Der dritte Bruder Grimm

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Erschöpft ließ er sich neben ihr nieder. Er atmete tief durch und schloss seine Hose. Märchen zu formen befriedigt mich zu  tiefst, lächelte er. Er war bereits Nachmittag und sein Magen begann sich zu melden. Auch durstig war er. Wenigstens brauche ich mein Brot und das Wasser nicht zu teilen. Müde stand er auf und ging ins Haus um den angeschnittenen Brotlaib vom Boden aufzuheben und holte vom Auto seine Wasserflasche. Er hatte einen Brunnen hinter dem Haus, aber Trinkwasser von der Leitung erschien ihm als reiner. Er setzte sich wieder neben seine Pechmarie. Ihr Hals zeigte bläuliche Verfärbungen an den Stellen, wo er zugedrückt hatte. Er biss vom Brotlaib ab und legte ihn in die Wiese. Was nun? Er kniete sich auf und zog Tanja Slip und Jeans wieder an. Bevor die Leichenstarre eintritt geht es leichter, dachte er. Der schwarze Lack glänzte an ihrem Kopf. Das wäre ihr jetzt sicher zu heiß am Schädel, grinste er. Genüsslich aß er sein Brot zu Ende und trank die Hälfte seiner Flasche leer. Er dachte nach. Ich werde sehen, dass ich sie heute noch loswerde. Dann kann ich morgen meine Frau Holle schreiben und übermorgen bin ich wieder genesen im Kiosk. Er blickte wieder auf Tanja hinab.

Ich habe eigentlich gar keine Ahnung von wo sie herkommt. Wo sie wohnt. Werden sie auch noch hier nach  ihr suchen? Oder, wohnt sie ohnehin zu weit weg? Sie hat doch erzählt, sie wäre noch im Probemonat. Wenn ich Glück habe, wird sie gar nicht vermisst. Sie ist einfach nicht mehr zu diesem eintönigen Job gekommen. Und Familie? Freund hatte sie wohl keinen. Goldmarie war Jungfrau und Pechmarie wurde sie durch mich. Die habe ich entjungfert. Sie hatte gestern keine Handtasche dabei. Wo war ihr Geld? Ihr Handy? Er befühlte ihre Jeans.

Nichts. Irgendwie komisch.

Als Ralf mit seinem späten Mittagsmahl fertig war und etwas verdaut hatte, stand er auf. Er packte Pechmarie an den Beinen und schliff sie in seine Scheune. Er warf eine Plane über ihren toten Körper und verschloss das Scheunentor. Anschließend fuhr er in einen der Nachbarorte, wo sich ein großer Baumarkt befand. Er stieg vom Auto aus und holte sich einen Einkaufswagen. Nun begann seine Shoppingtour. Er rollte seinen Wagen ganz nach hinten zu den groben Baustoffen. Er kaufte vier Säcke fertiges Betongemisch. Dann ging er weiter in die Gartenabteilung. Dort legte er eine wasserfeste Abdeckplane in weiß, 3 x 3 Meter in den Einkaufswagen. Seine Goldmarie würde in weiß gebettet sein. Das war gewiss. Er bezahlte an der Kassa und lud die Sachen in den Kofferraum. Er brachte den Einkaufswagen zurück und besuchte anschließend den Lebensmittelgroßmarkt nebenan. Er kaufte eine Rolle Frischhaltefolie und eine Großpackung mit 10 Kilopackungen Kaffee. Er zahlte wieder an der Kassa und legte seine Sachen zu den Baumaterialien. Jetzt hatte er alles, was er benötigte und konnte sich wieder seiner Goldmarie widmen.

Er stellte das Auto vor seinem Hof ab und stieg aus. Schaufel und Spitzhacke befanden sich in der Scheune. Er ging hinüber, schloss auf und warf einen Blick auf sein „Mariechen“. Er war sich nicht mehr sicher. Goldmarie oder Pechmarie? Erlöst hab ich sie. Das war ihr Glück, daher Goldmarie. Erwürgt hab ich sie aber auch, daher Pechmarie? Egal mein Mariechen! Er nahm Schaufel, Spitzhacke und die Plane, mit der Mariechen zugedeckt war, mit auf die Wiese zu seinem Apfelbaum. Hier lag sie. Hier hab ich sie entjungfert. Hier gefällt es ihr sicher, dachte er und begann zu graben. Die Grasziegel löste er vorsichtig los und legte sie bei Seite.  Die Erde schöpfte er mit der Schaufel auf die Plastikplane, die er sich einstweilen von Mariechen ausgeliehen hatte. Er wollte nicht, dass seine Wiese allzu sehr zu leiden hatte. Er schwitzte und schnaufte und war bis in die späte Nacht hinein damit beschäftigt eine tiefe Grube auszugraben. Als er fertig war gönnte er sich eine kleine Pause. Er wollte bis zum Morgengrauen auf jeden Fall fertig sein damit. Vielleicht konnte er unbemerkt im Haus untertauchen, ohne seinen Nachbarn zu begegnen.

 Als er sich ausgerastet hatte, ging er zum Auto. Er holte seine weiße, wasserfeste Kunststoffplane und legte sie in seiner Grube aus. Er ging ums Haus herum und holte eine alte, rostige Scheibtruhe, die dort angelehnt war. Mit ihr holte er vom Auto die Betonmischsäcke und brachte sie zum Grab. Im Haus standen ein paar alte, aber dennoch dichte Kübel, die er mit Wasser aus dem Brunnen füllte und ebenfalls dazu stellte. Er hatte alles zusammen. Beton, Wasser, Schaufel, Scheibtruhe. Nein, sein Kaffee fehlte noch! Er hatte einmal gehört, dass Kaffeeduft Spürhunde ablenken konnte. Und zur Sicherheit…….

Der MärchenmörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt