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Gerade als ich ein Bein aus dem Fenster geschwungen hatte, klopfte es an meiner geschlossenen Tür. Das durfte nicht wahr sein! Die Tür wurde aufgerissen und Ethan stand davor. Im falen Licht des Mondes konnte ich ihn gerade so erkennen.
,,Was zur Hölle tust du da?", fragte er und betrat mein Zimmer. Er zog meine Tür hinter sich zu und setzte sich auf mein Bett. Nun befand er sich nicht mehr im Mondschein, weshalb ich nur seine Umrisse erkennen konnte.
,, Ja, klar, natürlich kannst du reinkommen und's dir gemütlich machen", sagte ich verärgert und mit einem sarkastischen Unterton. Sah er nicht, das ich gerade beschäftigt war?
,,Du hast meine Frage nicht beantwortet", antwortete er schlicht. Ich kletterte wieder hinein. Er würde mich ohne Erklärung nicht gehen lassen und ich musste sicher stellen, dass er dicht halten würde.
,,Ich bin verabredet", gab ich zu und ließ mich neben ihm nieder. Er saß mit dem Rücken an die Wand angelehnt, die Hände ineinander gefalten. ,,Mit wem?" Seine Stimme war emotionslos. Was gerade passiert war bedrückte ihn. Das wusste ich. Welcher junge Mann ließ sich schon gerne von seinem Vater zurechtweisen und dies auch noch mit Schlägen. Zu gerne hätte ich gewusst,ob das, was er gesagt hatte, stimmte. Oder ob er es nur aus Wut auf seine Eltern behauptet hatte. Doch ich hatte keine Zeit mehr.
,,Ich muss gehen"
,,Mit wem?", wollt er erneut wissen.
,,Matty. Und er mag es nicht sonderlich zu warten"
,, Anderson?" Jetzt klang er wütend.
,,Ja" Er stand auf und stellte sich vor mich. ,,Ist das dein scheiß Ernst, Ava?! Ich glaub's nicht!"
,,Keine Ahnung was dein Problem ist, aber ich wäre dir sehr verbunden, wenn du gegenüber meinen Eltern die Klappe halten würdest"
,,Die Klappe halten", murmelte er mehr zu sich selbst. ,,Ich habe gute Lust genau das nicht zu tun, ehrlich gesagt"
,,Wenn du dich dann besser fühlst", antwortete ich schlicht und lief zu meinem Fenster. ,,War's das Ava?", fragte er plötzlich. Ich begriff nicht, wovon er sprach. ,,Mit was?"
,,Schmeißen wir alles was wir hatten einfach so hin?" Er war es, der sich mir gegenüber komisch benahm.
,,Willst du nichts mehr dazu loswerden? Oder dich eventuell entschuldigen?" Entschuldigen? Ich wusste ja nicht mal, was geschehen war. Also kletterte ich aus dem Fenster. ,,Wir sollten es einfach vergessen. Alles. Bis dann Ethan", sagte ich noch bevor ich umständlich nach unten kletterte, was bei meinem Outfit leider auch Kratzer hinterließ. Super.

,,Wo genau fahren wir eigentlich hin?", fragte ich Matty, nachdem wir bereits eine halbe Stunde gefahren waren. Er drehte die laute Musik etwas leiser. ,,Ist ne Überraschung"
Überraschungen mochte ich noch nie sonderlich. Es machte mich verrückt, nicht zu wissen, was mich erwartete. Dieser Gedanke erinnerte mich an meine "Fast-Beziehung" mit Ethan. Aus Angst hatte ich ihm keine Chance gegeben. Und jetzt? Wegen einer kleinen Entscheidung konnte sich das ganze Leben ändern. Was, wenn ich nur falsche Entscheidungen traf? Was, wenn mein Leben zum Scheitern verurteilt war? Vielleicht würde gleich ein schlimmer Autounfall passieren und ich würde sterben und das nur, weil ich Ethan damals keine Chance gegeben hatte. Plötzlich bekam ich Panik. Nein. Nein. Nein. Bleib ruhig. Du wolltest dich ändern: keine Ängste, machen was du willst, schon vergessen?
,,Glaubst du an Schicksal?" Mein Mund hatte die Worte einfach ausgesprochen. Und sofort war es mir peinlich. Solche Gespräche konnte man nicht mit Typen wie Matty führen. Für diese Art von Gesprächen gab es die Ethans dieser Welt. Aber in meiner gab es keinen mehr also musste ich mit Matty vorlieb nehmen.
Dieser runzelte die Stirn. ,,Keine Ahnung. Über so einen Scheiß mach ich mir keine Gedanken" Dieser 'Scheiß' beschäftigte mich eben. Wenigstens ein bisschen Einfühlungsvermögen hätte man doch erwarten können, oder?
,,Wieso nicht?", fragte ich. Er warf mir einen mürrischen Blick zu. ,,Weil ich einfach mein Leben lebe und ich mich um Wichtigeres zu kümmern habe als um irgendeine Horoskop-Scheiße" Schön. Ich hoffte, das wir wenigstens beim Essen, oder wo auch immer wir hingingen, ein Gesprächsthema finden würden.
,,Also ich muss dir was gestehen" Geständnisse bedeuteten in der Regel nie etwas Gutes. ,,Mhm?"
Wir fuhren in einen der schlechteren Stadtteile. ,,Ich hatte unser Date bis vor zwei Stunden vollkommen vergessen. Deswegen muss ich jetzt noch schnell was erledigen. Danach können wir ja zu McDonalds oder so" Vergessen? Zu McDonalds oder so? Ich wurde wütend. Ich stylte mich hier mega auf und schlich mich extra aus dem Haus! Und für was? Für einen Ausflug zum McDonalds?
,,Ich will nicht zu McDonalds", sagte ich zerknirscht.
,,Dann gehen wir halt zum Burger King. Mir egal" Was war nur los mit dem? Ich musste ruhig bleiben. Ich würde dieses Date hinter mich bringen. Schlimmer konnte es sowieso nicht mehr werden.

,,Du h-hast... warum hast du ihn geschlagen? So... heftig?", stotterte ich. Matty hatte gerade einen hilflosen Mann zusammengeschlagen. Zuerst hatte er nur mit ihm gesprochen und plötzlich ging die Schlägerei los. Der Mann lag reglos auf dem Gehweg.
,,Er schuldet mir Geld" Was für ein Klischee, dachte ich. Und ich war Mitten drin. ,,Du siehst übrigens echt heiß aus" War das sein Ernst? Erst schlägt er diesen Mann und dann macht er mir Komplimente?
,,Du musst einen Krankenwagen rufen",sagte ich. Er lachte. ,,So läuft das nicht, Kleine"
,,Was? Du rufst also keinen Krankenwagen, wenn jemand bewusstlos auf der Straße liegt? Nun ja, dann tut es mir leid, aber ich will aussteigen" Er machte eine Vollbremsung. ,,Pass auf, was du sagst, Mädchen!" Er starrte mich böse an. So sollte das nicht ablaufen. Ich hatte mich auf einen schönen Abend gefreut und dann das. Ich glaubte an das Schicksal. Und an Karma.
,,Hör mir mal gut zu. Ich bin ein bisschen älter als du und in der Erwachsenenwelt läuft alles ein bisschen anders. Dein Leben ist perfekt, Kleine. Perfekte Freunde, perfekte Eltern, perfektes Du. Du brauchst dir über keinen Scheiß Sorgen zu machen. Dir werden alle Entscheidungen abgenommen also sag du mir nicht, was ich zu tun habe oder nicht. Lern erst mal dein Leben alleine auf die Reihe zu griegen" Dachte er, ich würde mich jetzt irgendwie entschuldigen oder so? Sicherlich nicht. Er startete den Wagen. ,,Warum wolltest du dich dann mit mir treffen,mhm? Und die Knutscherei in der Cafeteria?", fragte ich provokant. Er sah belustigt aus. ,, Du bist heiß seitdem deine kleine Freundin nicht mehr da ist. Du traust dich endlich mal was. Ich meine, das mit McCrorry war echt nicht schlecht. Damit hast du mich rumgegriegt. Es hat mir gefallen, wie eiskalt du warst. Und du warst total besoffen und recht offenherzig. Solche Mädchen passen normalerweise immer ganz gut zu mir. Für eine gewisse Zeit. Das das mit uns nicht für immer ist, war dir ja hoffentlich klar?
Und das in der Schule. Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber McCrorry war ganz schön angepisst. Ich streue gerne Pfeffer in die Wunde. Oder wie auch immer das heißt" Ich fühlte mich schmutzig. Ausgenutzt. Und wie eine Verräterin. Was hatte ich Ethan nur so schlimmes angetan?

Matty sah mich an. ,,Willst du jetzt noch mit auf eine Party oder soll ich dich nach Hause fahren?" Alles war besser als nach Hause zu kommen. Also sagte ich ihm, das ich gerne mitgehen würde.

The missing girl and her broken pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt