Kapitel 5
Ja, wer war denn nun die Person über deren Besuch ich mich so gefreut hatte.
Mein Trainer? Nein, als würde ich mich da freuen?!
Die liebe Lindsay? Klar, es wäre cool, aber ich würde sicherlich nicht in Tränen ausbrechen.
Wer konnte es denn dann nur sein? Na gut, ich verrate es euch...es war mein Bruder Oliver! Mein geliebter, bester, super, toller Bruder war hier in New York in meiner Wohnung und hatte es sich auf meinem Sofa gemütlich gemacht.
Wie lange hatte ich ihn jetzt nicht gesehen? Auf jeden Fall viel zu lange nicht!
„Wie, wie hast du mich gefunden?", fragte ich ihn noch immer ganz überwältigt.
„Wir alle haben nie aufgehört zu versuchen irgendwie mit dir in Kontakt zu treten, nachdem du plötzlich von Zuhause verschwunden warst. Wir dachten nicht, dass du deine Familie auf einmal so blitzschnell für eine New Yorker Modelagentur verlässt, aber wir wurden eines besseren belehrt!", erklärte mir mein Bruder mit neutralem Ton.
So dachten sie also alle von mir! Ich soll einfach so abgehauen sein.
„Aber so wie ich meine kleine Isa kenne, steckt da mehr hinter deinem Verschwinden als dem bisschen eben! Ich habe nicht aufgegeben dich zu finden, selbst als Mama und Papa die Suche aufgegeben hatten, weil sie nicht mehr den nötigen Mut hatten. Immer wieder habe ich versucht sie weiter zu ermuntern, aber sie hatten dich wirklich aufgegeben! Ich konnte nicht fassen, dass sie so etwas getan haben!", schloss er an seine Erklärung an.
Was, meine Eltern hatten mich aufgegeben?! So verzweifelt waren sie gewesen?
„Oh mein Gott, es tut mir so, so leid! Aber es war nicht so, wie sich alle denken!"
„Wie war es denn dann?"
„Ja, die Modelagentur hat etwas damit zu tun. Sie haben mich damals, als ihr auf eurem Wochenendkurztrip ward, angerufen, dass sie mir Tickets für einen Flug nach New York per Mail geschickt haben und ich sofort meinen Koffer und diesen Flug nehmen soll! Ich habe natürlich sofort meine Sachen gepackt und bin los zum Flughafen. Ich wollte euch noch einen Zettel hinlegen, aber dann dachte ich mir, ich rufe euch einfach an, wenn ich in New York bin, aber das hat dann leider nicht mehr funktioniert", versuchte ich es meinem Bruder zu erklären.
„Wieso konntest du uns denn nicht mehr anrufen?!", ärgerte er sich ein wenig.
„In dem Vertrag, den ich unterschrieben hatte, stand im Kleingedruckten, dass ich damit einverstanden bin, absolut keinen Kontakt mit meiner Familie zu haben. Sie haben mir mein Handy abgenommen und all eure Nummern gelöscht und mir eine neue amerikanische Nummer gegeben. So konntet auch ihr mich nicht mehr erreichen", erzählte ich ihm traurig.
„Jetzt verstehe ich die ganze Sache schon etwas besser, aber diese Agentur kann doch niemals eine professionelle sein, wenn sie dir den Kontakt zu deiner Familie verbietet, oder?", fragte er mich jetzt.
Wo er Recht hatte, hatte er Recht!
Ich wollte nicht wissen, was er tun würde, wenn er wüsste, dass ich sogar geschlagen werden durfte.
„Ja, du hast ja Recht, aber ich verdiene eigentlich ganz gut, ich bekomme die Wohnung hier gestellt und die Shootings sind manchmal echt spaßig!"
„Ist ja schön, dass es dir wenigstens Spaß macht, wenn du schon diese Opfer über dich bringen musstest!", lächelte er mich an, „aber jetzt lass uns doch mal das Thema wechseln. Ist in letzter Zeit irgendetwas Nennenswertes passiert?"
„Nein, nicht wirklich, ich hatte immer wieder ein paar Shootings, Modeltraining und seit letzter Woche habe ich eine Freundin, die auch für die Agentur modelt und echt nett ist!"
„Das ist ja mal eine gute Nachricht!", freute er sich für mich und man konnte ihm vom Gesicht ablesen, dass er es ernst meinte.
„Und bei dir? Was ist bei dir so passiert seitdem ich weg bin?"
„Auch nicht sehr viel, außer, dass ich jetzt einen Studienplatz hier in New York bekommen habe!"
Das war die beste Nachricht, die ich in letzten Tagen, Wochen und Monaten erhalten hatte. Ich sprang von meinem Sofaplatz auf und musste meinen Bruder einfach nochmal umarmen.
„Das ist superduper, hammer, mega, toll !!!", ließ ich die Euphorie aus mir heraus.
„Das ist schön, dass du dich so freust, Schwesterherzchen!"
„Wie wäre es, wenn wir nach solch einer guten Nachricht noch eine Kleinigkeit Essengehen? Ich könnte noch Lindsay fragen, ob sie mitkommen möchte, dann kannst du sie auch kennenlernen!", schlug ich meinem Bruder vor.
Hach, ich war gerade einfach nur total happy.
„Wenn du willst, können wir das gerne machen! Na los, ruf sie schon an!"
- - - - -
Wir waren gerade zu Fuß auf dem Weg zu meinem Lieblingsitaliener, bei dem wir auf Lindsay treffen würden.
Nach meinem Telefonat mit Lindsay, die natürlich hellauf begeistert von der Idee gewesen war, meinen Bruder kennenzulernen und sofort zugesagt hatte, hatte ich mich nur schnell umgezogen.
Ich war in eine enge dunkelblaue Jeans geschlüpft, hatte einen warmen Wollpullover übergezogen, hatte meinen Parka und meine Winterboots angezogen und meine Handtasche mit Handy, Geldbörse, und Wohnungsschlüssel gepackt.
Mein Bruder hatte sich währenddessen in meiner Wohnung umgeschaut und sich ein paar Bilder von verschiedenen Shootings angeschaut.
Nachdem er 20 Minuten sehnsüchtig auf mich gewartet hatte, war er erfreut gewesen, als wir endlich starten konnten.
Draußen war schon lange die Dunkelheit herausgebrochen und nur die Straßenlaternen spendeten das nötige Licht, um sich in den Straßen zurechtzufinden.
Die Kälte war deutlich auch durch meinen warmen Winterparka zu spüren und ich fing leicht an zu zittern.
So kalt war es die letzten Tage und auch den ganzen letzten Winter nicht gewesen.
Nach einem kurzen Fußmarsch kamen wir dann bei meinem Lieblingsitaliener an.
Drinnen wurden uns unsere Jacken abgenommen und wir wurden an einen Tisch geführt. Von Lindsay war noch keine Spur.
Wahrscheinlich hatte sie mal wieder so lange gebraucht, um sich fertigzumachen.
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[©mysticgirl199 | 2015]
Dieses Mal ein etwas längeres Kapitel :) ich weiß, dass es immer noch nicht richtig spannend ist, aber das kommt ja bekanntlich im Laufe der Geschichte ;)
xoxo Jules
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Only for you (paused)
Teen FictionIch hatte nie ein leichtes Leben, hart und arbeitsaufwändig, ohne Ruhe und Entspannung, ohne Liebe und Freundschaft. Viele Höhen und Tiefen musste ich überstehen, um alles so zu gestalten, dass es zumindestens etwas erträglich ist. Herzschmerz, Wut...