Kapitel 2

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Louisé's POV

Sirr, sirr.
Etwas vibriert neben meiner Wange. Ich kneif die Augen zusammen und greif seufzend nach meinem Handy.
Sirr, sirr.
Als ich die Augen aufschlage sieht mir ein Kerl grinsend entgegen, der sich mit der einen Hand den Mundschutz herunter zieht und in der anderen eine Spraydose hält.
"Was gibt's, Ed?"
"Wow, morgen Sonnenschein. Du hörst dich grottig an", kommt es aus den Lautsprechern.
"Danke, aber es ist noch dunkel, also steck dir dein 'Sonnenschein' sonst wohin", fauche ich ins Smartphone. Ich setz mich auf und wickel mich in meiner flauschigen nachtblauen Decke ein. Aus dem Lautsprecher vor meinen Füßen dringt Edwine's Stimme und ich seh aus dem Fenster.
"Na dann... Wie sieht's mit dem Entwurf aus? Ist er fertig?"
Hinten, weit weg am Horizont, schiebt sich die Sonne empor. Erst flutet zarte rosa Farbe den Himmel, ehe sich kräftige rote Strahlen ihren Weg bahnen.
"Louise? Bist du noch dran?"
"Ja, bin ich. Du hast grade den Moment zerstört, du Depp" Kleine Dampfschwaden tanzen vor meiner Nase und ich schließe das Fenster, das ich gestern vergessen habe zu schließen. Kein Wunder das es so kalt hier drinn ist.
"Ja gut ~ . Also du hast ihn fertig? Du weißt ja, dass ich ohne dich aufgeschmissen bin."
"Ja, der Entwurf liegt fertig auf dem Schreibtisch."
"Danke, du bist ein Schatz. Viertel vor in Werkstatt?"
"Wie immer."
"Super, bis dann!"
Er legt auf und schweren Herzens quäle ich mich aus dem Bett.
Noch vor der Schule stehe ich vor der Tür von "Herrgeman's&Co". Wie immer sitzt Thomas an einer Karre und schraubt fleißig was das Zeug hält.
"Hey Thom!", begrüße ich ihn.
Durch zwischen seine faltigen Lieder schaut er auf und grinst mich verschmitzt an.
"Morgen Louisé, besuchst du heute wieder Edwine?"
"Ja, was soll ich machen? Ohne mich kann der Junge nicht leben!", geb ich theatralisch zum Besten und verdrehe anschließend die Augen.
"Schon, ok. Ich will mich da nicht einmischen. Er ist hinten und lackiert wieder einen Wagen zusammen mit David. Das ihr Jugendlichen gleich alle so empfindlich seid." Lächelnd und Kopfschüttelnd vertieft er sich wieder in seine Arbeit und entlässt mich somit. Als ich in die kleine Lackiergarage gehe, kommt mir David entgegen und rauscht auch gleich mit den Worten
"Hi, Louis. 'Tschuldige, muss mal für kleine Männer" weiter.
Zielstrebig gehe ich auf den Schreibtisch zu und pack die Entwürfe aus. Irgendwann gesellte sich Ed zu mir.
Er trug eine lange, gemütliche Hose und ein Tanktop, dass die schweißnassen Muskeln betonte. Es wäre schwer gewesen ihm nicht zu verfallen. Er zog sich den Mundschutz vom Gesicht und stößt einen Pfif aus.
"Wow, das sind 'ne Menge"
"Die sind aber nicht alle für dich. Ich hatte bloß keine Zeit mehr, sie zu sortieren, bevor ich los musste." Meine Hände fliegen über die Blätter und teile sie in drei Stapel: 1. Lackier-Entwüfe, 2. Graffiti-Skizzen, 3. In Arbeit.
"Das heißt, du entwirst für nich jemanden, als mich?" Er klimpert mich mit Rehäuglein an und zieht eine Schnute. Darauf boxe ich ihm in die Seite. Dieser Ausdruck und sein Körper von purer Männlichkeit? Das ist einfach zu grotesk.
Ich zieh ein einzelnes Blatt aus dem Stapel und drücke es ihm in die Hand.
"Das ist der Entwurf für heute. Wo soll ich dir die anderen hintun?"
Er sieht sich flüchtig im Raum um und holt seine Tasche. Vorsichtig tut er sie alle rein. Irgendwie schade, dass er keine Entwürfe selbst macht. Edwine nennt sich selbst keinen Künstler, obwohl er unglaublich sprayen und lackieren kann. Er bevorzugt die Bezeichnung Kopist, da er nie was einges designd hat, aber das darf er Thom und David nicht sagen. Wie soll das auch bitte aussehen? Schließlich ist Ed in der Ausbildung.
"Wie viele sind es?"
"Was?", frage ich noch meinen Gedanken nachhängend.
"Wie viele Entwürfe sind es?"
"Achso, ich glaube acht oder neun"
"Gut, dann bring ich dir demnächst die Kohle vorbei."
"Ed, du musst nicht-!"
"Nein, Louise. Ich glaub, du musst auch bald mal los."
"Ja gut", seufze ich und werde noch einmal geknuddelt, ehe ich mich zur Schule auf mache.

Forever YoungWhere stories live. Discover now