1. Verfolgung

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Panisch rannte ich die Straßen hinunter. Ich spürte breit den heißen Atem meiner Verfolger im Nacken. Ich sprang über Zäune und sogar kleineren Gebäuden.

Mich verließ allmählich meine Kondition. Also suchte ich Schutz in der nächsten Seitengasse. Es roch nach Exkrementen und Schlimmeren. Ich holte immer wieder tief Luft. Meine Brust bebte unaufhaltsam.

Plötzlich nahm ich eine Gestalt wahr. Sie stand am Eingang der Gasse und wartete. Geradewegs war der Blick auf mich gerichtet - doch er kam nicht näher.

„Benötigen Sie Hilfe, M'Lady?" Seine Stimme war sanft und zart, wie ein Vogel der die Morgensonne begrüßte. Doch auch tief, wie sie nur von einem Mann kommen könnte.

„Vielen Dank, Sir, doch ich lehne ab. Meine Probleme sollen nicht noch mehr Menschen treffen."

Er zuckte mit den Schultern, doch trat keinen Schritt fort. Sekunden schauten wir uns aufmerksam an.

„Kann ich Ihnen denn behilflich sein?"

„Nett, dass sie fragen. Es wäre nur höflich, wenn sie meine Hilfe annehmen würden. Sonst sehe ich keinen Ausweg aus ihrem "Problem"." Dabei betonte er das Wort 'Problem' sehr deutlich.

Wütend trat ich einige Schritte auf ihn zu. Seine braunen Augen schienen im Mondschein zu funkeln. Ich konnte 2 Narben ausmachen. Eine über seinem rechten Auge und die andere auf seiner linken Wange. Sein 3-Tage-Bart und ein gepflegter Hut unterstrichen seinen Auftritt perfekt.

„Was bilden Sie sich eigentlich ein, Bürschchen? Was denken Sie, wer Sie sind? Mein Retter in Not? Wohl kaum. Ich kann auf mich selber aufpassen!"

„Achja?", seine Stimme klang amüsiert, „War es wirklich so schlau diese Worte durch die Straße zu schreien. Immerhin sind nun 3 Husaren auf dem Weg zu uns."

Erneut verdrehte ich die Augen.

„Wollen Sie mir drohen?", ich trat nun auch den letzten Schritt vor. Unsere Körper trennten nur noch Millimeter. Er war ein ganzen Stück größer als ich. Doch Angst hatte ich keine.

„Es war nur eine Feststellung, M'Lady. Aber seht doch selbst, wenn ihr mir keinen Glauben schenken wollt." Er trat einen Schritt zur Seite und öffnete mir den Blick auf die schlecht beleuchtete Straße Londons.

Es war wie er sagte - 3 Soldaten direkt zu uns laufend, ohne halt und mit gezückter Waffe.

Entsetzt schaute ich zu ihm auf. Triumphierend hob er eine Augenbraue.

„Na?!..."

„Gut, helfen sie mir."

„Wissen Sie. Mir ist gerade die Lust daran vergangen. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Vielleicht sieht man sich wieder."

Er zog seinen Hut, verbeugte sich und bewegte sich kein bisschen.

„Gott verdammt." Ich drehte mich von ihm weg und setzte zum Laufen an.

Plötzlich umgriff etwas meine Taille, woraufhin ich schlagartig in die Luft gezogen wurde.

Erst auf dem Dach angekommen begriff ich die gesamte Situation. Der mysteriöse Mann schenkte mir das Leben.

„Sie sehen leichter aus, als sie wirklich sind."

„Charmant, Mister. Sehr charmant." Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln. „Habt dankt, mein Edelster." Nun verbeugte ich mich vor ihm.

Ich setzte erneut zum nächsten Schritt an.

„Wo wollen Sie hin?"

„Eine alte Bekannte erwartet meinen Besuch. Ich muss mich beeilen wenn ich sie noch heute erreichen will."

Ein schiefes Lächeln zierte sein Gesicht. Es könnte einen verrückt machen, doch ich hatte mich gut im Griff.

„Darf ich wissen, wer ihre Bekanntschaft ist?"

„Evie Frye." Das Lächeln wurde tiefer. Doch warum verstand ich nicht.

RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt