Ludmilas POV:
Leon liebt mich also wirklich.
Was soll ich jetzt nur antworten?
Ich stieg auf mein Fahrrad und fuhr zurück zum Internat.
Langsam trottete ich in den Gemeinschaftsraum.
Niemand war dort.
Ich ging die Treppen hoch durch die Flure in mein Zimmer.
Langsam ließ ich das Wasser in die Dusche ein.
Ich nahm mir ein paar neue Klamotten, Handtücher und Duschutensilien Meine kalte Haut wärmte sich langsam auf und ich fühlte mich wieder wohl.
Nach knapp zwanzig Minuten kam ich wieder aus der Dusche. Ich hatte mich von oben bis unten mit Zitronenduschgel abgeschrubbt.
„Ich gehe davon aus, dass deine Duschgelflasche jetzt leer ist",rief Violetta.
„Halt die Klappe.
Nati lachte.
„Ich bin müde", murmelte ich. Nati setzte sich auf meine Bettkante. „Das hab ich auch schon lange nicht mehr erlebt. Sonst hockst du doch immer bis zur Sperrstunde im Studio und tanzt."
„Quatsch. Am Wochenende tanze ich nie bis spät."
„Aber du warst auch schon ewig nicht mehr mit uns samstags in New York."
„Wird das hier jetzt 'ne Standpauke?", nuschelte ich in mein Kissen.
„Nein, ich wollte es nur gesagt haben."
„Okay, super. Weckt mich, wenn es Abendessen gibt."
Ich gähnte einmal und schlief in ein paar Minuten ein.
Beim Abendessen war ich total müde von meinem spontanen Mittagsschläfchen und gähnte unaufhörlich. Leons besorgte Blicke war ich mittlerweile gewohnt, aber seit dem Nachmittag begann auch Violetta, mir ab und zu einen solchen Blick zuzuwerfen. Mit unseren Tabletts kämpften wir uns durch die Schlange beim Essen. Die Mensa-Lady sah mich kurz an, lächelte dann und gab mir einen zusätzlichen Löffel Kartoffelbrei. Dazu gab es gekochte Möhren und mageres Fleisch. Ich beäugte meinen Teller kurz skeptisch .
Leon saß mir gegenüber und beobachtete jeden Biss von mir. Ich seufzte genervt und beugte mich ein wenig vor. .
Als ich satt war, hatte ich nicht mal die Hälfte meiner Portion geschafft. Leons bohrenden Blick ignorierte ich.
„Wir sehen uns später", murmelte ich und verabschiedete mich.
Ich konnte nicht widerstehen, wieder zu üben, als ich gelangweilt in meinem Bett lag. Also packte ich Musik und Klamotten und schlich mich aus dem Zimmer, bevor mich eine meiner Freundinnen entdeckte. Die Studios waren allesamt leer. Niemand außer mir kam freitagabends auf die Idee, zu tanzen.
Plötzlich stand Andres neben mir.
,,Was willst du wieder hier", zischte ich.
„Kann ich reinkommen?", fragte er. Ich unterbrach die Choreografie kurz, um zu nicken, und setzte passend zu Musik wieder ein. Ich kontrollierte meine Atmung und tanzte, bis die Musik zu Ende war.
„Nicht schlecht", seufzte er.
,, Andres ich muss üben. Bitte mach mir nicht wieder Vorwürfe.Was soll ich sonst machen außer zu üben?
„Wie wäre es mit weggehen und feiern? Du bist sechzehn. Hab Spaß."
Ich rollte die Augen. Das war wohl die Woche der Belehrungen. Und ich war jedermanns Zielscheibe. „Du kannst doch nicht die ganze Zeit tanzen!"
Und so weiter. Ich hatte es satt. Hatten die keine eigenen Probleme?
„Und wer schickt dich zu mir?", fragte ich. Ich hatte nämlich das Gefühl, dass eine große Macht (Leon? Violetta?) dahinter steckte, dass plötzlich alle meine Freunde diese Reden hielten, die wie einstudiert klangen.
„Schicken? Sehe ich so aus, als würde ich mich von irgendjemandem schicken lassen?"
Ich lachte. „Natürlich nicht."
,, Weißt du was mich aufregt. Alle sagen wir was ich zu tun habe. Ich bin doch groß genug um auf mich selbst aufzupassen."
„Klar entscheidest du selbst, aber jeder hat gemerkt, dass du dich anders benimmst. Wahrscheinlich machen sich deine Freunde nur Sorgen."
,, Du verstehst das nicht.Ich bin einfach nicht gut genug für diese Schule."
Kurz bevor wir fertig waren und ich meinen letzten Tanzschritt machen wollte, ließ Andres mich nicht mehr los. Die Musik rauschte in meinen Ohren, als sich Andres zu mir beugte. Meine Atmung ging schnell, und ich wusste nicht, ob das am Tanzen oder an Andres lag. Und bevor ich fragen konnte, was er vorhatte, küsste er mich.
Der engste Kontakt, den wir je gehabt hatten, war immer nur tänzerischer Natur gewesen. Er hatte noch nie vorher versucht, mich zu küssen. Warum auch?
Die Deckenbeleuchtung des Studios blendete mich und ich schloss die Augen. Meine Hände lagen zu Fäusten geballt auf seiner Brust, aber ich hatte nicht die Kraft ihn wegzuschubsen. Ich hatte noch nie einen Jungen geküsst; einerseits, weil ich nie das Bedürfnis danach verspürt hatte, da das Tanzen bei mir immer an erster Stelle stand, andererseits hatte es sich einfach nie ergeben.
Der Kuss schmeckte nach Vanille. Wahrscheinlich hatte es Vanilleeis zum Nachtisch gegeben, den ich absichtlich verpasst hatte. Als er sich von mir löste, stand ich stocksteif da und starrte ihn nur an. Meine Hände hatten sich durch seine innige Berührung verkrampft.
„Was sollte das?", fragte ich und fuhr mir durch die Haare. Ich hörte ein Geräusch von draußen und drehte meinen Kopf um. In der Tür stand Fede. Er sah mich fassungslos an, drehte sich wortlos wieder um und verschwand dann. Ich warf Andres einen bösen Blick zu.
„Hast du super gemacht", knurrte ich und lief Fede dann nach.
„Fede!" Ich erwischte ihn draußen. „Warte", rief ich. Fede blieb stehen und drehte sich zu mir um.
„Was? Willst du mir jetzt sagen, dass du mit Andres zusammen bist?"
Am liebsten hätte ich ihn gefragt, was für ein Problem er hatte. Ich war nicht mit ihm zusammen, er hatte kein Recht, sich so aufzuregen. Wir waren zum Tanzen hier, nicht für alberne Beziehungen und damit verbundene Probleme, die nur ablenkten.
„Was ist denn los mit dir? Andres und ich sind nur Partner", sagte ich.
„So sah das aber nicht aus, als er dir seine Zunge in den Hals gesteckt hat."
„Er hat mir nicht... oh Gott! Was ist nur mit euch allen los? Alle benehmen sich, als wären sie verrückt. Ich krieg noch die Krise!", rief ich lauter als gewollt und fuchtelte mit den Armen herum.
Fede sah mich wütend an.
„Du bist die einzige, die sich verrückt benimmt. Alle halten dich für geisteskrank."
Ich runzelte die Stirn. Geisteskrank? Meine Wut wandelte sich in betretenes Schweigen.
„Wenn das so ist, kannst du mich ja ab jetzt in Ruhe lassen", murmelte ich.
,, Dabei dachte ich, dass du der einzige bist der mich versteht, Fede. "
DU LIEST GERADE
Dancing with you-Fedemila
RomanceDie National Ballet School in New York ist eine der besten Ballettschulen der Welt. Die sechzehnjährige Ludmila Ferro besucht die Schule seit fünf Jahren und trainiert hart, um eine Primaballerina zu werden. Doch das ist nicht so einfach. Alles änd...