Kapitel 10

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Wütend formte ich meine Hände zu Fäusten. Ich starrte geschockt in das hämische Gesicht von Oragu. Ich zitterte am ganzen Körper und konnte kein Wort raus bringen. Denn auch meine Kehle fühlte sich an, als wäre man in Wintersachen in der Sahara. Artiom kam auf mich zu und legte vorsichtig einen Arm um mich. Er zog mich immer näher heran, bis ich anschließend meinen Kopf auf seine Schulter lag. Ich fühlte mich schon deutlich geborgener und schaute in seine Augen. Ich spürte wie sein Herzschlag schneller wurde, aber ich musste mir das wohl eingebildet haben. Oragu wurde immer unruhiger und wirkte als wollte er sofort abhauen. Aber auch er hatte etwas zu tun. Mir meine Frage zu beantworten. Ich wachte aus meiner Trance auf und stellte mich direkt vor seine Nase.

"Jetzt bist du dran. Beantworte mir mithilfe des Orakels meine Frage!", stellte ich klar.

"Grr...schon gut. Ihr beide folgt mir jetzt und dann werdet ihr alles befolgen was ich sage." Er führte uns an den Glastisch, der bei der Berührung von Oragu aufleuchtete. In bunten, aber matten Farben. Es sah fantastisch aus und ich spürte schon wie ich Gänsehaut bekam. Wir sollten an zwei Plätzen, die gegenüber von Oragu waren, platz nehmen. Augenblicklich erloschen die Farben, als wir saßen. Verwundert schaute ich den Wurm an, aber dieser ignorierte mich und es schien, als würde er seine Seele wortwörtlich verlassen. Die Karten gerieten wie in einen Wirbel, der immer schneller wurde. Meine Haare wehten nach hinten und ich schaute gespannt auf dieses Phänomen. Oragu war noch immer sehr vertieft in seine Arbeit, bis er abrupt seine Augen öffnete. Erschrocken schnappte ich nach Luft. Da bemerkte ich die Karten. Sie schwebten über den Tisch, als wären sie in einem Tornado gefangen. Gebannt beobachtete ich dies, bis ich ein leichtes Stupsen von Artiom bemerkte. Fragend starrte ich ihn an. "Du solltest nun deine Frage stellen. Pass ja auf, das du es nicht vergeigst", neckte er mich und zog eine Augenbraue hoch. Leise kicherte ich und überlegte noch kurz, wie genau ich das Orakel fragen sollte.

"Orakel! Beantworte meine Frage: Wo kann ich meine Eltern finden?" Gespannt wartete ich auf das kommende Geschehen. Der Kartensturm wurde immer schneller, bis sich plötzlich zwei Karton von ihm lösten. Mit einem ordentlichen Luftzug landeten sie vor mir. Ich streckte meine Hand aus, doch dann zog ich sie zögernd zurück. Ich ignorierte Artioms fragenden Blick und musste für kurze Zeit in mich gehen. Wollte ich wirklich die Antwort wissen? War ich dafür schon bereit? Was wenn auf den Karten ein Kreuz abgebildet sein wird, dass mir sagt sie wären schon tot. Oder das ich gar keine leiblichen Eltern hatte. Ich räusperte mich kurz, ehe ich zugriff. Die beiden Karten drehten sich wie von Geisterhand selbst um und ich blickte auf zwei Gebäude. Doch als ich nochmals hinschaute, erkannte ich zwei Schlösser. Das eine war in warmen Tönen gehalten, im Gegensatz zum Anderen. Fragend schaute ich Artiom an.

"Was helfen mir jetzt diese beiden Schlösser? Was hat das mit meiner Frage zu tun?"

"Naja...das Orakel lügt nicht. Wir müssen zu den beiden Schlössern. Du weist doch, das Koratha gespalten ist. Wir müssen dorthin, aber glaube mir, der Weg wird schwer. Denn auch das Volk hat sich gespaltet." Ich wusste momentan noch nicht was er damit meinte, aber eins stand fest: Wenn ich meine Eltern finden wollte, führte uns der Weg wohl zu den Wahrzeichen von Koratha.

"Auf was warten wir dann noch?", sagte ich grinsend. Ich war einfach nicht die Person, die ernste Situationen einschätzen konnte. Aber auch Artiom musste lächeln und schubste mich zu der Tür. Aber stopp. Diese Tür war so viel kleiner wie wir. Ich müsste drei Köpfe kleiner sein um durch zu passen. Doch da kam auch schon Oragu angekrochen.

"Meine lieben. Ich komme aus dem Erdreich! Trinkt dieses...Getränk.", zischte er und zog sich zurück. Etwas angewidert betrachtete ich diesen Trank. Er war schleimig und er sah aus wie Erbrochenes. Zweifelnd überlegte ich, ob das nicht vielleicht eine Falle war. Aber das konnte nicht sein. Sonst hätte Oragu so gesagt kostenlos, das Orakel befragt. Also rümpfte ich noch das letzte Mal meine Nase und trank den Schleim mit einem Schluck leer. Plötzlich fing alles an sich zu drehen und ich bildete mir schon ein, dass mein Körper empört aufschrie. Es zog überall. Doch auf einmal war ich geschrumpft und betrachtete die Welt mit ganz anderen Augen. Da sah ich aber, dass Artiom noch immer groß war. Er nahm mich auf seine Hand und starrte mich verärgert an.

"Mirabella! Hast du mir nicht zugehört? Wir wissen doch gar nicht, wie lange wir so klein bleiben. Vielleicht bleibst du so für immer!", schrie er mich an. Doch seine Miene wurde schnell wieder sanfter.

Verdammt. Warum hatte ich nicht zugehört? Verzweifelt verbarg ich meinen Kopf in meine Hände und seufzte laut auf. Für meine Verhältnisse hörte es sich laut an. Doch Artiom stand einfach wieder grinsend da und zuckte mit seinen Schultern. Darauf schluckte er den Trank und stand mir kurze Zeit später gegenüber.


Mirabella - Flucht aus dem Keller {Das 1. Buch}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt