Auf Wunsch weiter ...

1.2K 42 4
                                    



Prinz Karim schmunzelte versonnen. Er schlug die Beine übereinander und stützte sein Kinn auf die Hand. Aufmerksam lauschte er dem Gespräch des Sultans. 
»Sie möchte Euch persönlich sprechen, was ich nicht billige, aber ich habe es ihr erlaubt. Seid gewarnt«, hob er den Zeigefinger. »Es wird keine schöne Unterhaltung sein. Sie wird im Garten hinter der Efeuwand auf Euch warten. Ich hoffe, Euch gelingt es, sie zu überzeugen. Ich konnte es leider nicht«, winkte er ab.
Prinz Karim setzte seinen Fuß auf den Boden und beugte sich leicht vor. »Soll das bedeuten, dass sie mich abgewiesen hat? Ihr habt mir Euer Wort gegeben!« Enttäuscht runzelte er die Stirn.
»Und ich halte mein Wort«, entgegnete er dem Prinzen und hob die Hände abwehrend. »Es liegt nicht an Euch. Yasmina ist eine Traumtänzerin und möchte unbedingt eine Liebesheirat eingehen. Sie möchte sich verlieben und den Mann an ihrer Seite selbst auswählen. Ihr wisst sicherlich, was ich damit meine.«
»Wie soll sie mich kennenlernen, wenn sie mir die Chance verwehrt?«
Schwermütig zuckte der Sultan mit den Schultern und seufzte. »Ich denke, Ihr werdet Euch etwas einfallen lassen.«
Enttäuscht stand der Prinz auf und schritt zum hohen Fenster. Eine Hand auf den Dolch gelegt, sah er eine Weile nachdenklich in den Garten hinaus, wo die Efeuwand stand. Kein Mädchen in seinem Land würde ihn abweisen. Es war nicht möglich. In seinem Stolz gekränkt und sich verschmäht fühlend, rieb er sein Kinn und wandte sich wieder dem Sultan zu. Seine Augen strahlten, als hätte er eine Idee. 
»Gut. Ich werde dort auf sie warten.«
Der Sultan stimmte dem bedenklich zu. »Danach werden wir beide uns wieder unterhalten.«
Prinz Karim verneigte sich und verließ das Gemach. Als er den unendlich langen Korridor entlanglief, rief er einen dunkelgewandeten Mann zu sich, der bereits auf ihn wartete.
»Omar, ich habe etwas mit dir zu besprechen.«
Omar nickte ihm zu. Flüsternd verließen sie den Gang, der zu den Gemächern des Sultans führte. 

***

Lauer Wind rauschte in den Blättern und Zweigen und wiegte die Gräser im Garten sanft hin und her. Gezwitscher erklang in den Wipfeln der Bäume. Die Vögel trugen der Prinzessin ihre Lieder vor. Sie wartete bereits ungeduldig hinter der Efeuwand, wo sich wunderschöne Jasminblüten um die Ranken geschlungen hatten. Ihre Dienerin hatte sie fortgeschickt, weil sie mit dem Prinzen ungestört reden wollte. Mit jeder Minute, die verstrich, schlug ihr Herz schneller. Sie knetete ihre Hände und horchte immer wieder auf Schritte, die bald zu hören sein sollten. Schließlich atmete sie tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Alsbald vernahm sie die erhofften Schritte, die sich der Efeuwand näherten und schließlich verstummten. Instinktiv bedeckte sie ihr Gesicht mit dem hauchdünnen Schleier. Hinter der Ranke räusperte sich jemand.

»Prinzessin Yasmina?«
»Eure Hoheit Prinz Karim?« Ihre zarte Stimme glich dem Flüstern des Windes. In diesem Moment wusste sie nicht, ob ihre Stimme das laute Schlagen ihres Herzens übertönte.
»Ja, der bin ich. Ihr wünscht, mich zu sprechen?«
Ein ›Ja‹ verließ hauchend ihre Lippen. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Halse, ihr Verstand gefror jäh. Sie vergaß für einen Moment, zu atmen. Soweit sie sich erinnern konnte, sprach sie zum ersten Mal mit einem fremden Mann, dessen Stimme noch dazu tief, warm und zugleich verführerisch war.
Prinz Karim sah seitlich zu den Rosensträuchern und nickte jemanden zu, der sich dahinter versteckt gehalten und nun einen Spiegel in Richtung der Prinzessin hielt. Der Prinz erspähte ihr Gesicht, das sie unter dem hauchdünnen Schleier zu verstecken versuchte, der ihr Antlitz dennoch nicht verbergen konnte.
Er schmunzelte.
Hässlich ist sie nicht. »Euer Vater, der erhabene Sultan ließ mich wissen, dass Ihr gegen eine Vermählung mit mir seid?« Er merkte, wie sein Herz bei jedem Blick in den Spiegel noch höher schlug. Sie hatte den Schleier abgenommen. Bewundernd betrachtete er ihr Spiegelbild. Ihre Augen waren beständig auf den Boden gerichtet und sie knetete nervös den Saum ihres Schleiers.
O Allah, ist dies hier dein Garten Eden auf Erden und das liebliche Geschöpft, eine Jungfrau aus deinem Paradiese?
Ihre liebliche Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
»Bitte, versteht mich nicht falsch... es ist nicht Euretwegen. Es ist gegen meine Prinzipien. Ich möchte keine Vernunftehe. Ich möchte...«
»Aber Ihr habt mich noch nie gesehen und dennoch weigert Ihr Euch, mich kennenzulernen? Ich bin zutiefst enttäuscht Prinzessin. Ich bin gekommen um Euch mein Herz zu öffnen, es in Eure zarten Hände zu legen und Eure Schönheit zu erblicken, von der im ganzen Land erzählt wird. Vielleicht überdenkt Ihr es noch einmal?«, fragte er in der Hoffnung, dass sie ihre Meinung änderte.
»Bitte, bedrängt mich nicht, denn es würde nichts nützen. Ich würde Euch nur unglücklich machen.«
»Oder mich zum glücklichsten Mann der Welt machen. Wollt ihr mir nicht einen Blick gewähren? Es würde Euch die Entscheidung erleichtern.«
Sie schüttelte den Kopf und stellte fest, dass er es gar nicht sehen konnte. »Es tut mir leid«, entschuldigte sie sich und drehte ihren Kopf zu den Rosensträuchern, weil es dort plötzlich raschelte. Etwas funkelte dort. Als ahnte sie, dass sich dort jemand verborgen hielt, sah sie genauer hin. Nur was war es, was dort so glänzte?
»Ein Spiegel? Ihr beobachtet mich heimlich? Wenn das der Sultan wüsste...« Empört blickte sie zu den Fenstern und sah, wie der Vater und sein Wesir zu ihnen herunterschauten. Rasch entfernte sie sich, bevor Prinz Karim sich dazu äußern konnte.
Der Prinz ballte verärgert die Fäuste. »So ein Mist. Sie hat den Spiegel gesehen.«
Omar trat hinter dem Rosenstrauch hervor. »Es tut mir leid Eure Hoheit. Ich rechnete nicht damit, dass die Strahlen der Sonne auf dem Spiegel reflektieren würden«, erklärte er schweren Mutes.
Der Gesichtsausdruck des Prinzen wurde jedoch weicher. Er schmunzelte.
»Was ich im Spiegel gesehen habe, war eine bezaubernde Fee, die ich nicht so leicht aufgeben werde. Höre mir gut zu, Omar. Ich habe einen Plan. Sie möchte sich verlieben? Dann soll sie es tun.«
»Ich verstehe nicht, was Ihr meint, Eure Hoheit.«
»Sage Ali Bescheid. Wir treffen uns hier um Mitternacht.«

***

Verärgert darüber, dass sie in eine Falle getappt war, lief Prinzessin Yasmina wie ein ungestümes Fohlen in ihrem Gemach auf und ab. Unruhig kaute sie auf ihrer Unterlippe und dachte an den Prinzen aus dem Jemen, denn der schien nicht dumm zu sein. Im Gegenteil, er war mutig genug, um einen Blick auf ihr Spiegelbild zu werfen. Unwillkürlich legte sich ein Lächeln auf ihr Gesicht, denn bisher hatte niemand gewagt einen heimlichen Blick auf sie zu erhaschen. Seine tiefe Stimme klang noch immer in ihrem Kopf und schien sie gegen ihren Willen bezaubert zu haben.

Ob es einen Blick wert wäre, ihn doch noch zu sehen?
Entschlossen schüttelte sie den Kopf und stieß die Luft zwischen den Zähnen aus. Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, den Mann, der ein Leben lang an ihrer Seite sein sollte, selbst kennenzulernen. Nur wie? Sie kam nie ohne Begleitung der Soldaten aus den Mauern des Palastes heraus und der Sultan würde ihr niemals erlauben, einen dahergelaufenen Bürger zum Manne zu nehmen. Wie sollte sie es nur bewerkstelligen, jemanden kennenzulernen?

Seufzend warf sie sich bäuchlings auf ihr Bett. Eine Prinzessin zu sein, war schwer genug. Und wenn der Vater eifersüchtig war, noch schwerer. Seit sie zwölf Jahre alt war, musste sie ihr Gesicht verschleiern. Nicht einmal die Wachen sahen sie ohne den Schleier.
Erneut klang die Stimme des Prinzen in ihren Ohren.
Prinzessin Yasmina?
Sie stöhnte und drehte sich auf den Rücken. Die Hände unterhalb der Brust gelegt, klopfte sie mit den Fingern auf den linken Handrücken, während ihr Blick an der Decke verharrte. Ob der Prinz sich ihrer Entscheidung gebeugt hatte? Das Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Ihre junge Dienerin Layla trat ein. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem zarten Gesicht aus und ihre tiefschwarzen Augen leuchteten. Sofort setzte sie sich zu der Prinzessin.
»Konntet Ihr einen Blick auf ihn werfen, Herrin?«
Yasmina schüttelte den Kopf. »Die Efeuwand stand zwischen uns und Vater mit seinem Wesir am Fenster«, klagte sie. »Der Prinz hat mich durch einen Spiegel beobachten lassen. Mich wundert es, dass Vater nichts dazu gesagt hat.«
»Er hat es tatsächlich gewagt, Euch in einem Spiegel anzuschauen? Ach ist das romantisch!« Layla blickte sie versonnen an und fuhr fort: »Wo es der Sultan doch jedem verbietet, Euch gegenüber den Blick zu heben. Sehr merkwürdig. Übrigens, ich habe den Prinzen von weitem gesehen. Er ist groß, schlank und sieht so fürstlich aus. Vielleicht solltet Ihr Eure Entscheidung noch einmal überdenken«, versuchte sie, die Prinzessin zu überreden.

Hastig stand Yasmina auf und war mit zwei Schritten am Fenster. Eine Weile stand sie dort und sah hinaus, ohne die geringste Regung zu zeigen.
Doch dann, als wäre sie von ihrer Starre erwacht, flüsterte sie versonnen: »Er hat so eine warme Stimme.«
»Wollt Ihr nicht noch einmal...«
»Nein!«, rief sie laut und setzte sich wieder auf das Bett.
»Aber wie wollt ihr jemanden kennenlernen? Hier im Palast?« Layla stand auf und ging zum Fenster. »Vielleicht ist Euer Zukünftiger irgendwo da draußen...«
»Vielleicht«, flüsterte Yasmina und seufzte laut. »Nur, ich komme hier nicht hinaus. Ach, ich bin so verzweifelt!« Ohne jede Hoffnung wandte sie sich der Dienerin zu.
»Layla.« Ihre Entschlossenheit geriet ins Wanken.
»Ja, Herrin?«
»Ist es möglich, ihn zu sehen? Hast du eine Idee? Seine Stimme ... Sie war so warm, so verführerisch... Sie klingt immer noch in meinen Ohren.«
Layla stand noch immer am Fenster. Der Ton ihrer Stimme änderte sich. Enttäuscht wandte sie sich der Prinzessin zu.
»Sie brechen auf!«
Prinzessin Yasmina sprang auf und lief zum Fenster. Prinz Karim und seine Männer saßen auf ihren Pferden und ritten aus dem Hof.
Nur einen kurzen Augenblick trübte sich ihr Blick. Alsdann reckte sie das Kinn, um ihre Enttäuschung zu überspielen. »Nun gut. Er hat sich meinem Willen gebeugt und schnell aufgegeben.«
Verbittert drehte sie sich um und setzte sich auf den Diwan gegenüber dem Kamin. »Er war wohl doch nicht mein Schicksal.«

Glück ist eine Oase, die zu erreichen  nur träumenden Kamelen gelingt


Die Wüstenprinzessin - Auf der FluchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt