Ludmilas POV:
Ich war schon lange unterwegs, als es anfing zu regnen. Damit hatte ich nicht gerechnet, deshalb war ich dementsprechend unvorbereitet und trug keinen Regenschirm bei mir. Außerdem trug ich immer noch meine Trainingsklamotten, die nicht besonders dick und auch nicht wasserabweisend waren. Ich lief unter einen Baum, der mir nicht besonders viel Schutz bot, aber besser als gar nichts war. Der Regen war zwar warm, aber trotz allem unangenehm. Mein Trikot und die Trainingshose, die ich darüber gezogen hatte, waren binnen weniger Minuten komplett durchnässt.
Meine Haare hingen mir nass ins Gesicht und ich seufzte genervt. Bis ins Internat lief ich mindestens zehn Minuten, wenn ich mich beeilte.
In der Hoffnung, der Regen würde bald aufhören, blieb ich unter dem Baum stehen und wartete. Doch nichts passierte. Ich spürte das Handy in meiner Trainingshose und überlegte. Ich könnte jemanden anrufen und bitten, mich mit einem Schirm abzuholen. Die Frage, die sich jetzt stellte, war natürlich, wen ich anrufen konnte.
Andres und Leon waren die letzten, die ich darum bitten würde, und auch Violetta wollte ich nicht unbedingt anrufen.
Die einzige Person, die übrig blieb, stand eine Viertelstunde später vor mir.
„Brauchst du vielleicht Hilfe?", fragte Federico und grinste mich an. Er hatte einen großen schwarzen Regenschirm über sich und ich lief sofort zu ihm unter den Schirm.
„Du bist meine Rettung", sagte ich; erleichtert, dass er hier war. Federico trug eine Tasche um die Schulter, aus der er ein Handtuch und einen Pullover nahm und mir beides reichte. Ich rubbelte meine Haare mit dem Handtuch trocken und zog mir den Pullover über den Kopf. Ich war zwar immer noch nass, aber der Pullover schirmte mich vor der Kälte ab und spendete Wärme und ein wohliges Gefühl. Ich schmiegte mich an ihn und wir setzten uns in Bewegung.
„Was machst du für Sachen? Hast du die Wolken nicht gesehen?", fragte er. Ich zuckte die Achseln. Ich war so durch den Wind.
„Hältst du mich auch für verrückt?", fragte ich wie aus dem Nichts. Federico sah mich überrascht an und hob die Augenbrauen.
,, Nein es tut mir leid wie ich mich benommen habe.Aber ich war irgendwie eifersüchtig." Wir gingen dicht nebeneinander, um nicht nass zu werden, dabei achtete ich aber darauf, eine gewisse Distanz zu wahren, weil sich sonst unsere Arme berühren würden. Fede schien gar nicht darauf zu achten, vermutlich war ihm Körperkontakt einfach nicht so unangenehm wie mir.
„Und nein, ich halte dich nicht für verrückt. Der Tick mit dem Nicht-Anfassen ist zwar ein bisschen schräg, aber das macht dich halt aus."
Ich sah zu ihm auf und mir wurde wieder bewusst, wie groß er eigentlich war. Sein Mund verzog sich zu seinem berühmten schrägen Lächeln und er legte einen Arm um mich. Seine Hand lag nur ganz leicht auf meiner Seite, und obwohl meine Muskeln sich für einen kurzen Moment verkrampften, entspannte ich mich schnell wieder. Er drückte mich nur flüchtig an sich und ließ mich sofort wieder los, bevor es unangenehm wurde.
„Dankeschön", sagte ich und wusste nicht, was genau ich überhaupt meinte. War ich dankbar, weil er mich abholte, weil er mich nicht für verrückt hielt oder weil er mich im richtigen Moment wieder losließ, bevor ich mich schrecklich fühlte? Vielleicht war es alles, vielleicht nichts.
„Und habe ich dich bei irgendwas gestört, als ich angerufen habe?"
Fede lachte leise, ein Geräusch, das ich über den Regen fast überhörte. Ich sah ihn erwartungsvoll an. Aber er schüttelte nur den Kopf.
„Ich habe mich nur... gelangweilt."
„Gelangweilt? Du?", fragte ich ungläubig.
„Also gut, ich hatte weiblichen Besuch", sagte er und räusperte sich dann betreten. Ich versuchte meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten, hatte aber meine Schwierigkeiten damit und brachte letztendlich nur ein „Oh" heraus. Fede musste meinen Blick bemerkt haben.
„Aber keine Angst. Ich habe sowieso nach einem Vorwand gesucht, sie loszuwerden", sagte er, um mich zu beruhigen. Ich kannte Fede zwar nicht so gut wie Leon, aber auch jetzt konnte ich sehen, dass er mich anlog. Ich zog meine Augenbrauen zusammen und es tat mir auf einmal schrecklich leid, ihn angerufen und gestört zu haben.
„Ich wusste nicht, dass du eine Freundin hast", murmelte ich, „du hättest nur was sagen müssen, dann hätte ich jemand anderen angerufen."
Federico sah mich ernst an. „Und wen? Ich hab gehört, was mit Leon und Andres passiert ist." Er sah mich mitleidig an und ich hasste ihn dafür.
„Und nur um das klarzustellen: Sie ist nicht meine Freundin", sagte er.
„Was hast du überhaupt hier draußen gewollt?", fragte Fede und sah mich an. Ich erwiderte seinen Blick unsicher.
„Nachdenken", brachte ich schließlich hervor. Er nickte und schaute nachdenklich in den grauen Himmel.
„Und bist du zu einem Ergebnis gekommen oder hat der Regen dich unterbrochen?", fragte er.
„Keine Ahnung. Wahrscheinlich nicht. Ich werde dem männlichen Geschlecht wohl bis zu meinem Tod aus dem Weg gehen."
,, Aber warum? ", fragte er.
,, Keine Ahnung weil sie mich verwirren.Vor allem du."entgegnete ich.
Fede stand wieder bei mir und ich hielt ihm den Schirm über den Kopf. Seine Haare waren nass und ich sah zu ihm auf. Er schüttelte den Kopf und spritzte mich nass.
„Ist das der Dank dafür, dass ich dich im strömenden Regen abgeholt habe?", fragte er und sah an sich herunter. Seine Klamotten waren nass und ich schmunzelte.
„Ich habe mich schon bedankt!", sagte ich. Wir zogen unsere Schuhe aus im Aufenthaltsraum aus und ich fragte Fede, was wir hier wollten.
„Der Tag ist doch noch nicht vorbei, wir haben jetzt ein bisschen Spaß, bevor du dich wieder ins Studio verabschiedest."
„Was willst du machen?", fragte er und gab mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, der hier rumstand.
„Billard?", erwiderte ich fragend. Ich hielt mich nicht oft hier auf.
Statistisch gesehen waren hier immer die Schüler, die schlechtere Noten hatten und sich weniger um ihre tänzerische Karriere kümmerten als die anderen, zu denen ich mich selbst zählte. Trotz allem waren meine Noten nicht herausragend, aber zumindest bemühte ich mich.
Es gab natürlich auch diejenigen, die gar nicht lernen mussten, so wie Violetta.
Fede sah sich nach einem freien Billardtisch um und führte mich in die Ecke ans Fenster, von dem aus man den gesamten Campus im Blick hatte. Er bereitete die Kugeln vor und gab mir einen Queue. Ich gab ihm den ersten Anstoß und sah noch ein wenig aus dem Fenster. Ich war nicht gut in dem Spiel, Fede gewann die erste Partie innerhalb weniger Minuten. Ich hatte gerade einen Lauf und war voll in das Spiel vertieft, als ich Fedes Stimme hörte, die aber nicht mit mir redete. Ich hob meinen Blick vom Tisch und erstarrte. Andres unterhielt sich mit Fede. Als er mich bemerkte, nickte er mir zu und wandte sich wieder seinem Freund zu. Ich war zu verblüfft, um etwas zu sagen. Ich fing
„Willst du nächste Runde einsteigen?", fragte Fede Andres. Dieser warf mir einen Seitenblick zu und zögerte noch. „Wenn ihr nichts dagegen habt", sagte er.
Ich hätte am liebsten etwas eingewandt oder wäre abgehauen, aber Fede schaute ich mich an.
„Das ist doch bescheuert", sagte ich sauer und ging. Im Eingang nahm ich mir noch meine Schuhe und lief in mein Zimmer. Dort knallte ich die Tür zu und warf mich müde und sauer und überfordert mit allem auf mein Bett.
Komischer Tag.
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Dancing with you-Fedemila
RomanceDie National Ballet School in New York ist eine der besten Ballettschulen der Welt. Die sechzehnjährige Ludmila Ferro besucht die Schule seit fünf Jahren und trainiert hart, um eine Primaballerina zu werden. Doch das ist nicht so einfach. Alles änd...