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Johnny hörte das Quietschen der Reifen und das erschrockene Aufheulen der Menge über den ganzen Festplatz. Er hatte Grace neben sich hergeschoben; jetzt blieb er stehen und drehte seinen Kopf ungläubig zum Showzelt, aus dessen Richtung der Lärm kam. Sofort wusste er, dass etwas Furchtbares passiert sein musste. Mitten auf dem Festplatz ließ er das Motorrad stehen und rannte zum Zelt.


Die Zuschauer waren von ihren Plätzen aufgesprungen. Erschreckte Rufe waren zu hören, und die Menschen drängten nach vorne an die Bande der Manege, um besser sehen zu können. In diesem Moment kam Johnny durch den Zelteingang geeilt. Er erstarrte und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Das Bild, das sich ihm bot, war erschreckend: Ein Mann im dunkelgrünen Overall löschte die letzten Reste des brennenden Ringes, während ein anderer mehrere Sanitäter herbeiwinkte. Mitten auf der Rampe lag Barton. Ein dritter Mann kniete neben ihm und betastete seine Stirn. Johnny rannte zu seinem Vater und sank vor ihm auf die Knie. "Dad?", fragte er panisch. Das durfte nicht sein, Barton durfte nicht... Er würde wieder gesund werden, und alles würde werden wie früher. Johnny würde nicht fortgehen und mit seinem Vater die Show weiterführen . Doch als er Bartons rußgeschwärztes Gesicht sah und hörte, wie flach der Atem seines Vaters ging, erkannte er, dass die Chancen dafür, dass alles werden würde wie früher, schlecht standen. "Dad, ich bin hier!" Barton öffnete die Augen, aber nur einen Spalt breit, und blinzelte schwach. "Dad, ich bin hier, es wird alles wieder gut. Dad?" Voller Panik sah Johnny, wie die Brust seines Vaters sich ein letztes Mal hob; dann schloss er die Augen, sein Kopf kippte zur Seite und er regte sich nicht mehr. Barton war tot.

"Dad? Dad!" Johnny legte eine Hand an die Wange seines leblosen Vaters, dann senkte er den Kopf und begann, hemmungslos zu schluchzen. Er konnte es nicht glauben. Sein Vater, sein starker, unabhängiger Vater...und er hatte sich nicht einmal mehr für den Streit entschuldigen können. Oder sich dafür bedanken, dass Barton ihm Grace gegeben hatte.

Ein Lachen ließ ihn aufschauen. Niemand anders schien es gehört zu haben, obwohl es doch durch das ganze Zelt zu tönen schien. Es war tief und dunkel und schien direkt aus den Abgründen der Hölle zu kommen. Es kam aus der Richtung eines Mannes, der im Zelteingang stand. Es war der Mann, mit dem Johnny am Abend zuvor gesprochen hatte. Doch das Gesicht des Mannes bewegte sich nicht, während er das Geschehen gelassen betrachtete. Das Lachen schien eher aus ihm selbst zu kommen. So langsam überkam Johnny eine leise Ahnung, wer dieser Mann sein könnte, auch wenn er es zuvor nicht hatte glauben können. Doch noch während Johnny ihn anschaute, schien der Mann sich vor seinen Augen aufzulösen, als wäre er ein Geist oder ein Phantom. Seine Gestalt wurde immer blasser und durchsichtiger, bis er schließlich vollständig aus dem Zelteingang verschwunden war.


Johnny fuhr mit Grace auf einem einsamen Highway entlang. Kein anderes Fahrzeug kam ihm entgegen. Die Zeit schien stillzustehen, als wolle sie selbst ihr Entsetzen über Bartons plötzlichen Tod ausdrücken. Auf einmal verschwamm die Straße vor Johnnys Augen und für einen Sekundenbruchteil sah er stattdessen vor sich ein Gesicht; eine grässliche rote Fratze mit spitzen Zähnen und grausamen, grünen Augen. Das Gesicht verschwand und ein anderes tauchte auf: das Gesicht des Mannes mit dem Vertrag... Dann ging alles sehr schnell: Grace rutschte unter Johnny weg, und im Versuch, sie wieder aufzurichten wurde Johnny über den Lenker hinweg aus dem Sitz geschleudert. Johnny prallte hart auf den Asphalt; er überschlug sich ein-, zwei- und noch ein drittes Mal. Regungslos blieb er liegen.

Die Flügel eines alten Windrades drehten sich langsam und knarrend, stoppten, als der Wind die Richtung änderte und drehten sich dann wieder in die andere Richtung. Grace lag auf der Seite, ihr Vorderreifen ragte in die Luft und rotierte noch immer. Johnny lag ohnmächtig geworden etwa zwei Meter von ihr entfernt. Da wurde neben ihm ein Gehstock in den Boden gerammt, so heftig, dass es eine kleine Erschütterung verursachte. "Tot nützt du mir nichts", sagte eine Stimme missbilligend. Johnny hob langsam den Kopf und sah denjenigen an, der vor ihm stand. Es war jemand, dessen Gesicht er inzwischen fast zu gut kannte. Johnny stützte sich auf seine Hände und stand langsam vom Boden auf. Er hätte sich eigentlich bei dem Sturz alle Knochen brechen müssen, nein, eigentlich hätte er sogar tot sein müssen. Doch das würde der Mann nicht zulassen. Nicht, solange Johnny nicht seine Aufgabe erfüllt hatte. Er brauchte ihn noch... und dieser Mann würde alles tun, um seine Ziele zu erreichen. Um das zu bekommen, was er wollte. Ob es nun eine Dienstleistung war oder aber... eine Seele.




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