Kapitel 15

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"Tom hatte einen Autounfall. Tom hatte einen Autounfall", flüsterte ich die ganze Zeit leise vor mich hin. Fassungslos. Auch irgendwie zerstreut.

Ich war bei ihm. Lief das Krankenzimmer auf und ab. Nervös. Es war alles so unwirklich. Das Piepen der ganzen Geräte, die ihn irgendwie versorgten, machte mich von Sekunde zu Sekunde unruhiger. Am liebsten hätte ich die Schläuche alle aus seinem Körper gerissen und ihn angeschrien, dass er das nicht mit mir machen kann. Ich schrie ihn sogar wirklich an, dass er mich nicht einmal für ein paar Stunden allein lassen darf. Ich brauchte ihn die letzten Tage und Wochen mehr denn je. Ich würde nicht wissen wollen, was ich ohne ihn gemacht hätte. Ich meine, er war immer da für mich. Er hatte mich vor einer Katastrophe bewahrt, als ich von Mums Tod erfahren hatte und jetzt ließ er mich hier - auch wenn nur für eine kurze Zeit - allein? Nein, das durfte er nicht.

Ich nahm seine Hand. Sie war warm und weich. Irgendwann schaute ich mich dann gelangweilt um. Zum Glück war kein Spiegel in der Nähe. Meine Augen bekam ich von den ganzen Heulattacken fast gar nicht mehr auf und mein ganzes Gesicht glühte. Ich wimmerte wieder, obwohl ich eigentlich aufhören wollte zu weinen.

Plötzlich übte eine seiner Hände Druck aus. Ich hielt sofort inne und das Piepen hörte sich noch viel lauter an, wo ich kurz mal nicht mehr schluchzte. "Tom?" quiekte ich. Seine Augen begannen zu flattern.

"Tom", wiederholte ich aufgeregt und setzte mich aufrechter. Ich sah ihn an. Er blinzelte gegen das Licht an. Seine Augen mussten sich erst an das Licht gewöhnen. Außerdem schien er nur langsam wieder richtig zu Bewusstsein zu kommen. Als er mich anschaute, legte er seine Stirn in Falten.

"Wo ist mein Bruder? Wo ist Bill?", fragte er mit gebrochener Stimme. Das war ein Stich ins Herz. Wollte er mich etwa nicht sehen?

"Den hab ich angerufen. Er müsste gleich hier sein", murmelte ich schnell und setzte mich näher zu ihm, soweit das noch möglich war. "Wie gehts dir?"

"Ich hab tierische Kopfschmerzen. Kannst du vielleicht mal den Arzt holen?"

Irgendwie war er seltsam. Aber wer war das nach einer ordentlichen Dosis Schlafmittel nicht. Ich nickte und klingelte. Irgendwer würde sich dann schon melden.

"Woran kannst du dich erinnern?", fragte ich ihn neugierig.

Er sagte lange nichts. Bei dem Versuch sich aufzusetzen scheiterte er bei einem kleinen Schmerzensschrei, den offensichtlich seine angebrochenen Rippen verursachten. Er ließ es bleiben und guckte mich irgendwie genervt an.

"Kannst du dich mal lieber kümmern, dass Bill endlich kommt?"

Der Stich ins Herz hat noch viel mehr gesessen. Es hatte meine so empfindliche Seele sogar so tief getroffen, dass ich einfach aufstand und den Raum verließ. Bill würde bestimmt jeden Moment kommen, dass ich solang draußen wartete.

Ich stand also vor der Tür und wartete. Die Schwester lief grade ins Zimmer rein, als ich den Raum verlassen hatte. Nur drei bis vier Minuten später hastete Bill mir endlich entgegen. Als er mich sah, lief er den Flur entlang bis zu mir.

"Wie geht es ihm?", überschlug er die Worte außer Atem.

"Er ist aufgewacht und will dich unbedingt sehen. Ich bleibe erstmal hier draußen", murmelte ich noch, aber da war Bill schon fast im Zimmer verschwunden. Ich schlenderte den Flur hinauf und setzte mich auf einen Stuhl.

"Oh hallo, Frau Zellermann", murmelte der Arzt, der an mir vorbeilaufen wollte. Der, der Tom betreute. Ich war überrascht, wie jung er noch war. Es war ein Gefühl, als hätte ich ihn schon einmal gesehen, obwohl das absurd ist.

"Was meinen Sie, wird es ihm schnell besser gehen?"

Er nickte zuversichtlich.

"Ihrem Freund geht es bestens. Bald schon ist er wieder raus."

Verliebt in meinen besten FreundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt