Rotkäppchen

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Am Freitag  Abend schloss er seinen Kiosk eine Stunde früher. Er hatte mit Hans telefoniert und hatte ihm für die Vertretung gedankt.    Die Beerdigung ist jetzt gottlob vorbei, dachte er, als er abschloss. Er hatte gestern Isas Mama im Stiegenhaus getroffen. Ralf hatte ein sehr betretenes Gesicht aufgesetzt und ihr sein Beileid ausgesprochen. Dabei kamen Wörter über seine Lippen wie: Unfassbar, Tragödie, Unbegreiflich und hoffentlich finden sie den Täter. Das hoffte Ralf natürlich nicht wirklich.

Ralf setzte sich ins Auto und fuhr zu seinem Hof. Er fand alles vor, wie er es verlassen hatte. Ralf holte sich die Schaufel und Scheibtruhe und begann die Erde zu verteilen. Er schaffte auch eine ganze Ladung voll in den Wald. Dabei vergaß er nicht bei seinem Köpfchen vorbeizusehen. Sein Pferdeköpfchen war schon fast abgenagt. Der Gestank war auch verschwunden.  Seine Gänse waren ebenfalls weg. War ja auch nicht so wichtig. Die ausgeschüttelten Daunen hatte der Wind beseitigt.  Die Grasvasen auf Tanjas Grab waren schon auf dem besten Weg anzuwachsen.

Er brauchte zwei Stunden für seine Arbeit und mit dem Reinigen seines Arbeitsgerätes. Nun setzte er sich auf die Wiese. Genauer gesagt auf ihr Grab. Er saß wieder auf ihr. Glückliche Erinnerungen krochen aus seinen Hirnwindungen hervor, was zur Folge hatte, dass seine Jeans zu schrumpfen schien.  Er konnte es kaum erwarten das nächste Märchen zu spielen. Er hatte Rotkäppchen gezogen. Sein Rotkäppchen durfte auf keinen Fall zu jung sein, falls er sich daran vergehen wollte.  Ich könnte mich auch an der Großmutter vergnügen. Spontan musste er an Frau Huber denken. Hahaha, das wäre ein Spaß! Aber, leider nicht möglich. Und .... wo sollte er einen Wolf hernehmen?

Momentan wusste er, was zu tun war.  Am Samstag durchsuchte er sämtliche Kleidergeschäften im Ort, bis er das passende Outfit für Rotkäppchen hatte. Eine rote Kapuzenjacke. Er kaufte auch noch im Secondhand Laden eine Brille und eine graue Perücke. Das war Zufall, denn dieses Geschäft hatte nur selten Faschingsartikel.

Am Sonntag fuhr er mit dem Auto nach Tschechien um dort ein Tierheim aufzusuchen. Es war etwas schwierig, da er zuerst sprachliche Verständigungsschwierigkeiten hatte. Nach einer halben Stunde wurde ein junges Mädchen bei der Türe hereingeführt, die seiner Sprache mächtig war. Endlich! Die größten zwei Hunde die sie hatten. Alter egal. Sollten ja nur der Abschreckung dienen. Als Wachhunde auf seinem Bauernhof. Natürlich nicht als Kettenhunde. Nein, sein alter Hund wurde 14 Jahre und war vor einem Monat verstorben. Es war ein deutscher Schäferhund. Jetzt wollte er Gutes tun und einen Hund vom Tierheim befreien. Platz hatte er genug und zwei Hunde könnte er auf jeden Fall versorgen. Na ja,  seine Frau helfe ihm natürlich. Nein, sie ist  nicht mitgekommen, sie sei so traurig. Es sollte a auch eine Geburtstagsüberraschung sein.

Sie führten ihn an unzähligen Käfigen vorbei und blieben bei einem nicht allzu großen Gitter stehen. Was er dort sitzen sah, raubte ihm fast den Atem. Hinter dem Gitter saßen zwei ausgewachsene Kangals. Da kann ich ja fast nach Hause reiten, freute er sich.  Der etwas kleinere der beiden, war die Hündin. Der große Lackel ihr Sohn. Sie waren weder stubenrein, noch gechipt. Außerdem hatten sie keine Ausbildung. Ideal also. Er zahlte für beide Hunde nur 100 Euro. Er wollte sie auch nach dem Märchen noch behalten. Vielleicht könnten sie ihm ja bei der Beseitigung von Beweismaterialien behilflich sein. So ein großer Hund musste ja eine Menge fressen.......

Die Angestellten des Tierheims halfen ihm noch die beiden ins Auto zu verladen. Die Papiere wurden ihm  in die Hand gedrückt und er fuhr los. Alle drei überstanden die Reise unbeschadet. Er zerrte einen nach dem Anderen aus dem Auto in seine Scheune hinein. Er band seine Hunde dort an einem in den Boden eingelassenen Messingring fest. Hier hatten sie es warm und trocken. Er stellte einen Kübel mit Brunnenwasser dazu. Gegen Durst war gesorgt. Er dachte nach. Wie lange konnten die Biester es ohne Futter aushalten. Wann hätten sie solchen Hunger, dass sie dafür töten würden. Reichten vier bis fünf Tage?

Der MärchenmörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt