12. Pearl Attaway

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Seit meinen Worten hatten wir kein Wort miteinander gewechselt. Mittlerweile war dies 2 Wochen her. Er tat alles, um seine Rooks zu stärken. Evie verbrachte ihre Zeit am liebsten mit Mister Green. Und ich? Ich saß alleine im Zug. Nächtelang konnte ich schon nicht schlafen. Albträume plagten mich. Es zerriss mich. Langsam aber sicher.

Wieder saß ich hier, an dem gleichen Schreibtisch bis tief in die Nacht - suchend nach antworten. Und doch blieb alles wie es war. Weiteres konnte ich auch nicht tun, hoffentlich würde sich dies bald ändern.

Plötzlich öffnete sich die Tür. Jacob trat aus den Schlafräumen zu mir. Wie jeden Abend, bevor er schlafen ging, küsste er meinen Kopf. Mehr nicht. Doch dieses Mal ging er hinaus satt hinein.

„Noch was vor zu dieser späten Stunde?", sprang ich endlich über meinen Schatten. Sichtlich überrascht kam er auf mich zu.

„Ja. Ein Treffen mit einer Frau steht an. Ich wollte dich später damit überraschen. Willst du aber mitkommen?"

„Was und wie viel weiß sie?"

„Eine Menge hoffe ich. Sie könnte eine Unterstützung für uns sein." Ich drehte mich zu ihm. „Wenn du jedoch wichtigeres zu tun hast..."

„Wäre nett, wenn ich dabei sein dürfte."

Er machte Platz und ließ mich durch die Tür treten. Wir traten gemeinsam in die kalte Abenddämmerung hinaus. Er führte mich zu einer Kutsche und ließ mich als Beifahrerin aufsetzen.

„Du siehst toll aus.", versuchte er das Gespräch aufrecht zu halten. Mein Blick war verwundert. Ich wusste er meinte es nur gut, doch ich merkte noch immer, dass seine Schuldgefühle ihn zerfraßen.

„Danke. Ich fühle mich auch wieder so."

„Das ist schön so."

„Und wer weiß. Vielleicht bleibt eine Narbe." Ich versuchte ihm ein Lachen zu entlocken. Doch anders als erwarten schien er die Anspielung nicht verstanden zu haben.

„Willst du etwas damit sagen?"

„Ach...nein. Ich wollte eigentlich nur... ich habe nichts gesagt. Lass uns nicht weiter reden."

„Livia, ich meine es erst. Was willst du damit sagen? Sag mir jetzt bitte nicht, dass du es 'toll' findest?"

Verlegen wandte ich mich von ihm ab. Ich schaute in die dunkle Nacht der Stadt. In solch einer Nacht hatte alles begonnen. Und jetzt? Saßen wir, beide von sich selbst enttäuscht und nach Worten suchend, nebeneinander. Er begann zu lachen.

„Du bist unverwechselbar." Seine Stimme war tief und ruhig. Ich vermisste sie ungemein.

„Denkst du nicht, dass viele Frauen nur deswegen mit dir geschlafen haben?" Mein Blick hing auf ihm.

„Warum sollten sie? Mein Charakter ist schon perfekt genug." Sein Kopf schwankte zu mir. Selbstsicher wie eh und je begann er zu grinsen. Ich begann zu lachen. Unkontrolliert und laut, sodass ich fast von der Kutsche fiel. Er hielt mich an meiner Hand fest und schaute verwundert auf mich. „Das war kein Scherz."

Ich wischte Tränen aus meinem Gesicht.

„Du bist einzigartig! Danke für die Abwechslung. Das war auch der Grund, warum ich mit dir geschlafen habe."

Als ich verstand, was ich gesagt hatte, hörte mein Lachen sofort auf. Ich fühlte den Schmerz. Ich mochte ihn, doch meine Gefühle beeinflussten die Mission und das durfte nicht sein.

„Es beschäftigt dich noch immer." Ich zuckte mir den Schultern. „Wir reden später weiter. Wir sind angekommen."

Eine blonde Frau im pinken Kleid stand vor dem brennenden Wrack ihrer Kutsche. Jacob ging vor, ich direkt hinter ihm. Die Frau erblickte uns. Sie kam mir bekannt vor, als hätte ich sie bereits treffen dürfen. Doch es fiel mir nicht ein. Während Jacob mit ihr zu reden begann, dachte ich anstrengend über ihre Bekanntschaft nach.

„Und Sie sind?"

„Livia Arthur.", gab ich verträumt von mir.

„Angenehm junge Dame." Sie begann zu lächeln. Ich bekam nur die Hälfte ihres Gespräches mit, doch an der wichtigsten Stelle setzte mein Gehör erneut ein.

„Miss Attaway..."

„Bitte, nenne mich Pearl."

„Woooah...", unterbrach ich die Beiden flirtenden, „Pearl!"

Ich fuhr meine Klinge aus und holte aus. Jacob hielt meinen Arm zurück und drehte mich von ihr weg.

„Was soll der Mist? Willst du wirklich alles ruinieren?"

„Alles? Jacob, sie steckt mit Starrick unter einer Decke."

„Was? Wovon redest du? Sie will ihn zerstören. Sie wird uns eine Hilfe sein."

„Bist du wirklich so auf Frauen fixiert?"

„Das habe ich nicht gehört. Verdammt, Livia."

„Ich schwöre es dir. Ich hatte ein Treffen mit Starrick und sie war dabei. Unscheinbar und immer unauffällig im Hintergrund."

„Du hast was gemacht?"

„Das war vor alle dem. Aber bitte, Jacob du musst mir glauben!", ich flehte ihn mit betenden Händen an.

„Ich hätte dich im Zug lassen sollen." Tränen schossen mir in die Augen. Hatte er das wirklich gesagt?

„Brauchst du nicht. Ich finde alleine zurück. Viel Spaß euch noch. Danke für dein Vertrauen!", brüllte ich ihm entgegen und ging meinen Weg.

„Gott sei dank ist die endlich weg. Was ist nur in sie gefahren?"

„Wenn ich das nur wüsste."

Pearl brachte schließlich das Fass zum überlaufen. „Vielleicht ist sie einfach eifersüchtig."

„Ich kann euch hören, ihr braucht nicht zu schreien.", rief ich ihnen im Gehen hinterher.

Wütend rannte ich durch die Straßen der Stadt, bis mich meine Füße nicht weiter tragen konnten. Ich schrie, schrie laut zu Himmel auf. Mein Blick hing auf den Sternen der Nacht.

Minuten vergangen, bis ich mich wieder fing und meinen Weg fortsetzte. Es war alles vorbei. Ich verlor erneut das wichtigste. Es war nicht Starrick, der alles zerstörte, es war alleine meine schuld. Ich machte die Menschen zu denen, die sie sind. Es lag an mir alle dem ein Ende zu setzten. Diesmal musste ich ihn alleine begehen.

Erst jetzt bemerkte ich, dass ich bereits den Zug erreicht hatte. Wie konnte es so weit nur kommen? Ich betrat den Zug und sah Evie besorgt am Tisch sitzend. Als sie mich sah, kam sie auf mich zu und umarmte mich. Ich zog sie in meine Arme und drückte sie fest an mich.

„Wo ist Jacob?", fragte sie noch immer in meinen Armen gefangen.

Ich schüttelte leicht den Kopf.

„Er läuft in sein eigenes verderben."

„Passiert das nicht oft genug?", ihr Lachen konnte nicht auf mich überspringen.

Ich ließ von ihr ab und ging Richtung Schlafräume.

„Sei froh, wenn er keinen Mist mit ihr baut."

„Mit wem?" Schon verschwand ich in meinem Abteil mit verschlossener Tür.

Ohne zu zögern legte ich mich in mein Bett und versuchte zu schlafen. Ich hoffte auf ein Wunder, diesmal blieb es jedoch aus.


RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt