airolo

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januar, vielleicht auch schon februar - keine ahnung was denn genau es war - es war einer der monate im militär, in der ausbildung, einer von so vielen. es war kalt - bitter kalt wenn der wind die eisflocken erneut aufwirbelte. die woche war zu ende, die rekruten rannten von den transportern zum zug. ich musste noch geld abheben - und es hätte gereicht - fast gereicht. der zug stand noch, als ich auf den perron kam, er stand noch, als ich die hand an den türgriff legte, er fuhr ruckelnd an, als ich die tür öffnen wollte. mit dem neuen geld im portmonnaie, stand ich so auf dem bahndamm und schaute dem rücklicht des zuges nach, wie es im tunnel verschwand. erschöpft vom nutzlosen endspurt setzte ich mich auf eine bank, stellte die tasche neben mich und fror.

ein leichtes tippen weckt mich. bitterkalt, eiskalt, frostkalt, kalt kalt kalt - ich will schlafen. ich wickle mich tiefer in meinen schal ein. das tippen stört erneut. langsam entnervt öffne ich die augen. ein bähnler - so schaut seine uniform aus, ein bähnler schaut mich an. „komm mit" meint er in klarem schweizerdeutsch. er packt meine tasche - ich folge ihm widerwillig.

schneewolken fegen über die gleise hinweg, eiszapfen formen sich an den säulen, das kalte winterkleid bedeckt den ganzen bahnhof. der kleine mann, naja, irgendwie kleiner als ich, trägt pfeiffend meine tasche in die unterführung. leichte schneedecken haben es auch hier runter geschafft - die tritte bilden spuren, dunkel schwarz in dem kalten weiss.

im haus des bahnhofwärters gibts mehrere tassen tee für mich. ich werde abgefüllt - heiss. ein, zwei züge haben wohl gehalten, aber ich taue gerade erst auf, lache, erzähle aus der ausbildung und höre die geschichte der alten marta - der dampflock, welche früher mit einem schneepflug die schienen für die schnellzüge räumen musste. der bähnler sprach voller elan über die vergangenheit, die zukunft und seinen kleinen bahnhof. er bestand die ganze zeit darauf, es sei sein bahnhof, denn genau dieser bahnhof war es, welchen er als kind unsicher machte, als jugendlicher nutzte um in die deutschschweiz zu flüchten - und der bahnhof, an welchen er immer wieder zurückkehrte. der morgen wurde zum mittag, dem tee gesellte sich ein teller pasta, das gespräch wanderte über die schönsten flecken des gotthards. doch der bähnler - seinen namen hat er mir nie genannt, er schaut auf die uhr, schaut mich an und meint, ich solle mich warm anziehen, in einigen minuten kommt mein zug. widerwillig aus der wärme zu gehen, freudig doch noch nach hause zu kommen, ziehe ich mich an.

bei der verabschiedung bedanke ich mich nochmals, für die gastfreundschaft, für die wärme, einfach für alles. der bähnler lacht nur, nimmt mich in den arm und lächelt mich an. bevor ich ganz weg bin, drückt er mir noch einen thermosbecher in die hand und wünscht mir eine gute heimreise.

im zug, zwischen dösen und lesen, nippe ich immer wieder am tee, einem gewürzetee - wie der bähnler mir sagte. der becher hält den tee schön heiss, wie ich in zürich ankomme, von frostigen seewinden begrüsst werde, nehme ich nochmals einen schluck wärme. die trams kämpfen mit dem neuen schnee, manche fahren gar nicht mehr - ein kleineres chaos dürfte man es nennen, aber der schnee erstickt all die lauten stimmen in seinem leisen fallen. ich setze mich in mein tram, schaue der winterlandschaft zu, wie sie in einem weissen schlaf versinkt, sehe die ersten kinder im schnee tollen, sich schlachten liefern. der becher in meiner hand hat noch ein bisschen tee, nicht mehr viel - aber immer noch ein bisschen wärme, vertrautheit - mut.


A wie ZerreissendWhere stories live. Discover now