Zorn

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An Bethany hatte ich mich gewöhnen können. Vielleicht lag es daran, dass sie Hawkes Schwester war, oder aber einfach an ihrer ruhigen und herzlichen Ausstrahlung. Anders hätte ich am liebsten mit seinem Zauberstab gepfählt und nun sollte noch eine weitere Magierin Teil unserer Gruppe werden. Ausgerechnet eine Blutmagierin. Anders war durchschaubar, aber diese kleine Elfe rief Argwohn und Skepsis ohnegleichen in mir hervor. Wenn ihr Clan sie verstieß, musste das einen Grund haben und dieser schien Hawke nicht einmal zu interessieren. Als ich sie fragte, wieso sie Merrill gestattete sich uns anzuschließen, entgegnete sie nur: „Du hast dich doch auch zu uns gesellt." Ich war mir nicht sicher, wie ich diese Aussage deuten sollte. Merrill bestand darauf unter iden Stadtelfen zu leben und so respektierte Hawke ihren Wunsch und brachte sie ins Gesindeviertel.

„Ist das wirklich der Ort an dem die Elfen leben?", fragte Merrill entmutigt und Varric versuchte sie aufzumuntern.

„Hawke und Bethany leben ganz in der Nähe."

„Ich habe noch nie so viele Leute an einem Ort gesehen und doch ist es so einsam. Ich kenne doch niemanden."

„Du wolltest doch unter deinesgleichen leben!", spottete ich.

„Warum lebst du nicht bei deinem Volk?", fragte mich Merrill.

„Meinem Volk?", wiederholte ich bissig. „Ich soll also hier in der Gosse leben, nur weil ich spitze Ohren habe?", knurrte ich.

„Nein, sondern weil wir die gleiche Geschichte teilen", stammelte Merrill.

„Es ist nicht unsere Geschichte. Es ist einfach nur Geschichte", spuckte ich aus. Merrill schien zusammen zu schrumpfen. „Versuch erst gar nicht uns zu vergleichen", warnte ich sie und wandte mich um. Diese illusorisch herablassende Art der Dalish und ihre Berufung eine Vergangenheit zu bewahren, die auf nichts als Entbehrungen und Enttäuschungen zurückblickte, machte mich geradezu krank. Plötzlich wurde ich gegen eine Hauswand geworfen und Hawke baute sich vor mir auf. Entgeistert starrte ich sie an.

„Fühlst du dich jetzt besser?!", fauchte sie mich an, doch sie ließ mir keine Zeit zum Antworten. „Du hast mich gefragt, warum ich wollte, dass Merrill sich uns anschließt. Sie musste ihre Heimat verlassen und weiß nicht wo sie hin soll, kommt dir das bekannt vor?"

„Sie hatte eine Wahl!", rief ich.

„Ja, aber unter welchen Umständen?! Du verurteilst sie dafür, weil sie vorgegeben hat dich zu kennen, aber was weißt du schon von ihr? Wir sind nicht so frei in unseren Entscheidungen wie wir denken!", giftete sie.

„Du weißt nichts davon, was es bedeutet frei zu sein!", brüllte ich und packte sie am Kragen.

„Und du weißt es?", entgegnete sie mir aufbrausend. Meine Wut drohte überzuschäumen und ich schubste sie von mir fort. Ich spürte das Lyrium in mir brodeln und wie sich die Hitze in meinem Körper ausbreitete. Meine Zeichen hatten begonnen zu glühen. Ich knirschte mit den Zähnen und reckte angriffslustig mein Kinn vor. Hawke schloss die Augen und ihre Augenbrauen hatten begonnen zu zucken. Ich kannte ihre Mimik und Körpersprache inzwischen und machte mich auf einige Handgreiflichkeiten gefasst, jedoch stieß sie nur einen tiefen Seufzer aus, ließ die Arme sinken und wendete den Blick ab. Ihr schien etwas auf der Zunge zu liegen, aber sie schluckte ihren Zorn hinunter und wandte sich ab. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren wandte sie sich von mir ab.

Lily:

So wollte ich nicht sein. Ich wollte nicht dauernd von meiner Wut übermannt werden, wollte mich nicht immer dem Zorn hingeben, der jegliche Vernunft und Empathie ausblendete, fort sperrte und verkümmern ließ. Fenris führte mir vor Augen, wohin diese Raserei führen würde. Ein blanker Hass, der stetig um sich griff und alle anderen Emotionen geißelte. So wollte ich nicht enden. Also beschloss ich den Zorn verrauchen zu lassen. Nicht nur für Bethany, meine Mutter, meine Kameraden und Freunde, sondern auch für mich selbst. Seit Carvers Tod trieb mich dieser Unwille um und ich hatte ihn zugelassen, doch er distanzierte und isolierte mich nicht nur von den Menschen die ich liebte, sondern auch von mir selbst. Ich raufte mir die Haare und atmete stoßweise, schüttelte den Kopf und krallte meine Fingernägel in die Haut bis die Knöchel weiß hervortraten. Ich dachte an Eskel, den ich in diesem Moment so sehr vermisste, dass ich das Gefühl hatte mein Innerstes würde sich nach außen kehren. Ich erlaubte mir diesen Moment der Schwäche, kostete ihn voll aus und erlangte einen Teil meiner Selbst wieder.

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