*3*

326 17 0
                                    

"Gwen! Da bist du ja!", rief Charlie aufgeregt als ich die Cafeteria betrat. Ich war die letzte die an unserem Tisch fehlte - Charlie, Jackson, Aiden und ein paar andere saßen bereits auf ihren Plätzen und lachten, während sie sich Salat und Nudeln in den Mund stopften. Ich ließ meinen Rucksack neben den einzigen leeren Stuhl vor mir fallen, genau gegenüber von Aiden. Mein Blick wanderte durch die Cafeteria. Fast jeder hatte ein vollbeladenes Tablett vor sich stehen, was nur eines bedeuten konnte: Drake und Melanie hatten heute Dienst. Normalerweise würde ich den Inhalt einer Mülltonne dem Essen unserer Schule vorziehen. So Klischeé-mäßig das auch klingen musste, es war wahr. Das Essen in unserer Schule war einfach ungenießbar. Leider hatten meine drei kleinen Brüder mehr Glück - sie liebten das Mittagessen, welches ihnen 5 Tage in der Woche serviert wurde.
Doch die Sache sah ganz anders aus, wenn Drake und Melanie kochten. Ihre Gerichte waren nicht außergewöhnlich, aber gut. Und da ich spät dran war, war wahrscheinlich auch schon das meiste weg. Ich musste mich also beeilen, um noch etwas zu ergattern.
"Komme gleich wieder.", sagte ich zu Charlie und deutete zur Essensausgabe. Im Laufschritt stellte ich mich bei der Schlange an und wartete, bis ich an der Reihe war. Im Augenwinkel bemerkte ich Aidens Blick auf mir. Ich schaute nicht zurück, aber die Tatsache, dass er mich noch immer anstarrte, als ich zurück zu meinen Platz kam, ließ mich nervös auf meinem Stuhl herumrutschen.
"Hat man dir nicht gelernt das Starren unhöflich ist?", fragte ich so cool wie möglich und hob mein Besteck.
"Ich starre nicht.", antwortete er lässig und legte seinen Kopf von der linken auf die rechte Seite, "Ich genieße bloß die Aussicht."
Ich verschluckte mich fast an meiner Nudel. Ich weiß, dass er mir nur Komplimente machte, um mich zu nerven. Aber die Tatsache, dass er mich gerade hübsch genannt hatte, ließ mich nicht ganz kalt. Am liebsten hätte ich mich selbst geschlagen. Es war immerhin Aiden, der hier vor mir saß. Er machte sich einen Spaß aus meinem Leiden. Ich hasste ihn.
"Das mit den Komplimenten musst du noch üben. Anfangs dachte ich, deine Sprüche können nicht schlechter werden - doch Gratulation. Du hast mich des besseren belehrt."
"Ich kann dich auch noch etwas anderes lehren. Heute Nacht, zum Beispiel." Aiden grinste schelmisch.
"EW! Aiden! Du hast mir den Appetit verdorben. Jetzt kannst du mein Essen bezahlen." Ich ladete einige Nudeln auf meinen Löffel und benutzte ihn als Katapult, um sie in Aidens Gesicht zu werfen. Sie landeten genau auf seiner Nase. Vor Schreck lehnte Aiden sich nach vorn und die Nudeln fielen in sein Shirt. Volltreffer.
"Ha!", triumphierte ich.
Charlie lachte. "Ihr zwei passt so gut zusammen!"

********************************************************************

"Ein Sozialprojekt?!", rief  Charlie wütend. Unser Schauspiellehrer hatte uns gerade erklärt, dass unser Schulleiter beschlossen hatte, mit der gesamten Schule ein Sozialprojekt durchzuführen - und fast jedes Fach musste seinen Beitrag dazu leisten.
"Ich habe mir das nicht ausgedacht. Und wenn du damit nicht einverstanden bist, kannst du ja die Schule wechseln, Charlie.", antwortete Mr. Moore.
"Jedenfalls habe ich mir bereits was ausgedacht: Wir werden-"
"ein Theaterstück aufführen? Welch Überraschung." Mr. Moore wurde von Jeff, einem beliebten Baseballspieler unserer Schule unterbrochen. Einige Mädchen fingen an zu kichern.
"Nein, Jeff. Kein Theaterstück. Eine Reality-Show.", erklärte Mr. Moore. Er war einige Momente lang still, als erwartete er irgendeine Reaktion von uns. Jeff hüstelte, Mädchen kicherten.
"Ihr werdet in Zweier- oder Dreiergruppen eingeteilt. Jedes Team bekommt verschiedene  Rollen und eine Situation. Ihr werdet euch hineinversetzten und eure schauspielerisches Können zum Beweis stellen. Das Projekt wird ungefähr 10 Wochen dauern - 8 Wochen Filmzeit, 2 Wochen um es auf Vordermann zu bringen, das heißt zwei Wochen fürs zuschneiden, bearbeiten und was sonst noch so anfällt.
Gefilmt wird hauptsächlich in eurer Freizeit, da die Atmosphäre authentischer wirkt. Einige Szenen können natürlich auch hier in der Schule passieren, wenn es denn passt. Je nachdem, welcher Situation ihr zugeteilt werdet. 
Es wird einen Kameramann geben der dafür zuständig ist, alle Teams zu filmen, und zwei Personen die den Film, oder besser gesagt die Show zuschneiden und bearbeiten. Ihr werdet in eure Rolle steigen, sobald der Kameramann in eurer Nähe ist, und zwar ohne meckern und jammern. Eure Note wird nicht nur aus eurem schauspielerischem Talent zusammengestellt, sondern auch aus eurem Bemühen und eurer Team-Fähigkeit. Alles klar?"
Genau solche Momente erinnerten mich daran, warum ich Schauspielunterricht hasste. Leider konnte ich mich aber nicht abmelden, da es in unserer Schule ein Pflichtfach war. Bis jetzt hatte ich es immer erfolgreich geschafft, mich vor Schulaufführungen zu drücken, doch da würde ich mich wahrscheinlich nicht so einfach rausschummeln können.
Genervtes Gemurmel und lautstarke Proteste drang an mein Ohr, doch Mr. Moore brachte sie alle zum Schweigen.
"Es gibt jedoch eine Person, die am Schauspiel nicht teilnehmen musste. Nämlich, logischerweise, derjenige, der filmt." Damit hatte er wieder meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Obwohl alles dagegensprach, dass ich damit gemeint war (1. Er hatte des öfteren Kameramann, nicht Kamerafrau gesagt.  2. Hatte er gerade wieder angedeutet, dass eine männliche Person gemeint war. 3. Ich hatte keine Erfahrung im Filmen. Im Gegensatz zu anderen Schülern hier im Saal.), gab ich die Hoffnung trotzdem nicht auf und drückte mir selbst die Daumen.
"Ich habe den glücklichen Schüler schon ausgewählt, ich habe mir nämlich eure Arbeiten angesehen. Und zwar von den Shots-Mitgliedern."
Shots war der Name vom Fotografie und Film-Club. Das zerstörte meine Chancen, ausgewählt worden zu sein, komplett. Ich war kein Shots-Mitglied. Enttäuscht sackte ich in meinem Stuhl zusammen.
"Oh, Gwen. Sei nicht traurig, dass du nicht die Auserwählte bist. In meinem Leben bist du trotzdem noch die Nummer eins.", flüsterte Aiden rechts neben mir. 
Ja, genau. Ich war gezwungen, neben ihm zu sitzen. Und dass, wenn man die Mittagspausen nicht dazuzählte, drei ganze mal pro Woche.
Ich ignorierte ihn und starrte nach vorn auf die Bühne, wo Mr. Moore stand.
"Und zwar Jackson."
Wieder erfüllte enttäuschtes Gemurmel den Raum, welches nur kurz von Jacksons Freudenschrei unterbrochen wurde.
"Ja! Danke, Mr. Moore!"
"Du darfst dir die zweite Person, die mit dir den Film bearbeiten wird, aussuchen, aber es muss jemand aus dem Club sein. Und da es für diese Person extra Arbeit sein wird, bekommt ihr eine extra Note."
"Charlie!", rief Jackson wie aus der Pistole geschossen.
"Alter?", beschwerte sich Aiden aufgebracht. "Ich bin dein bester Freund!"
"Ja, aber du kennst dich genauso gut mit Kameras aus wie Gwens Oma. Wenn du ab und zu mal für Shots etwas machen würdest, hätte ich dich vielleicht in Betracht gezogen."
"In Betracht gezogen?!"
"Tja, was soll ich sagen? Charlie und ich sind eben ein Dreamteam. Wir sind wie Black-Widow und Hulk, Ron und Hermine, Ted und Robin...Verstehst du?"
Aiden schnaubte nur beleidigt, Charlie klatschte mit Jackson ein. Die beiden grinsten sich an und schauten sich einige Momente zu lang in die Augen, wenn ihr wisst was ich meine.
"Das Projekt startet nächste Woche. Ich werde euch jetzt die Partnereinteilung vorlesen."
Wenn Gott auch nur ein Fünkchen Sympathie für mich übrig hatte, würde er hoffentlich dafür sorgen, dass ich nicht mit Aiden in ein Team gesteckt werde.
_____________________________________
Bild von Jackson oben :)

~Kiki





The Not So Real Reality ShowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt