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CYRIUS SICHT:

Marry stand wie angewurzelt da und sah selig zur Decke. In wenigen Sekunden würde dieser Metallbalken auf sie herunterfallen und ihren Kopf zerschmettern. Ihr Körper würde wie ein Taschenmesser zusammenklappen und das Blut würde nur so fließen. Mein Herz zog sich zusammen und mein Atem ging nur mehr in Stößen. Ich reagierte blitzschnell und stürmte auf sie zu.

Eins.

Zwei.

Drei.

Bumm.

MARRYS SICHT:

Nie hatte ich geglaubt, wenn man mir sagte, kurz vor meinem Tod ziehe das Leben an mir vorbei - das ganze Leben. Nun wurde ich eines besseren belehrt. Aber, dass es so schnell ging - echt eine Wahnsinnsleistung. Und so realistische Darstellungen! Ich stieg ein, nahm Teil an diesem kurzen Leben und wurde vom Teilnehmer zum Zuschauer. Es war mein Leben, das da vorbeirauschte und es war mein Satz, mit dem der Tanz das Leben mit dem Tod beendet. "Das war's also."

Wenn es soweit war, hat der Sterbende im Normalfall mit dem Leben abgeschlossen, zumindest mit sich Frieden geschlossen -und ja, ich hatte ein zufriedenes Leben. Aber trotzdem wollte ich meinen Herzschlag spüren - so kräftig wie nie zuvor. Bilder meiner Vergangenheit strömten nur so an mir vorbei. Mein 1. Geburtstag, meine Kindergartenzeit, als ich mehreren Kindern in die Hände biss (man konnte mich damals schon fast als Vampir bezeichnen), der erste und gleichzeitig auch letzte Urlaub mit Mum und Dad und die schönen Stunden, die wir beim Weihnachtskekse backen verbrachten. Am Ende besaßen wir immer weiße Spuren von Mehl am gesamten Körper. Eine Träne, vielleicht die letzte meines Lebens, bahnte sich ihren Weg und verschwand im Boden.

Ich konnte Bilder erkennen, in denen Finn, mein Vater und ich mickrige Versuche im Kampfsport starteten und ich mir in der Folge die Hand brach, als mir der Lehrer befahl, ein steinhartes Brett mit "der Kraft meines inneren Karma" zu zerschlagen. Irgendeine Geburtstagstorte erschien. Meine Verwandten und ich genossen unser Mahl in einem Nobelrestaurant und alle lobten es noch mehrere Monate. Ich wusste genau, wann das war. Dieser Anlass stellte die Wende unseres Lebens dar. An dem Tag schnitt ich mir in den Finger und grellrotes Blut schoss hervor. Das Messer ging danach in Flammen auf. Mum schob es auf den Kerzenleuchter und starrte mich mit riesigen Augen an. Alles änderte sich. Ihre Verrücktheit begann. Dieser Zeitpunkt hatte sich in meine Festplatte eingebrannt. Ich würde ihn nie vergessen.

Danach erschienen noch einige Aktionen von Mum, als sie einem Kind das Eis aus der Hand stieß, einem Mann Hundekot ins Gesicht schmierte und einem Homosexuellen den Weg zum nächstbesten Triump beschrieb. Doch ich passte nicht mehr auf - bis er erschien.

Cyrius.

Alles stand still.

Als mein Leben an mir vorbeisprudelte, erschien eine Welt voller Weiß. Es erwarteten mich Tauben, Bäume mit Blüten und ein toller Garten. Ein Schloss türmte sich auf und ließ mich aus meiner Trance hochfahren.

Plötzlich erschien eine Frau vor mir. So stellte ich mir einen Engel vor. Ein leicht fallendes Kleid passte sich der Gestalt an und feine Flügel zierten sie.

"Liebe Marry. Normalerweise wärest du jetzt tod, du hattest ein Blutgerinnsel im Hirn. Doch du bist für etwas Höheres bestimmt. Es ist noch nicht Zeit für dich, zu gehen. Verschwinde jetzt und rette die Welt. Marry, du bist die einzige Hoffnung für uns Engel. Die Welt braucht dich. Glaub immer an dich, so wie wir es immer tun werden. Geh jetzt. Jemand wartet auf dich." Ihre Stimme glich einem Flüstern, sie kam näher und legte mir ihre Hand behutsam auf die Stirn. Sie flüsterte irgendetwas und sah mich mit ihren goldenen Augen an. Ihre blonden Haare tanzten im Wind und ich fühlte nur Bewunderung für dieses zarte Wesen.

Fire and Ice - UntouchableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt