Kapitel 5

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Ich holte mir natürlich keinen Schnaps. Ein heisser Kakao tat es auch und so erklomm ich eine halbe Stunde später erneut die Treppe in den ersten Stock. Ich setzte mich an die Hausaufgaben, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Das hatte zwei Gründe. Erstens existierte Instagram, und zweitens war da auch noch Chaya. Oh Mann, ich hatte echt nicht erwartet mit ihr je wieder ein sterbens Wörtchen zu wechseln. In der Schule nickten wir uns zur Begrüssung zu und wenn Emma und Lilly mal wieder meinten sie müssten Witze über mich, den Streber, machen, dann lachte Chaya herzlich mit. Das eben warf mich vollkommen aus der Bahn. Wie sie da lag, in der goldenen Sonne, die Augen geniessend geschlossen. Sie war wunderschön. Und sie redete mit mir. Wie oft ich mir das gewünscht hatte. Ihre Stimme war sanft und klang so rein, dass ich sie einfach nicht vergessen konnte. Immer wieder hallte sie in meinen Ohren nach; "Wir sollten mal was zusammen machen."

.....

Eine Tür knallte und lautes Lachen ertönte. "Neiiin, wir können sie nicht einfach so da liegen lassen." Ich hob den Kopf, der sich im Moment so schwer wie eine Bowlingkugel anfühlte, mindestens. Matt flüsterte, leider ohne Erfolg, da ich jedes einzelne Wort verstand. "Komm schon Baby, sie packt das schon. Und ich packe gleich dich." Ein dreckiges Lachen ertönte, die Treppe knarzte und Matts Zimmertür wurde hektisch zugeschlagen. Sein Ernst?

Ich warf die Bettdecke zur Seite und stand auf. Die Stimmen waren verstummt und ich hörte kaum noch etwas. Trotzdem nahm ich all meinen Mut zusammen und trat in den Flur, jedoch nicht ohne das Licht anzuknipsen. Sofort fühlte ich mich besser. Ich atmete einmal tief durch und ging dann die Treppe hinunter. Die Haustür stand sperrangelweit offen und ein kalter Luftzug kam mir entgegen und stürzte sich auf mich. Gänsehautlevel = von 0 auf 100. Auch hier legte ich den Lichtschalter um und wagte einen Schritt nach draussen auf die Fussmatte, die jeden Besucher mit einem freundlichen "Come in" begrüsste. Es war eisig. Der Mond schien verdammt hell und war die einzige Lichtquelle weit und breit. Ein Stöhnen ertönte und zuerst dachte ich, dass es von drinnen, besser gesagt Matts Zimmer, stammte, doch nachdem ich mich einmal genau umsah, erblickte ich jemanden auf dem Boden liegen. Chaya.

"Oh mein Gott." Schnell lief ich zu ihr und drehte ihr Gesicht zu mir. Ihre Augen waren geschlossen, doch ihr Mund leicht geöffnet, sodass mir eine Welle Alkohol entgegen kam. Na ganz toll. Aber war ja klar, wenn sie nur mit Absturzkindern wie Emma rumhing. Ich stutzte, weil ich soeben meinen Bruder miteinbezogen hatte. Ach scheiss drauf. Ich griff ihr unter die Achseln und stellte sie langsam auf ihre Füsse. Sie und ihr schlaffer Körper machten es mir nicht allzu leicht, wortwörtlich. Ich musste sie praktisch ins Haus schleppen und lagerte sie dann erstmal auf dem Sofa ab. Ich stemmte die Hände in die Hüften und überlegte. Was sollte ich jetzt mit ihr machen? Verdammte scheisse, Chaya, was stellst du nur immer an! Ich seufzte und kam zu dem Schluss, dass sie ja wohl nicht auf dem Sofa schlafen konnte. Also rannte ich in mein Zimmer, vorbei an Matts Zimmertür hinter der es den Geräuschen zu folge ziemlich zur Sache ging. Schnell hatte ich eine weitere Decke und ein paar zusätzliche Kissen organisiert. Nachdem ich die Treppe wieder hinunter gesprintet war, erlitt ich beinahe einen Herzinfarkt. Chaya war weg. Ich machte mir typischerweise sofort Vorwürfe, wie hatte ich sie nur alleine lassen können. Doch natürlich dachte ich zu früh daran und zwar bevor ich mich richtig umgesehen hatte. Chaya war vom Sofa geplumpst und lag nun auf dem Teppich. Ich musste Schmunzeln und machte mich bereit sie in mein Zimmer zu zerren.

Und da lag sie, zugedeckt und in meinen Berg aus Kissen gekuschelt. Auch in diesem völlig betrunkenem Zustand sah sie unbeschreiblich süss aus. Ich starrte sie an, mindestens eine halbe Stunde lang. Dann erst realisierte ich, was ich gerade tat und schüttelte den Kopf. Das konnte ja wirklich nicht sein. Ich tigerte im Zimmer auf und ab, zu nervös um endlich unter dir Bettdecke zu kriechen. Ich könnte sie ausversehen berühren. Oh menno. Warum dachte ich so viel nach? Schlussendlich konnte ich mich dann doch überwinden und legte mich neben sie. Weitere zehn Minuten lag ich nur da, bewegte mich kein Stück, da ich Angst davor hatte sie aufzuwecken. Dann, langsam, entspannte sich mein Körper und ich konnte mich ebenfalls richtig ins Bett kuscheln. Ich spürte die Müdigkeit, die meine Beine hinaufkroch und irgendwann auch mein Hirn erreichte. Kurz bevor ich einschlief vernahm ich eine Bewegung zu meiner linken. Chaya drehte sich ein wenig und kam mir immer näher. Sie lehnte ihren Kopf auf meine Schulter und atmete kurz ein. Dann lallte sie, immernoch völlig benommen von der Wirkung des Alkohols, in den Raum: "Danke Sky."

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