du im Klassenzimmer standest.“

Olivia schwieg kurz, etwas enttäuscht war sie, da war ich mir ganz sicher.

Und dann sagte sie: ,,Es fällt mir bestimmt noch ein!“

Irgendwie war sie ganz nett. Wir verabschiedeten uns bei der Busstation, weil ich rechts die Gasse hinab gehen musste, und sie gerade noch ihren Bus erwischte.

~

,,Hey Nancy!“ Eine sehr schrille Stimme liess mich aufzucken. Mittwoch am Morgen. Es ist neblig und kalt. Und ich schlief noch halb.

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