23. Devil's Acre

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„Hast du den Plan verstanden, Jacob?" Sein Gesicht war von mir abgewandt. Er hatte nicht die Absicht, mir zuzuhören.

Genervt drehte ich mich von ihm weg und entfernte mich immer weiter von ihm.

Plötzlich zog mich etwas zurück auf meine alte Position und ließ mich vor Schreck erstarren. Seine weichen Lippen legte er sanft auf meine. Nur wenige Sekunden dauerte er und doch waren jegliche Gefühle wieder zurück.

Mein gesamter Körper sehnte sich nach Liebe - Zärtlichkeit. Aber alles, was ich bekam, war ein Raues „Ich höre dir doch immer zu.". Immerhin war es mehr, als ich erwartet hatte.

Jacob machte sich auf den Weg. Es war seine Aufgabe, jedoch fiel mir sofort der erste Fehler auf.

„Mister Frye. Sie müssen in die andere Richtung. Du hast mir doch nicht zugehört, stimmt's?"

Er ignorierte meine Aussage und meine Handbewegung in die völlig entgegengesetzte Richtung. Ich konnte mir ein kleines Lachen nicht verkneifen - bis mir bewusst war, warum ich hier war.

Sofort setzte ich mich in Bewegung und kletterte ein Haus bis zum Dach hinauf. Von dort aus hatte man eine wundervolle Aussicht auf das vergammelte Viertel der „unwürdigen Lebensformen", wie Starrick sie immer nannte.

Ein leichter Nebelschleier legte sich auf den Straßen neben den Obdachlosen nieder. Mit jeder Stunde wurde die Stadt beängstigender und trauriger.

„Geliebter Pub... wo bist du?", flüsterte ich und mein Atem stieg in der kalten Nacht wie Rauch gen Himmel.

Langsam tastete ich mich auf dem Dach durch die Straße der Stadt - wobei lautes Grölen mein Wegweiser war. Dann sah ich es. Ein heruntergekommenes Haus, welches mit viel Lärm und Ärger verbunden war.

Apropos Ärger. Es waren ebenfalls viele Wachen hier. Zu viele für meinen Geschmack. Einige waren als Scharfschützen auf den Dächern unterwegs, während andere durch das gesamte Gebiet patrouillieren.

Leise wie eine Maus schleichend musste sich die erste Scharfschützin meiner Klinge geschlagen geben. Langsam fällt ihr lebloser Körper zu Boden.


„Wäre es mit Starrick nur so leicht, wie mit euch."

Plötzlich kamen schnelle Schritte auf mich zu. Ich schaute in die Richtung. Ich wich einige Schritte zurück und ließ mich vom Dach hangeln.

Die Schritte machten bei der Soldatin halt.

„Wir haben hier ein Pro...", mein Messer schnitt ihm wortwörtlich die Worte ab. Das Blut landete großteils auf der Dachschräge und lief durch die Dachrinnen zum Boden, wo es schließlich seinen Stillstand findet.

Keine weiteren Soldaten wurden auf den Hilfe-Ruf des Toten aufmerksam. Auch Jacob und Misses Disraeli wurden durch nichts und niemanden gestört. Mit einem Arm hielt sie Jacobs Arm und in der anderen hielt sie ihre große Handtasche.

Gemütlich gingen sie ihre Runden - alles unter meinen strengen Beobachtungen. Immer wieder schaltete ich die Lichter von verschiedensten Husaren aus.

Jacob ging jedem einzelnen von Starricks Männern aus dem Weg. Ein komischer Anblick jedoch war es mir in dieser Situation mehr als recht. Noch mehr Ärger hätte ich wegen Politikern nicht haben wollen.

Schließlich erreichten die Beiden das Lokal. „One Tun Pub" hieß der Laden und schüttete, nach Jacobs Meinung nach, das beste Bier aus.

Misses Disraelie schien ganz versessen in Jacob zu sein. Sie redete, nippte an ihrem Getränk und lächelte ihn immer wieder an.

Doch dann sah ich etwas ungeplantes. Ein roter Soldat, welcher direkt auf die genannten Personen zuging. Dann nahm er sie bereits - die Handtasche der alten Dame. Jacob machte sich sofort auf den Weg und folgte dem Dieb.


Zuerst folgte ich ihm ebenfalls, doch dann bemerkte ich die zwei finstere Gestalten, die auf Mary-Anne zusteuerten.

Ich sprang vom Dach und machte meine Klinge für den nächsten Kampf bereit.

„Mein Vater stand nie hinter mir. Ich wollte nur einmal hören, dass er stolz auf mich ist.", hörte ich jemanden sagen.

Ich schaute vom Boden auf und sah die zwei Gestalten plus Disralie um einen Tisch sitzen.

„Nun, wenn Sie ihrem Vater nie gesagt haben, was Sie über ihn denken, woher sollte er wissen, was Sie denken?"

Verunsichert schaute ich zu ihr, dann auf Jacob, der gerade wieder um die Ecke zu uns bog. Ich zuckte mit den Schultern und gesellte mich zu ihnen. Jacob tat es mir gleich.

„So hab ich das nie gesehen. Tief im Inneren wollen wir alle nur geliebt werden."

„Richtig. Hier. Was süßes." Sie übergab dem jungen Mann gegenüber einen Bonbon.

Jacob stellte Desmond, den Hund in der Handtasche, vor ihr auf den Tisch. Das erklärte zumindest die Größe der Tasche.

„Oh, Desmond. Und Mister Frye! Darf ich vorstellen... John der Struller.", sagte sie strahlend und grinste mich an.

„Angenehm.", ließ Jacob leise von sich hören.

„Wir sollten Sie besser jetzt nach Hause bringen, Misses Disraeli." versuchte ich die Situation zu entschärfen.

„Natürlich." Sie folgte mir aufs Wort und verließ mit uns augenblicklich das Armenviertel.

Jacob half ihr in die Kutsche. Dann stellte er sich mir gegenüber und zog die Schultern an.

„Wollen wir heute Abend zusammen..."

„Sieh mal an!...", wird er von einer älteren Stimme unterbrochen, „Wenn das nicht der Hundeknecht und seine treue Gehilfin sind."

Augenblicklich spannte sich bei Jacob jeder Muskel an. Ich hielt ihm an Arm zurück, doch er gab mit dreckiger Stimme nur ein „Na, lasst uns nichts tun, was wir bereuen würden." von sich.

Eine hitzige Schlägerei begann. Doch dieses Mal ließ ich Jacob den Vortritt. Ich behielt unsere Begleiterin im Auge. Sie saß seelenruhig in ihrer Kutsche, als würde sie den Angriff nicht wahrnehmen.

So schnell dieser Kampf angefangen hatte, war er auch schon wieder vollendet. Klarer Sieg für Jacob - was auch sonst.

Er half mir auf die Kutsche und übernahm dann das Steuer. Ohne weitere Zwischenfälle geleitet er Misses Disraeli zu ihr nach Hause.

Jacob bekam sogar seine Informationen, nach denen er verlangt hatte. Bei der gesuchten Person handelte es sich um Lord Cardigan, ein angeberischer Mann im Militärsektor tätig, welcher, wie der Zufall so will, gerade in der Stadt ist und im Palace of Westminster anzutreffen ist.

Auch mein Freund verriet mir, was er am Abend noch mit mir gemeinsam vorhatte. Ich war glücklich und nahm die Einladung dankend an. Es gab immerhin eine Menge zu besprechen.

RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt