Er hat... geweint?

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»Komm mit!« Kenshin zog mich hinter sich her. Er lachte. Es war schon fast ein Wunder, dass er nicht stolperte. Seine Hand umklammerte mich fest. »Wo willst du hin?« fragte ich gereizt. Kenshin seufzte. »Du bist immer schlecht gelaunt, oder?« Wir verließen die Schule und landeten vor einem Hochhaus. Er öffnete die große Eingangstür und schob mich rein. »Ich wohne im fünften Stock. Willst du mit dem Aufzug fahren, oder die Treppe nehmen?« fragte mein Klassenkamerad fürsorglich. »Aufzug.« Obwohl er mich loslassen hätte können, hielt seine Hand noch immer mein Handgelenk. Mir kam es sogar so vor, als würde sie nach unten gleiten. »Ist in Ordnung!« Kenshin zog mich in den Aufzug. Er atmete erst stark aus und ließ endlich mein Handgelenk los. Als ich es mir anschaute erstarrte ich. Es war ganz rot und schmerzte leicht. Obwohl ich die gesamte Zeit nichts gespürt habe, tat es jetzt höllisch weh. Ich streifte leicht mit meiner anderen Hand darüber. »War ich das? Tut mir leid...« Seltsamerweise war ich nicht wütend auf ihm. Ich freute mich sogar, dass er sich bei mir entschuldigte. »Wir sind da.« sagte er. Ein weiter Flur erschien hinter der Fahrstuhltür. Kenshin ging gezielt auf einer mit der Numer 5B zu. Als er die Tür öffnen wollte kam ihm schon jemand zuvor. Es war ein Mädchen in einer weißen Schuluniform, die ganz sicher nicht Unsere war. »Ayumi? Wo willst du hin?« Kenshin starrte sie perplex an. »Zu einer Freundin. Und wer ist das? Bitte nicht schon wieder einer deiner Bekanntschaften.« Bekanntschaften? In letzter Zeit verstehe ich wirklich gar nichts mehr. Wie nervig... »Nur ein Freund.« sagte er, wie aus der Pistole geschossen. Ich lächelte und stellte mich Ayumi, wie er sie nannte, vor. »Ich bin Akira. Freut mich dich kennenzulernen.« Um ehrlich zu sein, störte es mich so freundlich zu sein. Warum auch immer.

»Wer war das gerade?« fragte ich Kenshin. Ich machte es mir währendessen auf der Couch gemütlich. Er grinste. »Meine Geliebte.« Überrascht starrte ich ihn an. Nein, das kann nicht sein. Er zwinkerte mir zu, bevor er lauthals loslachte. Er wischte sich eine Lachträne aus dem Gesicht. Als er sich langsam wieder beruhigt hatte, fing er wieder an zu reden. »Sie ist meine kleine Schwester. Hast du mir etwa geglaubt, dass sie meine Geliebte ist?« Er grinste mich blöd an. »Nein. Habe ich nicht.« Kenshin legte sich auf sein Bett und zupfte an seinem Hemd herum. Schlussendlich lösten sich die zwei untersten Knöpfe, er registrierte es nicht. Ich wagte einen Blick auf seinen Bauch und wurde sofort rot. Er war gut trainiert und das sah man ihm an. Muskeln zeichneten sich auf seiner hellen Haut ab. Ich schluckte. Starre ich ihn gerade an? Ich wendete meinen hochroten Kopf ab, aber Kenshin bemerkte es. »Hast du was?« Sein freundliches Lächeln beruhigte mich ein kleines bisschen. Ich komme mir gerade wie eine 14-Jährige vor. »N- Nein.« stotterte ich. Warum stottere ich denn? Ich gebe zu, dass ich etwas nervös bin. Aber so sehr? Mir ist wirklich nicht mehr zu helfen. »Können wir einen Film sehen?« bittete Kenshin mich. Ich nickte. »Wenn du willst.«

Er ließ sich neben mich nieder und nahm die Fernbedinung in die Hand. Kenshin drückte auf Play. Der Film startete. Es war eine Komödie mit einigen dramatischen Szenen. Seltene Mischung und genau das machte mich neugierig. Eine Decke legte sich über mich. Ich blickte zur Seite und sah Kenshin, wie er sich an sie kuschelte. »Es ist kalt.« flüsterte er. Eine dreiste Lüge. Schauspielern ist jedenfalls nicht seine Stärke, das weiß ich jetzt. Plötzlich fing er an zu lachen. Ich schaute aus Reflex zum Fernseher. Es ist eine Komödie, also sollte man auch lachen können. Glaube ich zumindest. Komödien sind nicht mein Fall. Ich merkte ein Gewicht auf meiner Schulter. Es war Kenshins Kopf. Er lächelte matt und lehnte sich an mich. Seine Hand suchte etwas unter der Decke. Es war meine Hand. Er umschloss sie mit seiner. Mein Herz fing an wie verrückt zu schlagen und mir wurde schlagartig warm um die Brust herum. Was geschieht hier gerade? Ich sprang blitzartig auf. »I- Ich... Ich muss gehen!« Ich rannte aus der Wohnung, die Treppe hinunter und nach Hause. Ich warf die Tür ins Schloss und verkroch mich in mein Zimmer. Mein Handy klingelte, doch ich ignorierte es. Ich kann mir schon vorstellen, wer ist, deshalb ignorierte ich es. »Willst du nicht mal rangehen?« Haruka betrat den Raum, nahm mein Handy in die Hand und betrachtete es skeptisch. »Er hat es übertrieben, oder?« Ihre Stimme war mitfühlend und ruhig. Fast schon mütterlich. Sie legte mein Handy an ihr Ohr. »Was hast du angestellt?« sagte sie wütend. »Wenn du ihn so behandelst, werde ich dir zeigen, wer ich bin!« Sie schreite beinahe. So hatte ich sie noch nie erlebt. Sie hörte ihm zu. Ihre Augen wurden immer größer. Minuten vergingen und ich wurde immer nervöser. »O- Okay...« stammelte sie. Sie beendete den Anruf, legte das Handy auf meine Kommode und setzte sich zu mir. Haruka war mit der Situation überfordert. »Du musst wissen, dass er fast alle Menschen für seine Zwecke ausnutzt.« Sie war durcheinander und das sah man ihr auch an. »Aber er hat gesagt, dass er es bei dir nie machen würde. Weil er dich wirklich mag. Außerdem hat er, seit du abgehauen bist ...nur geweint.« fügte sie hinzu. Er hat... geweint?

Was willst du von mir?! (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt