Kapitel 4: Die Macht des Lachens

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Müde verliess Scarlet wieder das Hauptzelt. Die letzten Tagen waren für sie nur Suchen gewesen und trotzdem hatte sie Camilla nicht gefunden. Es war, als ob sie ihr aus dem Weg gehen würde. Auch Jacky war wie vom Erdboden verschluckt. Normalerweise konnte man ihn kaum loswerden und wünschte sich, er würde verschwinden. Vielleicht sollte sie in Zukunft vorsichtiger sein, was sie sich so wünschte. Die Ruhe an sich war zwar nicht schlecht, aber inmitten von fremden Leuten zu sein und der Tatsache, dass Krieg herrschte, liessen sie noch einmal umdenken. Lieber hätte sie eine vertraute Seele bei sich. Sogar Jacky. Doch so wie sie sich ihm gegenüber verhalten hatte, ist es kein Wunder, dass er nicht mehr in ihre Nähe wollte. Sie bekam ein schlechtes Gewissen. In solchen Zeiten sollte sie sich eigentlich mit niemandem zerstreiten und trotzdem tat sie dies. Seufzend marschierte sie in eine Richtung. Sie hatte keinen Plan, was sie jetzt machen sollte und auch keine Gesellschaft. Wieso mussten Dennis und Zoey in dem anderen Camp sein? Das war einfach nicht fair. Was hatte sie denn Schlimmes getan, dass sie so bestraft wurde? Deprimiert setzte sie sich in den Dreck hin. Das Schicksal hatte einfach etwas gegen sie, das war der Grund.

Gerade als sie glaubte, ihre Beine wären eingeschlafen, ertönte plötzlich eine wohlbekannte Stimme. "Hey Scarlet!", wurde ihr zugerufen. Sie sah auf und entdeckte Jacky etwas weiter weg, der ihr zu winkte. "Jacky!", rief sie freudig und eilte sofort zu ihm, wenn auch zuerst mit wackeligen Beinen, da diese eingeschlafen waren. Jetzt durfte sie das nervende Kribbeln ertragen, doch sie ignorierte es. Jacky war wieder da und würde ihr sicher wieder Gesellschaft leisten. Sie nahm alles wieder zurück, was sie über das Schicksal gedacht hatte. "Du bist wieder da!", meinte sie glücklich. "Ich war, genau genommen, nie weg, aber wenn es dich glücklich macht, dann bin ich wieder da!", entgegnete er lächelnd. Seine Ohren waren immer noch die eines Schneehasen und zuckten die ganze Zeit herum. Entweder hatte er es vergessen oder er steckte fest, genau wie bei ihr es einmal war. "Na ja, ich habe dich in letzter Zeit nicht gesehen.", erklärte Scarlet, "Deswegen dachte ich, du gehst mir aus dem Weg." "Am Anfang habe ich das auch gemacht, weil du zu deprimiert und mies gelaunt warst. Aber nachher habe ich Leute getroffen, die noch depressiver als du waren und irgendwann hat es mir gereicht!", erzählte er und legte genervt die Ohren an.

"Wie auch immer, es ist toll, wieder bei dir zu sein!", meinte er daraufhin, "Ich habe dich im Dreck sitzen gesehen und dachte mir, vielleicht willst du doch eine Aufmunterung. Alle anderen Leute haben mich nur weggeschickt..." "Bei mir bist du herzlich willkommen!" Sie umarmte ihn glücklich und das schien auch ihn zu überraschen. Was so ein paar Tage Einsamkeit alles erreichen konnten. "Ok, du kannst mich wieder loslassen... Du drückst mir die Nase zu!", kam es gedämpft von ihm. Sie liess von ihm ab und er rieb sich die Nase, bis sie ganz rot war. "Da kommt kein Flaschengeist raus, egal wie fest du reibst.", meinte sie darauf. Das liess ihn schmunzeln und zauberte ein Lächeln auf ihre Gesichter. "So gefällst du mir richtig!", meinte er, "Nicht so depressiv, sondern voller Tatendrang und Humor!" Er tänzelte vor ihr herum, als ob sie gleich auf ein mystisches Abenteuer gehen würden. "Ja ja, ist gut.", beruhigte sie ihn wieder und ihr fiel auch gerade etwas ein, "Du hast doch gesagt, dass du bei vielen Leuten warst." "Ja, war ich. Wieso?" "Hast du vielleicht Camilla gesehen?" Er sah sie ein Moment ratlos an. "Wer ist Camilla?" "Das war die, die uns bei der Evakuierung geführt hat.", erklärte sie knapp. "Ach ja! Die habe ich gesehen! Sogar geredet haben wir." "Wirklich?" Scarlet packte Jacky an den Schultern und schüttelte ihn regelrecht. "Wo ist sie?" "Keine Ahnung! Unser Gespräch war vor drei Tagen, seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen. Und will es auch ehrlich gesagt gar nicht..." Letzteres murmelte er nur.

"Wieso nicht?", fragte sie und liess wieder von ihm ab. "Weil sie ziemlich gemein zu mir war! Ich wollte ihr nur helfen und sie ein wenig trösten und sie hat mich wie eine Furie angefahren und mich weggestossen.", murrte er beleidigt und legte die Ohren an. "Dass sie so gemein ist, kann ich mir nicht vorstellen.", meinte Scarlet skeptisch. Es gab sicher einen guten Grund, warum sie so aggressiv gegenüber Jacky war. Vielleicht hatte Scarlet sie deswegen auch all die Tage nicht gesehen. "Sie war es aber!", beharrte er. "Einfach grundlos?" "Na ja..." Er rieb sich mit einer Hand den Nacken. "Sie war vielleicht ein wenig deprimiert, weil ein Freund von ihr gestorben ist... Aber ich wollte sie nur aufmuntern! Ich habe nichts Schlimmes gesagt, ich schwöre es beim heiligen Karottenkuchen in der Kantine!" Er hob sogar die eine Hand und legte die anderen aufs Herz. "Ist ja gut, ich glaube dir.", beruhigte sie ihn und musste lachen. Er musste den Karottenkuchen wirklich lieben. Und ausserdem war Jacky kein sadistischer Typ. Er hatte es sicher gut gemeint und es war einfach falsch rübergekommen. Kein Wunder, denn der Tod eines Freundes konnte man nicht auf die leichte Schulter nehmen und war auch etwas empfindlicher. Deswegen war sie also nicht aufzufinden...

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