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Man sagt, es sind die Legenden, die den Westen geprägt haben. Geschichten, die uns helfen Dinge zu erklären, die unbegreiflich oder zu furchterregend sind um sie zu glauben. Dies ist die Legende vom Ghost Rider. Es heißt, in jeder Generation gibt es einen. Eine verfluchte Seele, die dazu verdammt ist, überall auf der Welt die Verträge des Teufels einzufordern. Einst wurde ein Ghost Rider wegen eines Vertrages in das Dorf San Venganza geschickt. In ihm standen die Namen von 1000 bösen Seelen. Seelen von Menschen, die Dinge getan hatten, die ein Unschuldiger sich nicht einmal in seinen schlimmsten Albträumen auszumalen wagt. Diesen Vertrag begehrte der Teufel wie keinen anderen, den es jemals gegeben hatte. Doch die Macht des Vertrages war so stark, dass der Rider wusste: er durfte dem Teufel nie in die Hände fallen. Also tat er, was noch kein Rider vor ihm getan hatte. Er widersetzte sich dem Teufel. Er jagte auf seinem Reittier in die Nacht hinaus, so schnell er konnte, weit fort, so weit, dass des Teufels gierige Finger ihn nicht mehr erreichen konnten.  Den Vertrag nahm er auf ewig mit sich.

Mit Legenden ist das so eine Sache:  Manchmal sind sie wahr.


Überall auf dem Jahrmarkt wimmelte es von Menschen, die sich um die bunten Stände und Buden drängten, tranken, aßen und sich bei den gebotenen Attraktionen erfreuten. Es roch nach warmem Popcorn und überall erscholl fröhliche Musik. Eine Lautsprecherdurchsage verkündete: "Ladys and Gentlemen, erleben sie die unglaublichste, fantastischste Motorradstuntshow die es gibt!" In einem großen,  gestreiften Zelt, das ein wenig aussah wie das eines Zirkus, wurde in diesem Moment in der Manege ein großer Metallring in Brand gesetzt. Die Menschen jubelten und die Motoren heulten auf, als die beiden Stuntfahrer den ersten Gang einlegten und Vollgas gaben. Mit ihren Motorrädern sprangen sie gleichzeitig über 2 Sprungrampen aneinander vorbei durch den brennenden Reifen, je ein Fahrer aus jeder Richtung. Roxanne Simpson, die junge Frau, die sich während des Stunts die Hände vor die Augen gehalten hatte, atmete erleichtert auf, als sie den Applaus der Menge vernahm und somit wusste, dass alles unfallfrei verlaufen war. Wie alle anderen applaudierte sie lächelnd dem Mann, der sein Motorrad gewendet hatte, nun seine große schwarze Motorradbrille absetzte und den Arm zum Zeichen des Sieges in die Luft reckte. Roxanne erwiderte den Gruß und der Fahrer lächelte. "Einen tosenden Applaus bitte für Barton und Johnny Blaze!", rief der Moderator durch den Lautsprecher, und die Zuschauer tobten auf ihren Bänken. Barton, der ältere Fahrer im weißen Overall mit roten Streifen und dem gelbem Emblem auf dem Rücken, warf Johnny, dem jüngeren Fahrer, der ebenso gekleidet war, einen Blick zu, woraufhin dieser durch die Manege raste und sich dabei so nach hinten lehnte, dass das Vorderrad seines Motorrads vom Boden abhob und er nur noch auf dem Hinterrad fuhr. Während seines Stunts  schaute Johnny zu Roxanne und achtete nicht mehr auf seinen Weg. "Na los, lasst was hören, Leute", rief der Moderator in dem Moment, als Johnny über eine Erhebung auf dem Manegenboden fuhr. Er verlor fast das Gleichgewicht und musste das Vorderrad wieder auf den Boden bringen, damit er nicht stürzte. Roxanne musste lachen. Etwas verlegen hielt Johnny auf der anderen Seite neben seinem Vater Barton an, der ihn vorwurfsvoll ansah. Er schüttelte den Kopf über so viel Unvorsichtigkeit seitens Johnny, bevor er selbst zum Ausgang brauste. Johnny seufzte und folgte ihm.

"Du bist n Draufgänger, mein Sohn"; bemerkte Barton, als sie ihre Motorräder nebeneinander her über den Rasen des Festplatzes schoben. Im seinem Mundwinkel hing eine Zigarette. "Jung, rotzfrech und denkst du weißt schon alles. Hältst dich für unsterblich, ha? Stimmts oder hab ich Recht?" Sie schoben ihre Motorräder an einem Kinderkarussell vorbei. "Dad, da lag n Klumpen Dreck auf dem Weg", versuchte sich Johnny zu verteidigen. "Darum geht's nicht", herrschte sein Vater ihn an, nahm die Zigarette aus dem Mund und hustete. "Sondern darum, dass wir die Nummer erst seit einer Woche zeigen. Und du fängst schon an Mätzchen zu machen." "Das war doch nur für die Zuschauer", erklärte Johnny. Barton sah ihn ernst an. "Wir wissen beide, warum dus gemacht hast." Barton blieb stehen. "Glaubst du, wenn du im Rollstuhl sitzt wäre sie noch da? " Johnny sah unbehaglich zur Seite. "Ha? Du Draufgänger!" Barton lief weiter und ließ Johnny stehen. Nach einer Weile folgte er ihm.

"Junge, alles was du im Leben tust, jede Entscheidung, die du triffst hat Konsequenzen", erklärte Barton später, als sie nebeneinander in ihrem Zelt lagen. Sie hatten ihre Stunt-Overalls gegen normale Freizeitkleidung ausgetauscht, und Barton schraubte, jetzt in einem blauen Arbeitsanzug, an seinem Motorrad herum. "Wenn du etwas tust, ohne nachzudenken. Dann entscheidest nicht mehr du, sondern andere für dich. Hast du gehört?" "Ja, sicher", erwiderte Johnny abweisend. Sein Vater drehte sich zu ihm. "Was?"  "Ich sagte ja, Sir." Johnny drehte sich zu seinem Motorrad und nahm nun ebenfalls den Schraubenschlüssel zur Hand.  Barton verdrehte die Augen. Als er sich zu seinem Motorrad wandte, wurde er von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt, so heftig, dass er sich aufrichten musste. Besorgt sah Johnny zu ihm auf. Sein Vater nahm sich eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an.  Dann legte er das Feuerzeug zurück auf den kleinen Beistelltisch, auf dem auch die Schachtel lag. Johnny stand auf, nahm die Zigarettenschachtel und warf sie in den Mülleimer, der in einer Ecke des Zeltes stand. Dann kam er zurück und betrachtete sein Motorrad. Der Tank war schwarz lackiert, und gelbe Flammen waren darauf gepinselt. Die verchromten Teile glänzten. "Hey, Dad", wandte er sich an seinen Vater. "Sag mal, lässt du mich Grace auch irgendwann mal fahren?" Grace war das Motorrad seines Vaters; es war sehr groß und etwas schwierig zu fahren. "Glaubst du, du bist manns genug für Grace?", nuschelte Barton, die Zigarette zwischen den Lippen. "Ja, na klar!", meinte Johnny. Sein Vater zog noch einmal an der Zigarette. Dann nahm er sie aus dem Mund. "Tja, ich nicht", teilte er Johnny mit und wandte sich wieder seinem Motorrad zu. Johnny betrachtete ihn. Wenn er seine Meinung sagte, war Barton nie besonders rücksichtsvoll gewesen. "Hey Johnny!", erklang in diesem Moment eine Stimme vom Zelteingang. Es war Roxanne. Sie lächelte. Johnny wandte den Kopf zu ihr. "Hey, Roxy!", begrüßte er sie. Sein Vater sah von seiner Arbeit auf. Er sah zu seinem Sohn, stieß einen tiefen Seufzer aus und meinte: "Na geh schon!"


Ghost Rider 1 - Buch zum FilmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt