Kapitel 6

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Louisè POV Part II

Wir betreten die Villa gegen 21:00.
Gerade, nachdem uns Ryane vor dem größten Gebäude der Stadt absetzt hat, kommt uns schon ein breitschultriger im Anzug entgegen.
"Einladung?", bellte er. Okaaaay, wir haben ja nicht bloß Ballkleid und Smoking an oder? Ich werfe dem Kerl einen giftigen Blick zu, während mich Ed einfach nur an seufzt -was so viel heißt wie "Komm runter, Louise"- und reicht dem Türsteher die Karte.
Ein flüchtiger Blick reicht und die Bulldogge mit seiner Dauer miese Laune Fresse winkte uns durch den wirklich kaum unübersehbaren Eingang. Das Gelände war riesen groß, fast ein ganzer Park mit unendlichen grün Flächen. Der Kiesweg zum Haus wurde links und rechts von Bodenlampen erleuchtet. Die Bulldogge zeigt einmal auf das Haus und verschwindet dann wortlos, um die nächsten Gäste anzugaffen.
"Wollen wir?"
Mit angewinkelt Arm und leichter Verbeugung bietet Ed mir an mich bei ihm ein zu hacken. Ein merkwürdiges Kribbeln macht sich in meiner Bauch gegend breit. Ich fühl mich seit dem "Vorfall" auf seinem Bett merkwürdig, falsch, wenn ich neben ihm steh. Dabei hab ich keinen Grund zu, wir sind nur beste Freunde. Nickend nehme ich an und wir gehen den Kiesweg hoch zur Villa. Ich starre nur auf meine Füße und wir schweigen, da wir ohne uns abzusprechen wissen, dass wir gleich keine Ruhe haben werden. Die kühle Nachtluft vertreibt mein "falsches" Gefühl und ich trau mich in sein Gesicht zu sehen. Er scheint es nicht zu bemerken und starrt weiter gerade aus. Das warme Licht der Bodenbeleuchtung taucht sein Gesicht in ein Spiel aus Farbe und Schatten. Ich habe immer gewusst, dass Ed zu der besser ausehenden Sorte Mann gehörte, aber die Schatten stellen seine markanten männlichen Gesichtszüge heraus und mir wird bewusst was ich all die Jahre ausgeblendet habe:
Ich bin mit einem ultra heißen Typen befreundet.
Zudem bin ich siebzehn und er zwanzig.
Eine Hand umfasst meine auf Eds Armbeuge. Er dreht sein Gesicht zu mir und bleibt stehen.
Schon wieder ist da dieser besitzergreifende Blick in seinen grauen Sturm Augen.
"Louise, du musst wissen..." der Griff um meine Hand wird fester. Er beugt sich tiefer zu mir herab, sodass sein Gesicht kurz vor meinem schwebt und ich spüre seinem Atem auf meiner Wange. Damn Shit. Das merkwürdige Gefühl ist wieder da. Bitte, Ed. Mach unsere Freundschaft nicht kaputt. Bitte, Ed, nicht.
"Du musst wissen, dass ich-"
Ein Ruf hinter uns zerreißt den Moment. Ich sehe Ed enttäuschtes Gesicht und irgendwie spüre ich auch in meinem Bauch ein kleines Seufzen. Bin ich enttäuscht dass er mich nicht geküsst hat? Das ist doch hirnrissig!
Und wieder tanzen mir unglaubliche blaue Augen vor meinem: Chris.
Ein Typ im Smoking und einer kleinen Asiatin im roten eng anliegenden Kleid, das sich auf ihr sehen lassen kann, kommen den Kieselweg hoch.
"Man Ed, lang nicht gesehen." Die Kerle drücken sich kurz einmal, was wohl umarmen bei Jungs darstellen soll und fangen sich an zu unterhalten.
"Ähm. Hi", versuche ich ein Gespräch mit dem Mädchen anzufangen. Sie scheint älter als ich zu sein.
"Bist du auch aus Eds Jahrgang?"
Sie nickt. Wow, was für eine Konversation.
"Mein Name ist Naomi, du musst Louise sein. Ed hat uns schon von dir erzählt. Der arme Junge wäre total aufgeschmissen ohne dich."
Jaaa gut, ich nehm's zurück. Sie ist ein Wasserfall. Aber ein sehr, sehr netter Wasserfall.
"Äh... ja also Ed hat von mir erzählt?"
Naja neugierig darf man doch sein. Naomis Augen blitzen freudig auf, sie wirft dramatisch ihr Haar zurück und beugt sich vor. "Er ist so richtig süß, wenn er von dir erzählt. Aber dass er süß ist weißt du bestimmt eh schon. Er meinte, er könnte nichts anderes zeichnen als dich, bevor ihr ein Paar wurdet. Und diese Zeichnungen sind mega. Ich hab' schon ein, zwei gesehen. Das jeder Tag, an dem er dein Lächeln sehen kann, unbezahlbar für ihn ist." Sie kichert und ich mit. Was für ein verlogener Schisser er ist. Lügt seinen Freunden vor und stellt die Schnulze schlecht hin dar. Plötzlich wird Naomi todernst. Ihre Augen sind bedrohlich dunkel und ihr Gesicht ist mir so nah, dass ich Angst bekomme, dass sie mir gleich in die Wange beißt.
"Wehe, du brichst ihm das Herz.
Ich hab meine Kontakte."
Ich schrecke zwei Schritte zurück. Naomi bricht in schallendes Gelächter aus und stemmt die Hände in die Hüften.
Als sie sich dann einigermaßen wieder einkriegt, flüstert sie mir ins Ohr:
"Nein, bitte brich ihm nicht das Herz. Er ist ein sehr guter Freund von mir. Du hast ihm immer noch nicht gesagt, ob und wo du studieren willst. Er sagte, er will dir damit nicht im Weg stehen, aber bitte lass ihn nicht zappeln. Es zerreißt ihn."
Ich hol tief Luft. Bis eben fand ich das alles noch witzig, aber... ich habe Ed wirklich nie erzählt, wo ich studieren will. Ich dachte immer es interessiert ihn nicht. Naomie sieht meine großen Augen.
"Ja, Ed ist viel zarter als du manchal denkst. Vergiss das nicht."
Sie dreht sich zu den Jungs und reibt sich über die Arme.
"So ihr Knackärsche, lasst uns reingehen. Mir wird kalt!"
Wir hacken uns wieder bei unseren Partnern ein und gehen zur Eingangstür aus der Musik dröhnt.
Die Tür schwingt auf und mir weht der Geruch von heißer Schokolade entgegen. Die Halle ist voller Menschen an den Wänden hängen Luftballons und Banner mit einem Schulwappen. Hier drinnen sieht es aus eher wie auf einem Abschlussball als es einem "schnöseligen Großkotz" (Zitat Ed) gerecht wird. In der einen Ecke werden Fotos gemacht, auf der riesigen Tanzfläche wird schon wie wild mit den Gliedmaßen gezuckt und einige bedienen sich munter am Buffet oder quatschen mit alten Bekannten in einer gigantischen Sofaecke. Anscheinend ist die Party schon längst am Laufen. Auf einmal spüre ich Ed Hand an meinem Rücken. "Wollen wir tanzen?"
Mit der anderen Hand greift er grinsend nach meiner und zieht mich eng an sich in die mitte des Saals. Seine Berührungen hinterlassen ein Kribbeln, das mich perplex macht. Ich sehe ihm entgeistert entgegen als ich einen zarten Kuss auf meiner Wange spüre. Seine kleinen Bartstoppeln kratzen angenehm auf meiner Haut und ich spüre wie die Röte mir ins Gesicht schießt. Dann wirbelt er mich plötzlich an einer Hand herum, er lacht ein schönes warmes Lachen und es bereitet mir eine Gänsehaut. Ich seh Naomi am Rand der Tanzfläche stehen, die mit zusammen gefalteten Händen verträumt und entgegen schaut. Da fällt mir ein das alles nur Show. Er tut nur so als sei in mich verliebt. Das merkwürdige Gefühl verschwindet.
Als er mich nach der Drehung zurück in seine Arme zieht, kuschelige ich mich ganz eng an seine Brust. Und als ob es der Zufall so wollte, beginnt jetzt "Thinking out loud" von Ed Sheeren zu spielen. Ich seh ihm in die Augen und deute mit dem Kinn auf Naomi. Der Schalk in seinen Augen verrät mir, dass wir dieselbe Idee haben. Wir wirbeln auf der Tanzfläche hin und her und zeigen diesem Tanz alles was wir damals in der Tanzschule gelernt haben. Ein Jahr vor Ed's Abschluss schickten ihn seine Eltern zwangsweise dorthin, damit er mal ordentliches Tanzen lerne. Mich hat der Vollidiot gleich mit geschleppt. Eigentlich hatte es ja auch Spaß gemacht, sodass wir auch einen Fortgeschrittenen Kurs belegt haben. Leider haben wir nach seinem Abschluss aufgehört, weil er sich nun mehr auf seinen Job konzentrieren muss.
Immer mehr Leute weichen vor unseren Tanzkünsten zurück und gesellen sich an den Rand, der langsam ziemlich voll wird. Als dann die letzten Noten ausklingen lande ich in Edwines Armen. Plötzlich lagen Lippen auf meinen und eingewaltiger Applaus begleitet von hohen Pfiffen und kreischenden Mädchen bricht aus. Der Kuss ist zart, weich, vorsichtig. Ich bewege ebenfalls vorsichtig meine Lippen und da sind sie auf einmal Weg.
Der Applaus dringt auf einmal lauter an meine Ohren, als sei ich gerade aus einem Tagtraum aufgewacht.
Ed winkt und gemeinsam verbeugen wir uns vor der Menge.Ganz vorne Naomi. Sie ist total auf dem Häuschen. Diese kommt angelaufen und umarmt mich erstmal. Ok Mädchen, ich kenne dich gerade mal seit zwanzig Minuten.
"Wow, warum könnt ihr so toll tanzen?", fragt sie.
"Lange Geschichte, wollen wir uns dafür nicht hinsetzen?"
Ich führe uns zwei zur Sofaecke und lasse Ed mit Naomis Begleitung allein. Ich brauche kurz Abstand. Die ganze Gefühlstour an einem Tag ist zu viel. Dabei will ich diese Gefühle nicht. Ed bitte, lass das alles nur Schauspiel sein!
Ich erzähle Naomi alles im Detail und ziehe die Geschichte unnötig in die Länge, um weniger bei Edwine sein zu müssen. Später ist unvermeidlich das wir gemeinsam Essen, Tanzen und auch Fotos mit den anderen machen. An sich ein schöner Abend, an dem ich viel Spaß gehabt hätte. Aber etwas neues ist zwischen Ed und mir. Das merkwürdige Gefühl bildet eine Mauer zwischen uns. Ich sehe das Ed reden will, aber ich weiche dem mit irgendwas wieder aus. Entweder ist da gerade ein Lied, zu dem ich unbedingt tanzen muss, oder ich habe Hunger oder auf's Klo. Irgendwann kann ich ihm aber nicht mehr ausweichen.
"Louise, können wir kurz raus?"
Ich nicke stumm.
Die kühle Nachtluft umgibt uns, die Bodenbeleuchtung tut wieder ihr Übriges und verzaubert die Grünanlage. Wir gehen bis zum Eingang. Der Türsteher hat anscheinend Feierabend. Wir stehen vor dem Tor schweigend.
"Louise?"
"Hmmm?"
"Was hast du gedacht, als ich dich geküsst habe?"
Ich laufe rot an.
"Nichts! Ich weiß doch das alles nur Show ist. Also ist schon nichts schlimmes bei...", beeile ich mich zu sagen und verstumme in unverständlichem Gemurmel. Ich sehe zu Boden und höre wie das Kies vor meinen Füßen knirscht. Zwei Finger heben vorsichtig mein Kinn an, sodass ich direkt in seine Augen sehen muss. Seine Augen sind so ungewohnt dunkel, was mir Angst macht.
"Aber es war doch dein erster Kuss?" Sein Gesicht kommt meinem immer näher und ich nehme den scharfen Geruch von Alkohol wahr. "Du musst doch enttäuscht sein, dass es so ein lahmer Kuss war"
Er beugt sich runter um mich zu küssen, aber ich scheuer ihm kräftig eine.
"Du bist betrunken", fauche ich ihn an und versuch nicht in Tränen auszubrechen. Das ist zu viel. Ich hätte einfach nach Hause gehen sollen und dort in meine Decke eingekuschelt Heilig Abend verbringen sollen. Wie sonst jedes Jahr. Allein, für mich.
Ich dreh mich auf dem Absatz um und renne die Straßen runter. Ich weiß, Dramaqueen, aber ich wusste mir einfach nicht anders zu helfen. Hinter mir höre ich Eds Rufe, aber ich laufe nur immer schneller. Irgendwann verklingt seine Stimme, ich habe ihn abgehängt. Ich gehe ziellos durch die Straßen. Jetzt wo ich abgehauen bin, wäre ich doch gerne lieber ins Gebäude gelaufen. Draußen ist es kalt und Schnee säumt die Straßen.
Gerade als ich an einem Geschwisterhaus vorbei gehe, sehe ich wie eine rote Gestallt aus der Garage kommt. Entsetzt springe ich zurück:
Oh mein Gott! Santa! Der Santa bemerkt auch mich und mustert mich skeptisch von oben bis unten so wie ich ihn. Er ist groß, schlank, hat eine athletische Statur.
"Was machst du hier?",nuschelt der Santa unter seinem fake Bart. Ich bin mir nicht sicher aber ich glaube blaue Augen im fahlen Licht der Laterne zu erkennen.
"Was geht dich das an?", gifte ich ihn an. "Wollt nur wissen, warum Cinderella am Heilig Abend so einsam durch die Gegend läuft", gibt er entspannt zurück.
"Und warum steht Santa draußen in der Kälte, musstest du gerade die Garage ausräumen?"
"Nein, ich hab die Geschenke für meine Geschwister geholt. Du könntest ehrlich mal netter sein, Louise." Er zieht sich den Fake Bart unter das Kinn und braune Haare, blaue Augen und ein vertrautes Gesicht erkenne ich wieder. Wie peinlich. Ich werde schlagartig rot. Es ist Chris.
"Äh... Sorry Chris, heut ist ehrlich nicht mein Tag. Du musst aber zu geben, dass du auf offener Straße gruselig aussiehst!", verteidige ich mich.
"Und du bist in deinem Kleid für jeden Perversling eine willkommene Einladung. Also was ist passiert?", fragt er und sein Gesicht drückt Besorgnis aus. In dem Moment kommt Ed um die Ecke gerannt. "Louise...*keuch*...da bist du ja...*keuch*...es tut mir leid. Ich...", verucht Ed atemlos zu sprechen, dann fällt sein Blick aber auf Ed und sein versöhnlicher Gesichtsausdruck wird zornig. Chris stellt sich schützend vor mich. Idiot, Chris behandelt mich immer noch wie seine kleine Schwester. Dabei weiß er doch, dass ich anders fühle. Ich schiebe Chris vorsichtig beiseite und gehe die zur Straße aus der Ed grade gekommen ist, während sich die Jungs feindselig mustern.
"Frohe Weihnachten, Chris. Ed? Kommst du?"
Ich gehen um die Ecke und warte auf Ed der einen Moment später in mich hinein läuft. Trotzdem dreh ich mich nicht um. Er schling seine Arme um mich und stützt seinen Kopf auf meine Schulter.
"Louise, es tut mir leid. Ich hätte das nicht tun und niemals so etwas sagen sollen. Verzeihst du mir?"
Ich bleine stumm, aber nicke. Es ist Ed. Ich kann ihm nicht böse sein, dass würde mir mehr als ihm weh tun.
"Versprichst du mir-", krächze ich, da meine Stimme zu schwach ist um normal zu sprechen,"- das alles auf der Party nur gespielt war?"
Er schweigt. Er nickt auch nicht. Ich dreh mich zu ihm um in seinem Gesicht zu lesen und löse mich aus seiner Umarmung. Aber er sieht mit Absicht weg und hält meine Hand fest.
"Ich glaub, wir sollten für heute nach Hause gehen."

Forever YoungWhere stories live. Discover now