Data: Dylan_Crise / Subject 7.8
Date / Time: 25.11.2024 12:34pmEr sah nicht viel von dem, was vor sich ging, denn die Menge versperrte ihm die Sicht. Als er sich endlich nach vorn durchgedrängelt hatte, erhaschte er den Blick auf einen älteren Jungen, dessen Hände auf seinem Rücken zusammengebunden waren. Er schien sich aber, im Gegensatz zu Dylan, heftig gegen seine Gefangennahme gewehrt zu haben, denn sein Gesicht und seine Arme waren übersäht mir Kratzern und blutigen Striemen. Noch immer wand er sich in den Fesseln hin und her und trat um sich wie ein wildes Tier.
Als der Junge ihn erblickte, hielt er für einen Moment inne, dann riss er sich los und stürzte wutentbrannt auf ihn zu. Dylan wollte zurückweichen, doch er prallte nur gegen die Menschen hinter ihm. Aus einem Reflex heraus hob er die Arme vors Gesicht um einen Schlag abzufangen, als er einen dumpfen Schlag vernahm. Vorsichtig lugte er nach vorn und bemerkte, dass sein Angreifer sich auf dem Boden krümmte und sich die Nase hielt. Jake stand vor ihm, seine geballte Faust nach vorn gestreckt, dorthin, wo der andere Junge eben noch gestanden hatte.
So, als wäre das etwas alltägliches, packte er ihn am Kragen und zog ihn wieder auf die Beine, dann stieß er ihn vorwärts. Die Entdecker, die ihn bis hierher gebracht hatten, folgten ihnen, bis auf ein Mädchen, dass neben dem Jungen kniete, der den Neuen angekündigt hatte. Er lag bewusstlos am Boden, Blut lief ungehindert über seine Schläfe in seine Haare. Das Mädchen zog das dünne Tuch von ihrem Hals und drückte es mit zittrigen Fingern auf die Wunde.
„Jemand soll die Sanis holen!", rief jemand aus der Menge. Dylan fragte sich, was die beiden wohl den ganzen Tag machten, dass sie nicht mal mit den anderen zu Mittag aßen. Gab es auf dieser Insel so viele Verletze, um die sie sich kümmern mussten?
Er war so tief in seinen Gedanken versunken, dass er beinahe einen Herzinfarkt bekam, als er grob zur Seite gestoßen wurde. Die beiden Sanitäter - er nahm jedenfalls an, dass das Wort Sani für Sanitäter stand - Evan und Abdi stürzten an ihm vorbei zu dem Verletzen, Evan holte einen Verband aus einer Tasche an seinem Gürtel und verband die Kopfwunde. Dann schleppten sie ihn zu zweit zu einer Hütte ganz in der Nähe.
Dylan schaute ihnen hinterher, dann zu Raya's Hütte, wo sie den Neuankömmling hingebracht hatten. Was war mit diesem Kerl? Warum war er so wütend auf ihn? Was hatte er ihm getan?
Vielleicht wusste er etwas über die verschollenen drei Jahre seines Lebens. Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass vor drei Jahren auch das Flugzeug auf diese Insel gestürzt war. Konnte das irgendwie zusammenhängen? Aber wo war er dann die letzten drei Jahre gewesen und warum erinnerte er sich nicht daran?
Yakira trat zu ihm und nickte in die Richtung des Baumstammes, an dem sie vorhin noch gesessen hatten. Sie gingen hinüber und setzten sich wieder.
„Was war das den grade?", fragte sie fassungslos. „Kennst du ihn?"
Dylan schüttelte energisch den Kopf. „Ich habe ihn in meinem Leben noch nicht gesehen.", behauptete er, denn so war es. Nicht wahr?
„Vielleicht hat er dich mit jemandem verwechselt.", schlug Yakira vor, doch sein Gefühl sagte ihm, dass es nicht so war. Dieser Junge wusste etwas über ihn, das nicht mal er selbst wusste. Und er hasste ihn dafür. Was war in dieser Zeit passiert? Was war es, an das er sich nicht erinnern konnte? Es gab einen riesigen Berg an Fragen, auf die er keine Antwort kannte. Nur dieser Junge hatte vielleicht eine Antwort darauf, wer er war. Aber mit ihm konnte er nicht reden, denn er würde ihm wohl eher den Hals durchsäbeln, bevor er auch nur ein Wort herausbringen konnte.
Aber das Rätsel, warum dieser Kerl in hasste, war nicht das einzige, was Dylan beschäftigte.
Es war wieder ein Neuer angekommen. Jemand, der nicht die geringste Ahnung hatte, was hier vor sich ging. Jemand, der aus dem Nichts aufgetaucht war, als wäre er vom Himmel geregnet. Jemand, der so war, wie er selbst. Und das machte alles nur noch verwirrender, als es sowieso schon war. Woher kamen sie? Und aus welchem Grund waren sie hier?
„Mach dir nicht um alles so einen Kopf, dass macht's nicht besser. Glaub' mir, ich spreche aus Erfahrung.", sagte Yakira und stieß in freundschaftlich aber ein wenig zu grob in die Seite. Er versuchte, ein wenig zu lächeln, was ihm aber kläglich misslang. Es war einfach zu viel auf einmal.
Und wahrscheinlich sollte hinterher alles seine Schuld sein. Er war zuerst hier aufgekreuzt und niemand würde ihm bald noch glauben, dass er nichts darüber wusste. Selbst Raya schien ihm das nicht zu abzunehmen und sie war - abgesehen von Yakira - die einzige, die ihn mehr oder weniger gut behandelte.
Jake kam zu ihnen herüber. Seine Stirn war tief in Falten gelegt, irgendetwas schien ihm Sorgen zu machen.
„Was hat er gesagt?", fragte Dylan sofort aufgeregt, doch Jake ließ sich bloß seufzend neben ihm in den Sand fallen.
„Nicht viel. Er ist jetzt ruhiger und fragt andauernd nach seiner Schwester."
Enttäuscht ließ Dylan seine Schultern hängen. Er hatte erwartet, wenigstens ein paar Informationen zu bekommen. Und selbst mit diesem Kerl reden konnte er ja allem Anschein nach nicht, ohne dass er gleich ausrastete.
Raya verließ grade ihre Hütte und kam ebenfalls zu ihnen herüber. Kurz musterte sie ihn, dann sagte sie: „Du kannst Adan fragen, ob er noch etwas für dich zu tun hat. Und ihr anderen geht auch wieder an die Arbeit!" Die letzten Worte brüllte sie über den Platz, dass alle zusammenzuckten.
„Aber-...", versuchte Dylan zu protestieren, doch Raya warf ihm einen strengen Blick zu, der ganz klar keinen Wiederspruch duldete. Yakira klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter, dann stand sie auf und verschwand - um ihren Bogen zu holen, nahm er an.
Mehr als enttäuscht trottete er zur Küche, tatsächlich in der Hoffnung, dort Arbeit zu bekommen. Sonst würden seine Gedanken nur wieder Überhand bekommen.
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Bloodstained Sand
AdventureJahr 2021 - Nach einem Flugzeugabsturz wacht Jake mit schweren Verletzungen mitten im Wald auf. Zu seinem Glück ist er nicht der einzige Überlebende. Jedoch ahnt keiner von ihnen, wie weit sie von Zuhause entfernt sind - bis sie herausfinden, was wi...