Entsorgung

953 39 5
                                    

Er rutschte von ihrem Rücken und setzte sich neben ihr ins Gras. Ihre Augen starrten leblos auf die Ameisen oder den Marienkäfer. So ein dummes Luder, dachte er, hätte doch mitspielen können. Außerdem hat sie beim zweiten Mal alles falsch gemacht. Sonst wäre doch der Wind gekommen und hätte mir meinen Hut von Kopf geweht. 

Gut, dachte er. Mein Märchen endet eben so. Ist jetzt auch eine andere Zeit als damals. Die Gänsemagd wird eben überfallen und erwürgt. Pech. Der Prinz kam nie darauf, dass dies die echte Prinzessin war. Die wirkliche Magd, seine Gemahlin, wird nicht im Fass mit den Nägeln zu Tode geschliffen. Das Böse hat gesiegt. Kommt ohnehin niemals gut weg in den Märchen. Das Böse hat immer das Nachsehen. Das wird sich ändern. 

Er stand auf und packte seine tote Prinzessin an den Beinen. Er schliff sie zum Auto und öffnete den Kofferraum. Ihr Gesicht war über den Weg geschrammt und sah jetzt noch bemitleidenswerter aus. Wohin damit? Er zerrte sie hoch und warf sie in den Kofferraum. Auf jeden Fall weg von hier. Er ging zur Scheune und holte eine Leiter. Er stellte sie vor dem Scheunentor auf und stieg hinauf. Es stank widerlich. Er zog sich sein T-Shirt über den Mund um sich nicht  übergeben zu müssen. Die Fliegen stiegen in Schwärmen vom Pferdekopf hoch. Er zerrte an der Mähne, doch der Kopf schien sich nicht zu lösen. Scheiße, dachte er. Da habe ich wohl etwas übertrieben mit dem Befestigen. Er stieg die Leiter hinab und holte ein Stemmeisen. Als er wieder am Kopf oben angekommen war, suchte er sich die für sein Vorhaben geeignetste Stelle und schob das Stemmeisen unter den Kopf. Fliegen umsummten beide Schädel.  Der Gestank war kaum auszuhalten. Er hebelte nun fest und mit einem lauten Platsch fiel der Schädel zu Boden. Haut, Fleisch und Muskelfetzen klebten noch mit verbleibenden Nägeln an der Wand. Darum würde er sich aber später kümmern. Er zerrte den Kopf an seinen Gänsen vorbei, die ihn interessiert beobachteten. Um euch werde ich mich später kümmern, dachte er. Er zerrte den Kopf hinüber zum Waldesrand, den er mit seinem baufälligen Gehöft um einen Spottpreis ersteigert hatte. Er zerrte den Kopf ein paar Meter in den Wald hinein und ließ ihn fallen. So, die Füchse hatten jetzt einiges zu tun. In der Nähe war auch ein riesiger Ameisenhaufen. Sie könnten um ihren Leckerbissen streiten. Der tote Kopf stank und starrte ihm nach, als er den Wald verließ.

Isa konnte er nicht ohne weiteres in seinem Wald deponieren. Er musste sie loswerden. Beim Auto angekommen, warf er den Kofferraumdeckel zu. Er fuhr los. Hauptsache weit weg. Es würde gleich finster werden und dann wäre es leichter, sie zu entsorgen. Nach wenigen Metern blieb er stehen. Er hatte ihre Kleidung vergessen und auch den blutbesudelten Stein würde er noch suchen und mitnehmen müssen. Er stieg aus und holte ihre Kleidung. Kofferraumdeckel wieder auf und die Kleidung hinein. Diese landete promt auf Isabellas Gesicht. Wird sie wohl kaum mehr stören, dachte er.

Nach zwanzig Minuten fand er , was er suchte. Er warf den Stein ebenfalls in den Kofferraum und -  Klappe zu. Dann fuhr er auf die Landstraße um einige Kilometer hinter sich zu bringen.

Mittlerweile war es dunkel. Er hatte etwa 250 Kilometer hinter sich gelassen und fuhr gerade an einem Waldrand vorbei. Es war hier kaum Verkehr, und das war gut so. Er blieb an einem Rastplatz stehen. Er sah sich um. Schnell öffnete er den Kofferraum, schob Stein und Kleidung bei Seite, zerrte Isa heraus, und schliff sie schnell in den Wald. Dabei griff er unter ihren Achseln hindurch und hielt sie an ihren gefesselten Händen fest. Da es finster war, wollte er nicht allzu tief im Wald mit ihr verschwinden. Nach ca. 100 Metern stand er vor einem Bach. Ideal. Er öffnete den Knoten an ihren Händen, entfernte den Strick und zog ihr sein selbstgenähtes Kleid aus. Er versuchte dabei sie so wenig wie möglich zu berühren.

Nicht, weil er Angst vor toten Menschen hatte, nein, er kannte ja Isabella sogar... Er wollte so wenig wie möglich Spuren hinterlassen. Er steckte seine Hände in das Leinenkleid und zerrte sie mit seinen bedeckten Händen zur Mitte des Baches. Das Wasser war kalt. Er betrachtete sein Werk. Mit dem Gesicht nach unten lag Isabella in dem kleinen Bach. Haha, sie taucht, dachte er höhnisch. Nein, besser wäre es, die Haare liegen im Wasser, um alle Spuren zu verwischen. Er steckte wieder seine Hände ins Kleid und ging zu Isa. Er drehte sie um.

Da begann es zu tropfen. Der Himmel weint, dachte er, das werde ich in meinem Märchen einbauen. Isabellas Nasenspitze und ihre Brüste ragten etwas aus dem Wasser. Vielleicht habe ich Glück und sie wird sogar weggespült, dachte er.

Er warf einen letzten Blick zu Isa zurück und ging zur nächsten Fichte um dort ein paar große Äste abzubrechen. Er ging  zum Bach retour und zog die Äste einem Besen gleichend hinter sich her, bis er wieder beim Auto war. Er warf die Fichtenäste schwungvoll in den Kofferraum.

Den Deckel zugeworfen, und los geht's. Nun musste er noch den Stein, die Kleidung und die Äste loswerden. Er fuhr wieder auf die Landstraße hinaus und entfernte sich noch etwas mehr seiner Heimatstadt. Als er über eine große, verlassene Brücke fuhr, blieb er mit dem Auto am Ende dieser stehen. Er stieg aus, nahm die verbliebenen Utensilien und warf alles von der Mitte der Brücke  in den reißenden Fluss hinab. Fertig. Er war alles los geworden. War wirklich nicht so schwer. 

Fröhlich pfeifend fuhr er nach Hause.

Der MärchenmörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt