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Das Timing meiner Mutter war schon immer schlecht gewesen, weswegen ich nicht sehr verwundert war als ich feststellen musste, dass das Abendessen mit den McCrorrys am selben Abend stattfand wie mein Date mit Matty. Trotzdem war ich wütend.
,,Ich kann am Mittwochabend nicht", teilte ich meiner Mutter beim Frühstück am Dienstagmorgen mit. Sie zuckte nur die Schultern. ,,Was?", hakte ich nach. Strafte sie mich jetzt etwa mit Schweigen? Sollte sie doch. Mein Vater laß und schien sich nicht für unsere Unterhaltung zu interessieren.
,,Ich habe es dir bereits gesagt. Entweder du machst das was wir dir sagen oder du fliegst raus. Oder du entschuldigst dich endlich für dein Verhalten, wirst wieder so wie du zuvor warst und gewinnst deine Meinungs - Schrägstrich- Redefreiheit wieder"
Niemals würde ich mich entschuldigen. Also musste ich wohl zu Plan B greifen.

,,Miranda! Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor! Und Richard! Sag mal, hast du abgenommen? Geht es dir nicht gut?" Erica McCrorry's Stimme war so laut, das sie bis in mein Zimmer drang. Ich mochte Erica, aber ihre Stimme war schon immer etwas nervig gewesen.
Instinktiv wartete ich auf die mir am Besten vertraute Stimme. Die, die schon viel zu lange nicht mehr freundlich zu mir gesprochen hatte.
,,Hallo Ethan. Schön dich zu sehen. Wie läuft's in der Schule?" Ich war erstaunt darüber, dass mein Dad sich ebenfalls einmal zu Wort meldete.
,,Georg lass doch den armen Jungen in Ruhe. Er will in seiner Freizeit sicher nicht über die Schule sprechen. Apropos" Meine Mutter erhob die Stimme: ,,Ava! Komm! Unsere Gäste sind da!" Dann senkte sie sie wieder. Sie dachte wohl, ich würde sie nicht hören. ,,Bestimmt hört sie wieder diese schreckliche Musik" Ich hasste es, wenn sie meine Musik kritisierte, aber ich verteidigte meine Meinung nicht. Meistens ließ ich sie einfach reden.
Seufzend erhob ich mich von meinem Sessel und lief die Treppen hinunter. Ethan stand,mit dem Rücken zu mir, an den Bogen zwischen Flur und Esszimmer gelehnt. Ich stellte mich an die andere Seite des Bogens. Er nahm keine Notiz von mir. Über was er wohl so angestrengt nachdachte? Erica war die Erste, die mich entdeckte. ,, Ava, mein Schätzchen!" Sie schloss mich in eine stürmische Umarmung. ,,Hey Erica"
Sie legte ihre Hände auf meine Schultern. ,,Sie dich nur an. Du wirst ja immer hübscher! Ethan! Du hast Ava noch gar nicht Hallo gesagt. So habe ich dich nicht erzogen, also hop hop" Ihrem Sohn endglitten die Gesichtszüge. Es war sozusagen 'Tradition' das wir uns alle mit einer Umarmung begrüßten und bisher stellte dies auch noch nie ein Problem dar.
Erica sah ihren Sohn abwartend an. Bemerkte sie sein Unbehagen etwa nicht? Man müsste meinen Mütter hätten ein Gespür für sowas. Vielleicht war es ihr aber auch einfach egal.
Ethan stieß sich von der Wand ab und kam langsam auf mich zu. Ich weiß nicht, was ich damals erwartet hatte, aber das war er tat war definitiv lächerlich. Er breitete seine Arme aus, schloss sie zwar um meinen Körper, berührte mich aber nicht. Ich hingegen umarmte ihr aus Gewohnheit richtig und da er nun mit dem Rücken zu seiner Mutter stand (und ein bisschen größer war als ich, womit er mich verdeckte), fiel dieser diese halbe Umarmung nicht auf. Für sie muss es wohl normal ausgesehen haben.
,,Schön. Richard! Du fehlst auch noch!"

Das Essen verlief eigentlich ziemlich gut. Wir redeten über belangloses Zeug, wie Arbeit, Schule oder den nächsten Urlaub, denn wir ebenfalls gemeinsam verbringen sollten. Es lief wirklich gut. Solange bis Richard Sam erwähnte.
,,Samantha war so gerne am Meer. Wisst ihr noch wie ihr-" Alle am Tisch verstummten. Ich schwieg die ganze Zeit. Ethan ebenfalls. Ich hätte nie gedacht, dass er sich in unserem Haus einmal so unwohl fühlen konnte, wie er es offensichtlich tat.
Erica standen Tränen in den Augen. Richard legte seiner Frau behutsam den Arm um die Schultern. ,,Es tut mir leid, Schatz. Das war dumm von mir"
,,Brauchst du etwas?", fragte meine Mum besorgt. Ich hörte Ethan ein 'Ne' Anti-depressiva wäre nicht schlecht' murmeln und musste grinsen. Er schien es zu bemerken, lächelte mich kurz an, schien sich dann aber wieder an seine Abneigung gegen mich zu erinnern und sah wütend zur Seite.
,,Nein, nein. Es geht schon. Lasst uns nur nicht mehr davon sprechen, ja?"
,,Wieso eigentlich nicht, Mum?!", rief Ethan auf einmal euphorisch aus. ,,Ethan", warnte sein Vater ihn streng. Doch es war ihm vollkommen egal. ,,Ich meine Zuhause sprechen wir doch nie über sie. Vielleicht fällt es euch ja hier, bei Menschen, die keine Familienmitglieder sind, leichter zu sprechen. Oh achso, stimmt ja, ihr habt ja ein Verbot erteilt. Wie war das noch gleich? Samantha ist eine verzogene Göre, wenn sie meint-" Richard verpasste Ethan eine Ohrfeige. ,,Halt den Mund!"
Ich war zwar geschockt über das, was ich gesehen und gehört hatte, sah darin aber auch eine Chance abzuhauen. Ich brauchte dieses Date so unbedingt.
,,Mum? Mir geht es nicht so gut. Kann ich mich hinlegen?", fragte ich flüsternd mit gequälter Stimme. Mum nickte nur, die Augen auf den Streit vor uns gerichtet. ,,Schämst du dich nicht? Solche Lügen zu verbreiten!" Richard schlug Ethan erneut. Nun wurde mir tatsächlich schlecht.
,,Richard, hör verdammt nochmal auf damit!" Mein Vater tat das, wozu mir der Mut gefehlt hatte.
Ich stand auf und ging, denn ich wollte nicht mehr Teil dieses Theaters sein.

Mein Spiegelbild betrachtete mich kritisch. Ich war nicht der Minirock-Top-hohe Schuhe- Typ, aber ich wollte mich ja ändern also beließ ich es letztendlich dabei.
Ich sah auf mein Handy. In zehn Minuten würde Matty mich abholen. Ich wusste nicht wohin wir gehen würden aber das machte es nur noch aufregender. Zumindest versuchte ich mir einzureden, das es mehr aufregend als beängstigend war.
Ich checkt meine Nachrichen.

Michael:
Bitte sag mir das du heute keine Verabredung mit meinem Bruder hast

Ich schrieb nur ein kurzes 'Warum?' .

Weil du nicht so bist

Ich schaltete mein Handy aus.

The missing girl and her broken pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt