26. Die Erlösung

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„Was hast du vor?"



Evies Stimme klang noch niemals zuvor so misstrauisch. Sie spürte meine Entschlossenheit. Meinen Willen.



„Ich werde einem alten Freund einen Besuch abstatten."



„Von wem sprichst du?"



Ich eilte zur Tür.



„Ich hab' keine Zeit für Erklärungen. Es ist etwas Wichtiges. Vielleicht sogar das Wichtigste in meinem Leben."



Ich hielt einen Moment inne. Dachte über die Situation nach. Es fiel mir schwer meine alte Freundin in Ungewissheit leben zu lassen. Doch ich bekam meine Chance.



Ich machte kehrt und ging auf sie zu. Ich zog sie in eine tiefe Umarmung. Sie erwiderte sie nach kurzem Zögern. Erst Sekunden später ließen wir voneinander ab. Ich nahm ihr Gesicht zwischen meine Hände.



„Bete um ein Wiedersehen."



Ich drehte mich langsam von ihr weg und wollte meinen ersten Schritt machen. Geradewegs lief ich in die Brust ihres Bruders.



„Du hast nicht vor, dich einer Gefahr auszusetzen, oder?" Seine Worte zogen sich wie ein Blitz durch meinen Körper.



Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Doch ich wollte ihn unmöglich dort hineinziehen.



„Ich habe einen Hinweis erhalten. Ich muss sofort los."



Ich machte einen Satz um ihn und verließ den Zug. Am Ausgang des Bahnhofes stellte sich mir Jacob in den Weg. Völlig außer Atem stellte er mich erneut zur Rede.



„Was genau hast du vor?"



„Meiner Mission Folge leisten. Es wird vermutlich meine bedeutendste sein."



„Weißt du wo Starrick steckt?"



„Nein... Jacob ich habe keine Zeit für deine Spielchen. Wir sehen uns beim nächsten Treffen."



„Was ist, wenn dies unser letztes Treffen ist?"



„Hoffe auf ein Wiedersehen. Wenn nicht, bete für meine Seele." Ich küsste ihn fest umschlungen. „Es wird in jedem Fall eine Erlösung sein."



Ich schenkte ihm zum Abschluss ein letztes Lächeln. Er tat es mir gleich. Dann verschwand ich in der Abendsonne.



Es war eine Lüge. Ich wusste, wo Starrick war. Ich wollte nur zu ihm. Zu ihm ganz alleine.



-



Ich schlich zum offenen Dachfenster. Ich wusste, dass es ein Hinterhalt war. Aber das war mein Moment. Der Augenblick, für den ich solange gekämpft und gewartet habe. Sieg oder Tod. Egal, wie es ausgehen wird, ich hatte alles vorbereitet. Vorbereitung ist alles.



Ich sah ihn sofort. Diesen Mann kann man einfach nicht übersehen. Er starrte aus dem Fenster auf die verregneten Straßen Londons. Der Hass in mir wurde binnen weniger Sekunden größer als jemals zuvor. Es fiel schwer, die Kontrolle zu behalten, und ihm nicht direkt ein Messer ins Herz zu rammen. Doch ich wollte Antworten. Antworten auf viel zu viele Fragen. Zu lange sind sie schon in meinem Kopf. Zerstören und foltern mich.



Ich sprang in den Saal zu ihm herab. Er hatte mich erwartet. Was auch sonst? Er machte keine Anstalten, sich zu mir zu drehen, sondern blieb ruhig am Fenster stehen und sprach zu mir.



„Wie komme ich zu der Ehre, Miss Arthur?"



„Ich will nur Reden, Crowford." Meine Stimme blieb wie erhofft tief. Ich wollte ihm keine Angst, Nervosität oder sonst irgendwas zeigen.

RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt