So wie man die Strahlen der Sonne nicht zudecken kann,
so kann man auch das Licht der Wahrheit nicht auslöschen.Als Prinzessin Yasmina am Morgen die Augen öffnete, lag ein zufriedenes Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie drehte sich noch einmal auf die andere Seite, um in ihrer Erinnerung an die Nacht mit Selim zu schwelgen. Hatte sie etwa Gefallen in ihm gefunden? Gab es etwas, so wie Liebe auf den ersten Blick? Während sie so nachdachte, kam das junge Mädchen herein, das ihr jeden Tag zu Essen brachte.
»Einen gesegneten Morgen, Aisha. Ich habe Essen für dich gebracht. Wie geht es dir heute?«
Yasmina meinte Besorgtheit in ihrer Stimme zu vernehmen. Sie drehte sich um und sah dem Mädchen ins Gesicht, in dem die Besorgnis deutlich zu sehen war.
»Gibt es hier die Möglichkeit, sich zu waschen?«, fragte sie, ohne auf die Frage der jungen Frau zu antworten.
»Ich bringe dir Wasser und Tücher.« Das Mädchen wandte sich ab, um zu gehen. Doch sie blieb stehen, als Yasmina sie nach ihren Namen fragte.
»Mein Name ist Khadija.«
Yasmina betrachtete sie von oben bis unten und sah sie forschend an. Khadija hatte den Blick gesenkt und knetete nervös die Hände. Ihre Haltung deutete darauf, dass sie etwas wusste.
Sie sieht mich nicht an. Sie weiß, wer ich bin. Ich werde schon herausbekommen, wer und warum man mich entführt hat.
»Wie alt bist du?«
»Siebzehn.« Khadija schien bemerkt zu haben, dass sie ausgefragt wurde. »Aisha, ich mache mir Sorgen um dich. Du vergisst schon unsere Namen.« Sie warf ihr noch einen mitleidigen Blick zu und ging hinaus.
Yasmina kniff die Augen zusammen und nickte bedeutsam. Dann setzte sie sich auf und beäugte das Frühstück. Warme Milch, Honig, Butter, Käse und Datteln. Das Brot war noch sehr warm und duftete köstlich. Sofort nahm sie den Krug mit Milch und trank ihn in einem Zug leer. Es dauerte nicht lange und die Zeltwand schob sich erneut beiseite. Gleißendes Licht fiel herein und erhellte das Zelt. Draußen erhoben sich die Stimmen der Nomaden, die sich gegenseitig etwas zuriefen. Khadija brachte das Wasser zum Waschen. Sie stellte die Schüssel auf den Tisch und legte die Tücher daneben. Ohne ein Wort zu sagen, ging sie wieder hinaus.
Yasmina tauchte den kleinen Finger in das Wasser. Es war warm. Trällernd nahm sie die Seife in die Hand und seifte das Tuch ein. Sie schien wie gewandelt zu sein.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam sie endlich aus dem Khaima. Eine Gruppe Frauen erzählte sich dem Anschein nach gegenseitig etwas Witziges und lachten. Andere badeten ihre Kinder in großen Wannen, die laut schrien, weil sie Seife in den Augen hatten. Die Frauen sahen zu Yasmina herüber, schwiegen kurz und unterhielten sich weiter.
Prinz Karim saß mit Ali und Omar auf einem Dünenfelsen und flocht Lederriemen. Er richtete seinen Blick auf sie und lächelte ihr zu. Sie erwiderte sein Lächeln und wollte gerade auf ihn zugehen, als eine faltenreiche Hand sie am Rock zog.
»Aisha, du lernst es aber auch nie. Erst sperrst du dich zwei Tage in dein Zelt ein und dann kommst du raus, wenn die Sonne fast am höchsten steht. Was soll ich bloß mit dir machen? Du kannst nichts und du taugst zu nichts. Am besten sollten wir dir einen genauso verrückten Mann suchen und dich unter die Haube bringen.«
Der Gesichtsausdruck der Prinzessin änderte sich schlagartig. Der vorhin noch lächelnden Frau stieg die Zornesröte ins Gesicht. Sie knurrte leise wie ein Löwe und öffnete gerade den Mund, um Widerworte zu geben, ließ es jedoch sein, als sie Karim lächeln sah.
Sie beugte sich etwas vor und wedelte mit dem Zeigefinger. »Amina, ich glaube, du brauchst dringend einen Mann, der dich zähmt« Ein nicht ernst gemeintes Lächeln legte sich auf Yasminas Gesicht.
Die Greisin schüttelte empört den Kopf. »Rede keinen Unsinn und komm mir helfen! Die Euter der Ziegen platzen bald. Sie sind voll und müssen gemolken werden.«
Obwohl sie innerlich vor Wut kochte, folgte sie der alten Frau und sah ab und an über die Schulter zurück. Der Prinz folgte ihr mit seinem Blick noch immer lächelnd.
Oh Allah, ist er schön. Ich muss meine Wut in den Griff bekommen. Wie schön er mich doch anlächelt. Ich möchte keinen schlechten Eindruck bei ihm hinterlassen.
Amina setzte sich auf den Boden und stellte einen Eimer unter das Euter der Ziege, die laut kauend das trockene Gebüsch fraß.
»So, fang jetzt endlich an, ›Wüstenprinzessin‹«, sprach diese höhnisch und schlug ihr einmal sanft auf die Hand, als sie bemerkte, dass die Prinzessin den Kopf ständig zu Prinz Karim drehte.
»Wenn du dir beim Melken genauso viel Mühe geben würdest, wie du Selim anhimmelst, dann wären wir heute schnell fertig«, erteilte sie noch Auskunft.
Die Prinzessin errötete. »Ich himmle keinen Mann an.« Dann überlegte sie einen Augenblick. »Amina, kennst du Selim gut? Du weißt ja. Ich bin nicht mehr ganz bei Verstand. Kannst du mir etwas über ihn erzählen?«
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Die Wüstenprinzessin - Auf der Flucht
FantasyDie ungestüme Prinzessin Yasmina ist im heiratsfähigen Alter und lehnt all ihre Verehrer ab, um den Mann ihres Herzens selbst bestimmen zu können. Auch Prinz Karim ist unter den abgewiesenen Kandidaten, Doch gibt dieser nicht auf und schmiedet einen...