Frau Holle

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Angsterfüllt starrte sie ihn an. Mein Gott, er wollte doch bloß, dass sie seine Goldmarie spielte. „Los, aufstehen! Es wird Zeit endlich zu spielen!“, rief er gut gelaunt.  Er löste den Strick von ihrem Körper und riss das Klebeband von ihren Beinen und ihrem Mund. Kleine Hautfetzchen, die sich dabei ablösten hinterließen blutige Risse an den Lippen und an ihren Wangen.

„Au! Musst du so grob sein? Ich mach ja alles, was du von mir willst.“

Er lächelte. Sie wollte ALLES machen. Das Märchen hatte ja noch gar nicht begonnen. Er dachte nach. Seine letzte Frau war ja schon ein paar Tage her. Isa …… er seufzte. Wie leicht die Frauen doch zu haben waren. Dabei waren sicher weder Isa noch seine Goldmarie vorher für Geld der Befriedigung dienlich gewesen. Jetzt pries sie sich sogar ohne zu Zahlen für ihn an. Wie einfach plötzlich alles zu sein schien.

„Dreh dich um!“, befahl ihr Ralf. Tanja drehte sich auf den Rücken und starrte ihn an. „Was willst du?“, fragte sie ihn. „Wir werden jetzt das Märchen Frau Holle spielen. Wenn du brav bist, werde ich dich hypnotisieren, dass du dich nicht mehr erinnern kannst, und frei lassen. Wenn du dich nicht benimmst, werde ich dich töten“, log er. Er hatte natürlich keine Ahnung von Hypnose, aber es war ihm gerade so eingefallen und er fand die Idee auf Hoffnung gut. Gutes Ende….. hahaha …….NIEMALS!

„Steh auf!“, verlangte Ralf. Tanja kämpfte sich mühselig aus dem Bett.  Er packte sie am rechten Arm und half ihr in die Höhe. „Wir gehen jetzt in meinen Schuppen. Du kennst das Märchen, ja? Dort steht mein Brunnen. Da beginnt meine Geschichte.“ Er zerrte und schob sie über den löchrigen Fußboden. Auf einmal bückte sich Ralf und hob eine Perücke vom Boden auf, die er sogleich auf seinen Kopf setzte. Mit großen Augen sah ihn Tanja an.

„Schau nicht so blöd, ich bin Frau Holle!“, schrie er sie an. Tanja senkte den Blick und ließ sich weiterziehen.  Beim Auto blieb er kurz stehen und schob etwas in seine Jackentasche. Sie konnte nicht erkennen was er eingeschoben hatte. Weiter ging die Route durch das große Scheunentor. Irgendetwas stank hier widerlich. Tanja konnte es nicht zuordnen. Eine leicht süßliche Woge nach Tod und Verderben kroch in ihr Gehirn.  Auch Ralf konnte diesen Duft wahrnehmen.  Er wusste, seine Pferdereste, die über dem Scheunentor klebten, rochen noch ein wenig. Aber, nichts im Vergleich zu seinem Pferdeköpfchen am Waldesrand.  In der Scheune angelangt, zwang er sie sie Leiter hinaufzuklettern. Meine Güte, stellte sich dieses Weib doof an. Ihre Hände waren zwar noch auf dem Rücken verklebt gefesselt, aber sie brauchte sich ja nur mit dem Bauch an der Leiter anzulehnen. Tanja begann sich zu wehren. Sie wollte dort nicht hinaufklettern. Sie wollte nach ihm treten. Irgendwie süß. Wie hilflos sie abwechselnd die Beine hob und versuchte ihn zu treffen. „Mach wenigstens meine Hände los! Ich will dort nicht hinauf! Und ich habe Höhenangst!“, heulte und plärrte sie dabei. Es amüsierte ihn.

Er sah sich dieses Gehüpfe kurze Zeit an und als er genug davon hatte, packte er sie an ihren langen, blonden Haaren und zog sie zur Leiter. Tanja hatte das Gefühl, er würde ihr alle Haare vom Kopf reißen und ihr blieb nichts anderes übrig als nachzugeben. Ihre Höhenangst war wie verflogen. Wird er mich dort oben vergewaltigen, oder gar töten? Ihre Beine begannen bereits bei der ersten Sprosse der Leiter so zu zittern, dass es ihr kaum möglich war hinaufzusteigen. Er war hinter ihr. Mit seinem Bauch schob er an. Sie konnte ihm nicht entkommen. Sprosse für Sprosse schob dieses kranke Arschloch sie die Leiter hinauf. Als sie mit ihrem Oberkörper bereits über dem Tennenboden war, konnte sie sich nicht mehr abstützen, und fiel hin. Tanja konnte gerade noch ihr Gesicht auf die Seite drehen und knallte mit der linken Wange auf den Holzboden. Ihre Zähne im Mund machten ein lautes Klack, und sie lag flach. Ihr ganzes Gesicht schmerzte und Tränen kullerten über ihr Gesicht. Ralf schaffte es an ihr vorbeizusteigen und zerrte sie ein Stück in die Tenne hinein, damit sie nicht hinunterfallen konnte.  Schnaufend und pustend saß er neben ihr.  Wie soll ich das ein zweites Mal bloß schaffen? Jetzt bin ich mit der Goldmarie hier und brauche bereits eine Pause. Ich muss das Ganze mit der Pechmarie wiederholen. Ihm graute ein wenig vor dieser Anstrengung.

Der MärchenmörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt