Was für ein Klischee...

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Langsam verstrich der Tag und der Neue begann. Mein Wecker klingelte und holte mich somit wieder in die Wirklichkeit zurück. Müde schaltete ich ihn aus und zog meine Uniform an. Ohne Frühstück machte ich mich auf den Weg in die Schule. Vor mir ging die Sonne in einem hellen Licht auf. Ich beobachtete das Farbspiel mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. »Akira!« rief jemand und rannte auf mich zu. Ich drehte mich überrascht um. »Hey.« Ich freute mich ihn zu sehen. Vor allem weil er glücklich aussah. Kenshin holte zu mir auf und lächelte mich an. »Wie geht's dir?« fragte er mich. »Ganz gut... Und dir?« Er dachte kurz nach. »Zumindest besser als gestern.« sagte er matt lächelnd. Ich seufzte erleichtert aus. Es hatte ihn also nicht zu sehr getroffen. »Komm mal mit!« Kenshin packte mein Handgelenk und zog mich rennend in die Schule. »Warte!« rief ich, doch er reagierte nicht. Mitten in der Pausenhalle blieb er stehen, schaute sich kurz um und ging dann auf eine kleinere Gruppe zu. Wenige Meter vor ihnen ließ er mein Handgelenk los. »Das ist Akira.« stellte er mich vor. Nun war ich der Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit. Zwei Jungs schauten mich prüfend an und drei Mädchen flüsterten sich Dinge zu, die ich nicht verstand, da es nur einzelne Wortfetzen waren, die ich vernahm. Daraus konnte ich nichts schließen. »Du musst mir doch nicht unser Klassengenie Akira vorstellen!« sagte einer der Jungs lautstark. »Und du bist?« fragte ich mit gespielt verwirrten Gesichtsausdruck. Kenshin fing an zu lachen und die Mädchen kicherten wild drauf los. Selbst der andere Junge lachte. Doch sein Freund stand nur beleidigt da und schob seine Hände in die Hosentasche, die dadurch etwas nach unten rutschte. Selbst schuld, wenn man sie auf halb Acht trägt. Er machte, aber nicht die kleinste Anstalt sie nach oben ziehen zu wollen. »Volltreffer!« lobte mich jemand hinter mir. Warum sind eigentlich alle Menschen hinter mir, wenn sie etwas von mir wollen? Sie klopfte mir an den Hinterkopf. Haruka... »Danke?« Ob das ein Kopliment oder nicht war, wusste ich nicht. Haruka lobte oft mit ironischen Unterton. Wie jetzt gerade auch. Sie stellte sich zwischen Kenshin und mich. »So ist unser Aki!« Sie lachte. Nun starrten alle Haruka an. »Du kennst ihn?« Das Mädchen bekam als einzige etwas heraus. Alle waren so überrascht von meinem Spitznamen. Das war schon fast lustig! »Natürlich,« fing ich an. »Wir leben schließlich zusammen!« Kenshin, Haruka und ich bekamen gerade den Lachanfall unseres Lebens! Während die anderen nur still schweigend dort standen und sich nicht trauten noch etwas zu sagen. Ich wischte mir eine Lachträne aus dem Augenwinkel. Sie wussten wirklich nicht, mit wem Haruka zusammen lebte! Solange sie sich nicht das schlimmste über unsere Beziehung zueinander ausmalten, war alles in Ordnung. Ein lautes Klingeln erinnerte uns daran, dass wir in unsere Klasse mussten. Zusammen mit Kenshin und diesem anderen Kerl machte ich mich auf den Weg.

Ich rannte durch die Innenstadt auf das große Kino zu. Haruka musste mich mal wieder so lange aufhalten, dass ich zu spät komme! Neben dem Eingang stand auch schon ein Mädchen. Das war sicher Noriko. Ihre hellbraunen Haare fielen ihr elegant über die Schultern und ihre violetten Augen wirkten verträumt. »Entschuldige, dass ich zu spät bin, aber Haruka hat mich aufgehalten.« Sie lächelte mich süß an. »Macht doch nichts... Ich bin nur froh, dass du überhaupt gekommen bist.« Warum ist sie gerade in mich verliebt? Jeder andere würde sich freuen, eine Freundin wie sie zu haben. Ein süßes und zugleich nettes Mädchen. Nur ich nicht! »Wollen wir uns einen Film ansehen?« bot ich ihr an. Sie nickte und so kauften wir uns Karten für eine Liebesschnulze. Was auch sonst? Ich suchte uns in der letzten Reihe zwei Plätze und ließ mich dort nieder. Noriko kaufte das Popkorn. Beladen mit einer großen Tüte über blickte sie den Saal und kam auf mich zu, als sie mich entdeckte. Sie setzte sich neben mich und stellte die Tüte auf ihren Schoß. Langsam nahm sie sich eines der Körner. Das war das Zeichen, dass ich mir auch etwas nehmen konnte. Nach wenigen Minuten begann auch schon der Film und die Lichter verdunkelten sich. Eine traurig wirkende Musikuntermalung und eine Frau alleine am Strand. Ihr Gesicht war nass von den vielen Tränen, die sie vergossen hatte. Sie wurde sicher verlassen, schoss es mir in den Kopf. Eine traurige Szene, aber Mitleid verspürte ich absolut nicht. Auch wenn der Film auf wahren Begebengeiten beruhte, wie es die Macher immer wieder unterlegen mussten. Die nächste Stunde verging nur schleppend. Es war eben der typische Liebesfilm, der von Klischees nur so strotzte. Die liebesbedüftige Frau und der Mann, der ihr zeigt, dass nicht alle Männer notgeile Idioten sind. Doch Noriko schien dieses "Meisterwerk der Klischees", wie ich es gerne nannte, zu gefallen. Ich zuckte zusammen, als ich etwas an meiner Hand bemerkte. Es war Norikos Hand. Ich sah ihr erstaunt in ihr hübsches Gesicht. Ihr Blick klebte jedoch förmlich an der Leinwand. Da kam mir jemand in den Sinn! Kenshin... Wenn er meine Hand auch nur berührte, kribbelte mein ganzer Körper und mein Herz schlug wie wild! Bei Noriko empfand ich jedoch rein gar nichts... Es fühlte sich weder gut noch schlecht an. Ein Bedürfnis baute sich in mir auf. Ich wollte nicht Noriko bei mir haben... Sondern Kenshin! »Was ist los? Du bist so verkrampft.« Noriko sah mich besorgt an. »N-Nichts...« Sie lehnte sich an mich und... küsste mich? Meine Augen weiteten sich. Ich wich ein Stück zurück und trennte unsere Lippen so voneinander. Dieser Kuss hat sich nicht mal annähernd so schön angefühlt, wie der mit Kenshin. Eher lästig und fremd. »Tut... Tut mir leid!« stammelte sie. Noriko versteckte ihr Gesicht vor mir. »Es muss dir nicht leid tun. Ich habe nur gerade etwas... realisiert.« murnelte ich. »Etwas realisiert? Was denn?« Sollte ich ihr das wirklich sagen? Ich weiß nicht... »Versprich mir das du es niemanden sagst!« Überrascht antwortete Noriko: »Natürlich. Wenn du das so willst, Akira-Senpai.« Ich atmete kurz aus. Meine Lippen bewegten sich wie von selbst...

Was willst du von mir?! (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt