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Der Mann lief bis zu einer Wand, auf die ein riesiger roter Teufelskopf gemalt war, der böse grinste. Er blieb stehen und betrachtete das Bild. Dann nickte er bedächtig, als hätte er etwas ungeheuer Wichtiges verstanden. "Hm", machte er und klang zufrieden. "Leicht erzogen." Mit diesen rätselhaften Worten schritt er über den Platz, auf Johnny's Zelt zu.

"Johnny Blaze", tönte die dunkle, tiefe Stimme durchs Zelt. Obwohl der Mann leise sprach, war er gut zu verstehen. Johnny schaute auf. "Ja?" Der Mann hatte grau meliertes Haar, und obwohl er einen Stock hatte, ging er keineswegs gebückt, sondern stand sehr aufrecht da. Johnny schätzte, dass er ungefähr das Alter seines Vaters haben musste-60 Jahre, vielleicht auch älter-aber sein Gesicht war beinahe makellos und besaß keine von den Lach- oder Sorgenfalten, die das Gesicht seines Vaters aufwies. Das Alter schien ihn noch nicht eingeholt zu haben. Seine Augen waren in der Dunkelheit nicht zu erkennen. "Ich war heute in der Show. Ich wollte dir nur sagen, wie sehr ich es genossen habe dich fahren zu sehn." "Ou. Danke." Johnny arbeitete weiter. Er hielt den Mann für einen weiteren Fan, wie sie jeden Tag kamen um ihm zu gratulieren. Wie großartig die Show gewesen wäre, was für ein toller Fahrer er sei... Das und ähnliches hatte er schon so oft gehört, dass er es eigentlich kaum noch beachtete. Anfangs war es großartig gewesen, wenn er bewundert und umschwärmt wurde. Doch mit der Zeit verlor es seinen Reiz, seine Besonderheit, und wurde langweilig; teils auch nervig, weil sich manche erst nach langer Zeit abwimmeln ließen. Johnny schien die Menschen anzuziehen wie das Licht die Motte.

Doch dieser Mann war KEIN gewöhnlicher Fan. Für Johnny wäre es möglicherweise sogar besser gewesen, wenn er es gewesen wäre. "Vielleicht fährst du ja mal für mich, eines Tages." Es klang wie ein Vorschlag, nicht wie eine Vermutung. "Sie haben ne Show?", wollte Johnny wissen. Dabei klang er eher desinteressiert. Er hatte gerade keine große Lust, über seine eigene Karriere nachzudenken, nicht jetzt, wo er gerade erfahren hatte, dass sein Vater... "Die größte Show der Welt", sagte der Mann, der immer noch im Eingang stand, und unterbrach damit Johnny's Gedankengang. Hinter ihm zuckte ein Blitz am nachtschwarzen Himmel auf. Johnny sah ihn zweifelnd an; dieser Mann sah nicht nach jemandem aus, der im Showbiz arbeitete. "Danke, kein Interesse", sagte er zur Sicherheit und hoffte, den Mann damit loswerden zu können. Doch der blieb, wo er war. Er lächelte leicht und machte ein Geräusch, das sich anhörte wie das Schnurren eines Löwen. Dann trat er ungefragt ein. Johnny sah ihn ungehalten an. "Was ist los, Johnny? Sorgst du dich um deinen Vater?" Der Mann schritt um die Motorräder herum, an denen Johnny arbeitete, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, wie ein Raubtier, dass seine Beute umkreist. Jetzt wurde Johnny hellhörig. Woher wusste der Mann... "Woher wissen SIE das denn?", fragte Johnny ihn. Er hatte den Mann nie zuvor gesehen. Wie also sollte er seine Probleme und die seines Vaters kennen, wenn Johnny selbst es erst vor wenigen Minuten erfahren hatte? "Sogar ein Blinder würde sehen, dass er krank ist", erwiderte der Mann bestimmt. "Das Dumme an Krebs ist der langwierige Verlauf. Eine Qual für Freunde und Verwandte. Das ganze Leben ändert sich. Man muss all seine Pläne ändern." In diesem Moment krachte ein Donnerschlag draußen vor dem Zelt. Ein Blitz leuchtete auf und der Schatten des Mannes war auf der Zeltwand zu erkennen. Ein Schatten, der so garnicht zu seinem Besitzer passte. Groß, hager und gekrümmt, mit einem Buckel und einem langen, dürren Hals, die Nägel lange Krallen und auf dem Kopf etwas, das eindeutig an Hörner erinnerte. Johnny bemerkte es nicht. Zu gefesselt war er von dem, was der Mann ihm zu sagen hatte. "Johnny", sagte der Mann fast verführerisch, "wenn ich deinem Dad nun helfen könnte." "Wie denn? Ha?", fragte Johnny ungläubig. Wie sollte dieser Mann seinem Vater helfen? Ein Arzt war er jedenfalls nicht, soviel stand fest-und wer sonst sollte das Schicksal seines Vaters ändern? "Das WIE ist nicht so wichtig." Der Mann schritt weiter im Raum umher. "Was wenn ich ihn... von seiner Krankheit befreien könnte? Und er wieder völlig gesund wäre? Wärst du bereit dafür einen Deal einzugehen?" In diesem Moment krachte ein erneuter Donnerschlag, und Johnny glaubte, dass das ein schlechter Scherz sein musste. Wie sollte ausgerechnet er seinen Vater retten können, indem er einen Handel einging mit einem Mann, den er erst seit einigen Minuten kannte und von dem er rein Garnichts wusste? Und doch... es war das einzige, was er für seinen Vater tun konnte. Doch was konnte dieser Mann schon tun, und vor allem... "Was wird das kosten?", fragte er. "Oh", sagte der Mann, und seine Stimme klang plötzlich, als spräche nicht mehr einer, sondern 2 Personen. Der Mann schaute zur Seite; doch als Johnny sich umschaute, war da niemand. "Es kostet dich... deine Seele." Diesmal war das Schnurren in seiner Stimme nur allzu deutlich. Johnny glaubte, sich verhört zu haben. Er lachte und drehte sich um. "Okay...", sagte er. Jetzt konnte das Ganze wirklich nicht mehr absurder werden. Der Mann bot ihm gerade an, die Gesundheit seines Vaters gegen seine Seele einzutauschen-was definitiv bedeutete, dass er verrückt sein musste. Denn Johnny kannte nur einen, von dem es in unzähligen Geschichten hieß, dass er um die Seelen von Menschen handelte, und es wäre völlig abwegig zu glauben, dass dieser Mann... Nein, das konnte überhaupt nicht sein. "Morgen, bei Sonnenaufgang", fuhr der Mann fort, ohne Johnny's offensichtliche Ungläubigkeit zu beachten, "wird dein Vater sich fühlen, als könne er Bäume ausreißen. Und du... wirst dein ganzes Leben noch vor dir haben. Du kannst entscheiden, Johnny." Wieder klang seine Stimme, als käme sie aus 2 Mündern. "Alles, was du tun musst, ist-" Er nahm eine Art Schriftrolle aus seiner Tasche, "unterzeichnen." Johnny sah den Mann an, als hätte der jetzt völlig den Verstand verloren. Er stand auf, nahm die Schriftrolle und atmete. Was hatte er zu verlieren? Sollte es irgendeine Möglichkeit geben, seinen Vater zu retten, dann war ihm jedes Mittel recht. Sicher, das hier war das Seltsamste, was ihm je passiert war, jedoch wirkte der Mann nicht, als wolle er ihm einen Bären aufbinden. Johnny wickelte die Schriftrolle auf. Es war ein Vertrag, und das Stück Holz, um das das Pergament gewickelt war, war sehr scharfkantig, sodass sich Johnny daran aufschnitt. Er zuckte zusammen, als er den Schmerz an seiner Hand spürte. Ein Blutstropfen fiel an die Stelle auf dem Vertrag, wo normalerweise unterschrieben wurde. Der Mann lächelte zufrieden. "Oh, das - das reicht schon völlig aus." Er nahm den Vertrag wieder an sich. Seine Augen leuchteten in einem seltsamen Goldbraun-Ton auf-das war das letzte, was Johnny von ihm zu sehen bekam, bevor er aus dem Schlaf schreckte.


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