Balettschule♡

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Die National Balettschule hatte immer einen beruhigenden und vertrauten Eindruck auf mich gehabt.. 5 Jahre hatte ich hier gewohnt, trainiert und gelernt. Alle meine Freunde an der Schule hatte ich hier kennen gelernt. Die akademische Ausbildung stand an zweiter Stelle hinter dem Training und bestand zum großen Teil aus Kursen wie Physiologie und Geometrie. Außerdem zog ich aus dem idyllischen Manhattan mitten ins Herz von New York.
Trotzdem hatte ich Angst, Manhattan zu verlassen.
Auch wenn ich dann mein Zimmer nicht mehr mit 6, sondern nur noch mit vier Mitschülerinnen teilen musste. Die Aufnahmeprüfungen waren hart gewesen und nicht alle hatten es geschafft. Einige meiner besten Freunde hatten zum Ende des Frühlingssemesters die Schule verlassen müssen.
Mittlerweile befand ich mich am Ende der Balettausbildung.
Was soll ich machen wenn ich dieses Jahr beendet habe?
Veränderung ist seltsam.
An meinem ersten Tag an der National Balett Schule wollte ich gar nicht aus dem Auto meiner Eltern aussteigen. Ich hatte solche Angst gehabt und wer hätte es mir auch verübeln können? Ich war zwölf,klein, dünn und hilflos. Ich war vorher nie auf einem Internat gewesen und auch nie länger getrennt von meinen Eltern als eine Woche. Ich hatte mindestens drei Stunden am Stück geweint, als sie mich in mein Zimmer gebracht hatten, was ich zu meinem Schreck mit vier weiteren Mädchen teilen musste, und mich allein ließen. Ich hatte das schreckliche Heimweh zwar schnell überwunden, weil ich die Schule so liebte, aber ab und zu überrollte mich die Sehnsucht nach dem Landleben. Meine Eltern, meine Geschwister, mein Zimmer, das Meer..
Meine nackten Füße laufen den Sand entlang.
Ach wie mir das fehlt.
Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich wieder auf die Gegenwart. Ich stand im Trainingsraum an der Stange und machte ein paar Aufwärmübungen. Mein Blick flog kurz zum Spiegel. Meine rosa Strumpfhose und die Stulpen hatten Löcher. Obwohl sie so kaputt waren und ich mich im Unterricht niemals damit blicken lassen dürfte, zog ich sie gerne zum Üben an.
Eigentlich war es verboten, kaputte Strumpfhosen oder Trikots anzuziehen - die kleinen Siebtklässler sahen mich jedes Mal ganz erschrocken an, wenn sie mich damit sahen - aber keinen interessierte das, wenn ich alleine unterwegs war. Ich durfte mich nur nicht erwischen lassen. Und ich wurde nie erwischt. Als ich die breiten Schultern im Spiegel sah, wandte ich schnell den Blick wieder ab. Ich nahm meine Jacke, die ich über die Stange gehangen hatte, und wickelte sie um mich. Dann nahm ich einen Schluck aus meiner Wasserflasche - die im Studio eigentlich verboten war - und legte mich flach auf den Boden. Ich drehte meinen Kopf langsam zur Seite und sah aus dem Fenster. Es dämmerte schon. Sperrstunde für den elften Jahrgang war erst um 22:30. Aber irgendetwas hielt mich vom Üben ab. Die Spitzenschuhe lagen noch ungerührt neben mir. Es war zwar erst neun, aber wenn ich nicht bald anfing, lohnte es sich gar nicht mehr, überhaupt zu üben.

„Klopf, klopf." Ich stand auf und sah zur Tür. Violetta streckte ihren Kopf hinein und lächelte.
„Komm rein", sagte ich und legte mein Bein auf die Ballettstange, um zumindest den Anschein zu erwecken, ein wenig zu üben.
„ Was machst du denn so spät noch hier? Die Prüfungen sind vorbei."
Ich lachte.
Ich warf meiner Freundin einen Blick zu. Violetta musste nicht trainieren. Ihr lag die Ballerina im Blut. Ihre Mutter tanzte in einer Ballettkompanie in Amerika und war sehr berühmt.
„Ich übe", sagte ich und lehnte mich auf mein Bein. Violetta stellte sich neben mich an die Stange .
,, Zu viel trainieren ist nicht so gut Süße. "
Ich verdrehte die Augen.
,, Leon macht sich auch schon Sorgen."
,, Was Leon sagt, ist mir so scheiß egal.Er ist nur mein Tanzpartner."
,, Aber Ludmila.Es gibt wichtigeres im Leben als nur zu trainieren. "
,,Was denn", rief ich zornig.
„Dein Tanzpartner ist wie dein Seelenverwandter. Das ist Schicksal", hallten ihre Worte in meinem Kopf. Leon war definitiv nicht mein Seelenverwandter. Er war mein Tanzpartner, also eine Person, mit der ich klar kommen musste, ob ich nun wollte oder nicht. Und wenn wir mehr Zeit als nötig miteinander verbrachten, gab das immer nur Streit. Wir waren diszipliniert genug, um im Unterricht professionell zu sein . Ich schlüpfte aus meinen Ballettschuhen und zog die Spitzenschuhe an. Ich band mir die Seidenbänder um den Knöchel und knotete sie richtig.
„Du bist doch verrückt!" Violetta schüttelte den Kopf.
Wenn du dich weiter über mich lustig machen willst, kannst du gerne gehen", sagte ich
,, Schön ", rief sie.
Ich ging die Choreografie durch und dachte daran, wie es wohl wäre, alleine auf der Bühne zu stehen. Ich nahm Anlauf und sprang. Ich fiel hin.
Das ist doch zum Heulen.
Ich nahm meine Tasche und lief zur Cafeteria.
Die Cafeteria lag auf dem Weg zu den Wohnhäusern. Es war dunkel draußen und eine frische Brise war aufgekommen. Ich schlang meine Jacke enger um mich.
Plötzlich lief Leon mit einem Jungen in meine Richtung.
„Na Ludmila."
,, Was willst du ", rief ich kalt.
Der Junge neben Leon schaute mich komisch an.
,,Ich sollte euch besser vorstellen. Das ist Federico mein neuer Zimmergenosse."
,, Interessiert mich nicht", knurrte ich.
,, Fede das ist meine Tanzpartnerin Ludmila."
,, Hallo ", rief er mit einem Akzent.
,, Schön ich muss los ciao."
Ich machte mich auf dem Weg in mein Zimmer. Ich stellte meine Tasche auf dem Boden ab.
Zurzeit wohnten wir nur noch zu viert. Zwei Betten waren vorübergehend leer. Wir waren alle Elftklässler .
Cami und Nati lagen auf ihren Betten. Vilu las ein Gymnastikbuch.Fran hörte Musik.
,, Leute macht Bitte das Licht aus. Ich bin müde. "
,, Ouh will Ludmila schon schlafen."
Cami fing an zu lachen .
,, Halt die Fresse.Ich bin gerade Leon und seinen ach so tollen neuen Kumpel begegnet."
,, Wie ist er so?"
,,Es gibt nur Vollidioten hier."
Und schon wurde das Licht gelöscht und wir schliefen ein.

Dancing with you-FedemilaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt