Kapitel 09

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"Ich würde sagen, wir haben alles", sagte Bill, der die Haustür öffnete. "Hast du einen Schlüssel Olivia?"

"Ja, hab ich. Tom hat aber auch einen", rief ich und lief allen hinterher, so dass die Tür schließlich hinter uns zufiel. Es war natürlich schon dunkel, doch spendete der Mond ein klein wenig Licht, dass man nicht absolut blind durch die Gegend lief. Ob uns das in dem kleinen Wäldchen helfen würde, wo die Baumkronen das Licht ausschlossen, sei dahin gestellt.

"Wer geht vor?", fragte Maren, die sich an mein Arm klammerte. Tom lief neben mir auf der anderen Seite und hatte noch kein Wort gesagt.

"Zoey und Bill vielleicht?", fragte ich herausfordernd und musste kichern.

"Habt ihr etwa Angst?", fragte Zoey höhnisch und musste laut lachen.

"Wir doch nicht", sagte Maren neben mir selbstbewusst, aber ich spürte, dass ihr die unbekannte Umgebung nicht Geheuer war.

Wir bogen nun von unserer Straße ab und steuerten das Wäldchen an, in dem ich schon meine gesamte Kindheit verbracht hatte. Man spürte, dass der Boden von der prallen Sonne noch immer warm war. Niemand von uns trug auch ein langärmeliges Shirt. Dadurch bekam man erst Recht Gänsehaut, wenn der schwache Wind direkt gegen die Haut pustete.

"Was haltet ihr von einem Spiel?", fragte Tom vergnügt.

"Und was stellst du dir vor?", fragte Bill von vorne, der doch viel selbsbewusster war, als ich ihn ehrlich gesagt eingeschätzt hatte.

"Verstecken", äußerte Tom sich amüsiert. Ich riss meine Augen auf.

"Eigentlich eine gute Idee", sagte Bill, "wir kennen den Wald ja alle, bis auf Maren. Willst du dich dann irgendeinem zweier Team anschließen?", fragte er an sie gewandt.

"Ehm .. klar." Ich hörte sie lächeln. "Kann ich dann mit euch Bill und Zoey?", fragte sie. Ich legte meine Stirn verwirrt in Falten, aber das konnte sie nicht sehen. Es war so lustig, dass niemand sehen konnte, wie man auf irgendwelche Dinge reagierte.

"Du gehst mit Tom alleine", flüsterte sie mir so leise ins Ohr, dass ich es selbst beinahe gar nicht gehört hatte.

"Das musst du aber nicht ...", beteuerte ich und spürte an ihrem Körper, wie sie fest mit dem Kopf nickte.

"Doch."

Und dann riss sie sich von meinem Arm los und stellte sich zu Bill und Zoey. Bill knippste seine Taschenlampe an.

"Jede Mannschaft eine Taschenlampe? Wir haben schließlich nur zwei", fragte Tom und griff die von Zoey. Auch er knippste seine an und beleuchtete sein Gesicht von unten. Es war eher lustig, als dass es gruselig war.

"Gut", sagte Bill, "wer versteckt sich und wer sucht?"

"Von mir aus können wir suchen", sagte Tom und schaute auf seine Uhr. "Ich würde sagen, dann treffen wir uns in einer Stunde, also um viertel nach eins, wieder hier. Nicht, dass Olivia und ich später wieder zuhause sitzen, einen Tee trinken, und ihr noch immer darauf wartet, gefunden zu werden."

Er lachte scherzhaft.

"Okay, wir verstecken uns. Aber wirklich nur hier im Wäldchen. Sonst wird die Fläche zu riesig."

"Jap", sagte ich, "das ist von der Größe perfekt."

Dass Tom und ich, wenn Zoey und Bill gerade mal nicht mit dabei waren, auch immer verstecken gespielt haben und gute Verstecke kannten, mussten sie ja nicht wissen.

"Gut, wir zählen bis hundert", sagte Tom und drehte den andern den Rücken zu.

"Eins", begann ich und ich hörte, wie die Schritte hinter uns immer leiser wurden.

Nach zehn hatten Tom und ich aufgehört zu zählen. Wir warteten einfach, bis wir der Meinung waren, dass sie sich gut versteckt haben mussten. Er stand mir so nah, dass ich seine Körperwärme spürte. Ich wusste nicht, ob es ein gutes Gefühl war. Irgendwie machte es alles auch viel anstrengender.

"Du bist schon wieder so leise", bemerkte er leise in die Stille hinein. "Sonst redest du immer wie ein Wasserfall."

Ich räusperte mich und schaute zu ihm hoch, obwohl ich nur wage überhaupt Umrisse erkennen konnte.

"Im Moment ...", begann ich, hielt aber wieder inne.

"Was ist im Moment? Justin hat dir wohl echt den Kopf verdreht."

"Es ist nicht wegen Justin", platzte es aus mir heraus und bereute es sofort.

"Was ist es denn dann? Ich verstehe dich im Moment einfach nicht ..."

Ein Windzug strich durch die dichten Baumkronen. Das Laub raschelte dadurch geheimnisvoll, was mich etwas emotional stimmte. Die Dunkelheit unterstrich den Effekt bedeutend.

"Warum machst du dir auch so einen Kopf darum?", fragte ich fast unfreundlich.

Wut kam in mir hoch. Ich war auf einmal sauer auf ihn, dass er so blind war. Warum konnte er nicht einfach richtig nachdenken? Es war doch mittlerweile total offensichtlich, dass ich, Olivia Maria Zellermann, mich in Tom Kaulitz verliebt hab.

"Du bist meine beste Freundin", sagte er empört, als hätte ihn meine Frage gekränkt.

"Wahrscheinlich ist genau das das Problem", flüsterte ich so leise, dass er nicht mehr als ein Nuscheln hören konnte.

"Bitte?", fragte er reserviert, "ich habs leider nicht verstanden."

Die Auseinandersetzung ging nun nach hinten los.

"Nichts Tom. Es ist einfach nichts."

Er seufzte und drehte sich kurz von mir weg, um sich abzureagieren. Fest entschlossen stellte er sich wieder direkt vor mich. Dabei war er jetzt noch wütender.

"Gut. Ich nerve dich wohl. Dann verschwinde ich einfach. Ist es das, was du willst? Ich hab es nämlich irgendwie satt. Die letzten Tage hab ich mich echt zusammgerissen, aber so langsam reichts mir.."

Als ich nichts erwiderte, lachte er sarkastisch auf und lief stur an mir vorbei.

"Tom", hauchte ich verzögert, doch er drehte sich nicht um. Ich war verletzt und sauer, dass wir uns nun gestritten hatten.

"Es tut mir leid", rief ich ihm mit einer brüchigen Stimme hinterher. Tränen stiegen mir in die Augen und ich griff mir mit den Armen eingeschüchtert um den Bauch. "Es tut mir leid Tom", wiederholte ich etwas lauter und konnte durch das schwache Mondlicht sehen, wie er stehen blieb und sich ein letztes Mal zu mir herumdrehte.

"Wenn du mir endlich sagst, was los ist, können wir weitersehen", rief er mir bockig zu und verschwand entgültig. Jetzt war auch er angepisst. Ich ließ mich auf das weiche Moos des Waldbodens fallen und begann zu schluchzen. Es tat weh, wenn er weg war und es tat weh, wenn er da war. Das war beschissen. Was von beidem war besser? Natürlich, wenn er da war, aber mein Herz zerbrach dabei, wenn er mich nicht so anschaute, wie ich es mir wünschte. Wahrscheinlich war es dann doch besser, wenn er nicht da war ... Aber das wollte ich nicht.

Wieder raschelten die Baumkronen über mir und ich bekam etwas Angst. Wald, Dunkelheit und Einsamkeit war eine ganz üble Kombination. Ich griff das Handy in meiner Hose und schrieb meiner Mum.

Ich vermisse dich.
Habe mich mit Tom gestritten
und weiß nicht, was ich tun soll.
Hab dich lieb und komm
einfach schnell wieder!

Vi :*


Die nächste Nachricht schrieb ich Maren, Zoey und Bill, dass Tom und ich uns gestritten hatten. Sie mussten ja nicht umsonst auf uns warten ... ohne auf die drei zu warten, ging ich ebenfalls zurück nach Hause. Plötzlich war die Stille ganz angenehm und nicht mehr so unheimlich. Ich atmete mehrmals tief durch und versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Ich wollte nicht weinen. Nicht wegen Tom. Nicht wegen einer Verliebtheit, die keine Zukunft zu haben schien.

Ich bog zurück auf unsere Straße und konnte direkt unser Haus sehen. Es war schließlich das einzige hier in der Gegend. Zu meiner Überraschung war es aber komplett dunkel. Kein Licht brannte, wie ich es erwartet hatte. Dafür sah ich von weitem aber, dass Mums Auto fehlte, das Tom zwischendurch auch mal fuhr. Er war also abgehauen.



Verliebt in meinen besten FreundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt