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Semir nimmt meinen Kopf in seine Hände und die ganze Sache geht so schnell dass ich mich nicht einmal wehren kann. Er nimmt meinen Kopf in seine Hände und ... Küsst mich.
Ich verstehe erst garnicht was passiert aber nach einem kurzen Augenblick schaltet mein Kopf dann doch endlich. Ich löse mich sofort aus seinem Griff, seinen Kuss will ich nicht erwidern, er ist doch wie mein Bruder, er kann und darf mich nicht küssen.
Nicht nach alle dem was passiert ist. Oh zot i madh (oh großer Gott) spinnt er jetzt völlig?! „Leo, ich liebe dich.." kriegt er nur noch aus dem Mund. Ich bin geschockt.. Natürlich liebe ich ihn auch. Aber anders, ganz anders als dieses lieben. Das ist eine Liebe wie man einen Bruder liebt. „Semir, nein. Das geht nicht. Du bist wie mein Bruder, das geht einfach nicht! " Nein nein nein, das will nicht in meinen Kopf gehen, dieser Gedanke dass Semir mehr fühlt als Freundschaft. Ich stehe auf und laufe einfach aus der Wohnung, ich schaue noch kurz hinter mich und sehe wie Semir sehr enttäuscht auf den Boden schaut. Aber genau jetzt in diesem Moment ist es mir egal. Mal im Ernst, ich mache gerade die wohl schwerste Zeit meines Lebens durch, für solche Gefühle hab ich keinen Platz, keine Zeit. Ich muss einfach weg hier. Die ganze Wohnung fühlt sich gerade an wie ein Kasten, in dem mir die Luft weggeschnürt wird. Irgendwie kann ich nicht dasselbe fühlen wie Semir, wir sind wie Bruder und Schwester. Für mich grenzt das schon an Inzest, so übertrieben das auch klingen mag. Ich bin so nervös und laufe einfach durch die Gegend. Nach Hause kann ich in diesem Zustand nicht, ich muss meine Gedanken ordnen. Und außerdem sitzt Semir noch da und ihn will ich gerade beim besten Willen nicht sehen.. Wo kann ich am besten abschalten, ohne dass mich irgendein Mensch stört? Jetzt fällt es mir ein und ich renne einfach los.


Ich komme an... Semirs und meinen Platz, ist in letzter Zeit mein Zufluchtsort, irgendwie ist es so als ob könnte ich dort mit Papa reden, als ob würde Papa mir zuhören und mir Ratschläge geben. Ich setze mich in die Öffnung des Baumes. Es dämmert schon ein wenig, aber das ist mir gerade egal, ich genieße die Stille, die frische Luft und diesen Anblick. Der Himmel sieht so wunderschön aus, am liebsten würde ich hier schlafen, nein noch besser ich würde hier leben. Unbeschwert Tag ein Tag aus.
Wieso hat Semir mir nicht einfach gesagt, dass er mich liebt? Wieso musste er mich dafür küssen, ohne sicher zu sein, ob ich dasselbe fühle? Er hat jetzt meinen ersten Kuss, verdammt! Das ganze habe ich mir um einiges schöner vorgestellt. In der Vergangenheit hab ich oft genug klargestellt, dass er mein Bruder ist. Das einzige was er immer gesagt hat war: Leoo, du bist meine schwester man, das wäre nicht richtig dich zu lieben. Aber wieso gerade jetzt? Hat er schon immer so gefühlt? Ich liebe ihn, aber nicht auf diese Weise wie er es tut. Ich liebe ihn wie einen Bruder. Damit hat er gerade die gesamte Freundschaft zerstört, wie soll ich ihm noch in die Augen schauen? Semir ist so ein guter Junge. Er verdient das Beste auf der Welt, ich würde ihn gerne lieben aber es geht nicht. Es geht einfach nicht. Ich habe noch nie so etwas wie Liebe für einen Jungen gespürt, wirklich noch nie. Wie es sich wohl anfühlt? Ich habe keine Ahnung. Aber eines weiß ich genau: Für Semir kann und werde ich niemals diese Gefühle spüren können.

Es ist inzwischen stockdunkel geworden. Das einzige Licht was mir den Weg weisen kann kommt von den Sternen. Ich empfinde sowas wie Hassliebe für die Nacht. Irgendwie beruhigt mich die Nacht, aber auf der anderen Seite treibt es mir die schlimmsten Vorstellungen in den Kopf. Es ist zwar ruhig, aber ich habe Paranoia, was will hinter dem nächsten Gebüsch auf mich wartet.
Ich schaue nach oben und sehe einen so hellen Stern, dieser Stern zaubert mir irgendwie ein leichtes Lächeln ins Gesicht. Ich weiß nicht ob er nur für mich so hell scheint, aber sagt, wenn eine Person stirbt, wird sie zu einem Stern am Himmelszelt. Dieser Stern wird für einen so hell leuchten und einem immer zeigen: „Ich bin da, ich bin immer bei dir. Ich beschütze dich und Weise dir den Weg."
Te dua babi, po me mungon Ylli jem, flüstere ich. Ich schaue auf mein Handy und sehe 20 verpasste Anrufe von Mama.. Shit, ich sollte mich lieber beeilen, bevor sie krank vor Sorge wird..

Es ist 23:00 und ich bin endlich zu Hause. „Oj qik, a je tranu krejt me nejt jasht a?". Man, ich hasse es meine Mutter voller Panik zu sehen. Sie umarmt mich so fest sie kann und flüstert mir ins Ohr: „Bitte, geh immer an dein Handy, und bleibe nie wieder so lange aus. Bleib bitte bei mir, vor allem jetzt." wahrscheinlich würden andere albanische Eltern jetzt ausrasten und rumschreien, was mir wohl einfällt mich nicht zu melden. Aber meine Eltern waren schon immer anders. Sie haben nie versucht mit harten und aggressiven Worten mich zu erziehen. Immer waren sie ruhig und freundlich. Ich muss meine Tränen jetzt unterdrücken. Was für eine Idiotin ich doch bin.




In Mamas armen fühle ich mich so unglaublich sicher. Wir schauen uns noch einen Film an und ich spüre Mamas Blick auf mir haften. So wie ich meine Mutter kenne, will sie mir irgendwas sagen, aber fürchtet sich vor meiner Reaktion.

Sofort mache ich den Fernseher aus. „Mam, qka ki? A je mir?". Meine Mutter schaut mich an. Sie nickt und lächelt schwach. „Mir geht es gut aber ich mache mir Sorgen um dich. Qika jeme, ich weiß was mit Semir passiert ist und ich weiß auch, dass du noch so sehr an deinem Vater hängst. Es ist noch nicht lange her, aber bitte mein Schatz, du musst langsam anfangen damit abzuschließen. Du musst wieder Leben mein Liebling. Du bist noch jung, dein Leben ist noch lang. Wir sollten Allah dankbar sein, dass wir uns noch haben. Stell dir vor, er hätte mir euch beide genommen. Ein Kind nahm mir Allah schon, aber dich will ich nicht auch noch verlieren. Sei bitte vorsichtig qika jeme bitte, ich liebe dich.." und ihr kamen massenweise die Tränen. Ich will sie trösten aber irgendwas lässt mich wie angewurzelt auf der Couch sitzen. Allah hat ihr schon ein Kind genommen? Was soll das bitte heißen? Mit kommen die Tränen. Was ist mein Leben bitte für ein Elend? Noch bevor ich in Selbstmitleid ertrinken kann, öffnet sich mein Mund. „Mam, du hattest noch ein Kind?". Sie hört auf zu weinen und schaut ins Leere. Eine gefühlte Ewigkeit sagt sie nichts, sonder ist einfach ruhig. „Leonora, ich hatte vor dir einen Sohn." Wie angewurzelt stehe ich da und kann einfach nicht glauben, was ich von meiner Mutter zu hören bekomme, das schockt mich zutiefst.

Shpresa vdes e fundit- Die Hoffnung stirbt zuletztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt