musiktipp: besser jetzt als spät - ahzumjot
Schwungvoll fuhr ich ein letztes Mal mit der Bürste meiner Mascara meine Wimpern nach und legte diese dann zur Seite. Einen Moment betrachtete ich mich im großen Spiegel vor mir und schenkte mir selbst ein zufriedenes Lächeln. Meine hell blonden Haaren fielen glatt und fein nach unten, während ich sie über meinem linken Ohr leicht eingeflochten hatte. Das leicht aufgetragene Rouge ließ meine Haut rein wirken und meine blau-grünen Augen, die von schwarz getuschten Wimpern gesäumt waren, strahlen.
Ein leises Klopfern an meiner Zimmertür unterbrach meine Gedanken und ich drehte mich mit einem freundlichen "Herein!" zu der Geräuschquelle.
Anna tauchte im Türrahmen auf und grinste mich mit ihren strahlend weißen Zähnen an. "Bereit?"
"Ja, bin sofort fertig", antwortete ich und schnappte mir die Bomber-Jacke, die auf meinem großen Bett lag. Ein letztes Mal betrachtete ich mich im Spiegel und folgte Anna dann aus unserer Wohnung.
Da wir zum Glück direkt in der Innenstadt wohnten, war es ein Leichtes, eben zu Fuß zur Bar zu laufen. Anna und ich hatten unsere Arme miteinander verhakt und gaben uns gegenseitig Halt, wofür sie mir mehr als dankbar war, da sie mit ihren Absätzen des Öfteren fast umgeknickt wäre. Es war aber auch äußert schwierig, mit hohen Schuhen auf Kopfsteinpflaster zu laufen. Da ich sowieso wusste, dass ich es nicht den ganzen Abend auf hohen Absätzen aushalten würde, hatte ich gar nicht lange überlegt und direkt meine klassischen Vans angezogen. Manchmal war Funktion eben doch wichtiger als Aussehen.
Schon vom Weiten konnten wir im gelben Licht der Straßenlaternen eine kleine Gruppe von Leuten ausmachen, die vor dem Club darauf warteten, reingelassen zu werden. Als wir uns näherten kam uns Jorge entgegen, den wir hier treffen wollten. Anna ließ mich los, um ihre Arme um Jorges Schultern zu legen und seinen Begrüssungskuss zu erwidern.
Etwas peinlich berührt stand ich daneben und senkte meinen Blick auf den Boden vor mir, da ich die beiden nicht anstarren wollte. Natürlich freute ich mich für das glückliche Paar, aber dieser öffentliche Austausch von Zärtlichkeiten war mir schon immer unangenehm gewesen und im Moment fühlte ich mich echt fehl am Platz.
Nach einigen Sekunden ließen die beiden aber wieder voneinander ab und Jorges Blick wanderte zu mir. "Hey, Teresa! Alles klar?", begrüßte er mich und umarmte mich mit einem Arm, ohne jedoch mit dem anderen Annas Hand loszulassen. Ich legte ebenfalls einen Arm um seinen Oberkörper und lächelte ihn dann an.
Nachdem wir noch ein bisschen geredet hatten, machten wir uns auf zu dem Eingang der Bar. Allerdings stellten wir uns nicht wie erwartet an der Schlange an, sondern folgten Jorge direkt zu dem Türsteher.
"Jorge! Endlich sieht man sich mal wieder", begrüßte dieser ihn mit einem Handschlag. Seine ernste Miene änderte sich zwar nicht, aber die beiden schienen irgendwie befreundet zu sein.
"Hey, Frank! Ist echt schon wieder lange her, was?" Neben dem gut gebauten Türsteher wirkte Jorge echt wie ein Lauch, was mich amüsierte. Das Zitat "breiter als der Türsteher" war hier definitiv angebracht.
"Besser spät als nie", meinte Frank und ließ den Blick über uns schweifen, während seine Lippen die Andeutung eines Lächelns zeigten.
"Besser jetzt als spät", erwiderte Jorge mit einem Grinsen, woraufhin Frank zur Seite trat und uns mit einem "Viel Spaß!" durch winkte.
Nachdem wir unsere Jacken an der Garderobe abgegeben und durch einen kleinen Gang in den großen Bar-Raum getreten waren, staunte ich nicht schlecht. Dieser Raum war die perfekte Mischung aus Bar und Club. Fast die komplette linke Wand bestand aus einer Bar, vor der unzählige Barhocker standen, von denen die meisten bereits von feiernden Leuten besetzt waren. Davor stand eine weitere Reihe an höheren Tischen mit Hockern, von denen man einen perfekten Ausblick auf die Tanzfläche, die sich auf der rechten Seite und mit ein paar Treppenstufen nach unten zugänglich befand. Zu der frühen Stunde war hier allerdings noch nichts los und auch hinter dem DJ-Pult an der rechten Wand befand sich noch niemand.
Mein Blick wanderte zur Decke, wo ich fasziniert die vielen Lichter und blinkenden Installationen betrachtete, die einem Sternenhimmel glichen. Ich war so abgelenkt, dass ich erst nach ein paar Sekunden bemerkte, dass Jorge und Anna weitergelaufen waren. Schnell folgte ich ihnen zur Bar, wo Jorge gerade jemanden begrüßte. Kannte er hier eigentlich jeden?
"Das ist meine Freundin Anna", erzählte Jorge gerade, als ich dazu kam und mich neben Anna auf dem Barstuhl niederließ, "und das ist Teresa, ihre beste Freundin."
Ich hob meinen Blick und begegnete ungeschützt den stechenden blau-grauen Augen des Barkeepers. Er nickte uns einmal zu, wandte seinen Blick allerdings nicht von meinen Augen ab. Für eine Weile sagte keiner von uns etwas, während wir diesen Moment teilten. Ich merkte, wie ein kalter Schauder meinen Rücken hinablief und ich leicht erzitterte.
"Ist ja echt ganz schön voll hier", meinte Jorge und endlich wandte der mysteriöse Barman seine Augen ab. Erst jetzt merkte ich, dass ich scheinbar eben die Luft angehalten hatte, da ich sie nun schlagartig ausstieß und tief einatmete. Auch meine Gedanken hatte ich erst jetzt wieder unter Kontrolle, da mir nun auffiel, dass er uns nicht mal seinen Namen mitgeteilt hatte.
"Du warst schon lange nicht mehr da", antwortete der Bartyp Jorge mit einem Schulterzucken. Seine Stimme war durch die Musik und die vielen Gespräche um uns herum kaum zu hören, trotzdem stach sie aufgrund ihrer Tiefe und Selbstsicherheit heraus.
"Hatte anderes zu tun", meinte Jorge mit einem Grinsen und zwinkerte Anna zu, die nun leise kicherte und sich gegen seine Schulter lehnte. Im Mundwinkel des Barkeepers bildete sich ein kleines Grinsen und er zog seine Augenbrauen ein Stück hoch, während er Jorge bewundernd zunickte.
Dann schaute er noch einmal in die Runde und fragte: "Was darf ich euch anbieten?"
"Einen Vodka-O für die reizende Dame und für mich bitte ein großes Bier", bestellte Jorge für Anna und sich, was mit einem Nicken abgetan wurde.
Dann legte sich der stechende Blick erneut auf mich und er schaute mich erwartungsvoll an. Mein Kehle fühlte sich plötzlich zugeschnürt an und ich musste erst einmal schlucken bevor ich fast tonlos antwortete: "Eine Cola, bitte."
"Mit Vodka, Gin oder Bier?"
Verwirrt antwortete ich: "Nein, nur Cola."
"Eine Virgin Cola für Mutter Teresa also."

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traumrealität. | palo
FanfictionJeder Mensch hat Träume. Zwar können sich einige am nächsten Morgen nicht mehr an sie erinnern, aber jeder hat dort in dieser kleinen Kammer in seinem Herzen etwas, nach dem er sich sehnt. Manchmal sind es unerreichbare, riesige Illusionen, aber man...