Chapter five

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"Du magst mich doch gar nicht"

Am nächsten Morgen weckte mich das Geräusch der schließenden Zimmertür. Ich öffnete meine Augen und realisierte, dass ich ja gar nicht in meinem Zimmer war. Ich sah rüber auf die Seite wo Shawn gestern noch gelegen hatte, aber er war nicht mehr da. Erst jetzt fiel mir ein, dass es ja ganz intelligent wäre mal nachzusehen wie spät es überhaupt ist. Ich guckte mich in Shawn's Zimmer um, entdeckte aber nichts weiter als ein paar Fotos an den Wänden. Vermutlich hat Karen diese aber aufgehängt, Shawn scheint mir nicht der Typ ,Deko-Spezialist' zu sein. Eine Uhr konnte ich dennoch nicht entdecken. Also stand ich auf, öffnete leise die Tür und trat aus Shawn's Zimmer hinaus. In meinem Zimmer angelangt schnappte ich mir mein Handy und entdeckt 5 Anrufe in Abwesenheit und 3 Nachrichten von Ryan. Erst dann fiel mein Blick auf die Uhrzeit. Es war bereits 10:15 Uhr. Mist! Ich hatte total verschlafen, aber jetzt noch zur Schule zu gehen würde sich auch nicht lohnen. Ich laß mir schnell Ryan's Nachrichten durch, welche sich alle darum handelten, wo ich denn blieb. Damit er sich keine Sorgen mehr machte schrieb ich kurz zurück, dass ich heute krank bin, legte mein Handy auf den Nachttisch und legte mich in mein Bett. Die nächtliche Aktion hat mir eine Menge Schlaf geraubt, den ich nun nachholen wollte. In meinem Kopf kreisten aber viel zu viele Gedanken, die mich nicht zur Ruhe kommen ließen. Am meisten ärgerte mich der Gedanke, dass Shawn sich anscheinend leise aus dem Zimmer geschlichen hat ohne mir Bescheid zu sagen. Am zweiten Schultag schon nicht zu erscheinen, entsprach nicht gerade dem ruf den ich anstrebte. Ich war stets eine ehrgeizige und motivierte Schülerin gewesen. Sonst hätte ich wohl kaum das Stipendium für ein Auslandsjahr bekommen. Aber ein Fehltag wird mich schon nicht umbringen.
Nachdem ich die gestrige Situation noch mindestens 5 mal in Gedanken durchging und angemessen analysiert hatte, schaffte ich es schlussendlich doch noch einzuschlafen. Und ich träumte von riesigen Schulbüchern die mich auffrassen, einer Kariere bei McDonalds und von Shawn.
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Als ich aufwachte war es bereits frühen Abend. Im Haus war es aber immer noch still. Eigentlich müsste Shawn schon lange zuhause sein, so lange hatten wir nie Unterricht. Und wollten Karen und Aaliyah nicht auch heute zurückkommen?
Ich machte mich auf den Weg in die Küchen, da Karen ihre Nummer für mich an den Kühlschrank gepinnt hatte. Auf dem Weg machte ich aber noch einen kurzen stop an Shawn's Zimmer um sicherzugehen, dass er wirklich noch nicht zu Hause war. Unten angekommen schnappte ich mir den kleinen Zettel mit Karen's handynummer und tippte sie im Telefon ein. Nach dem dritten Tüten ertönte ihre Stimme auf der anderen Seite der Leitung.
"Na meine süße! Wie geht es dir?" Erkundigte sich Karen liebevoll, bevor ich überhaupt etwas sagen konnte.
Wir hielten etwas smalltalk bis ich endlich fragen konnte, weswegen ich überhaupt Angerufen hatte. "Und wie geht es deine Mutter Karen?" fragte ich verunsichert. Ich wollte wollte nicht auch noch Salz in die Wunde streuen, musste ja aber auch Bescheid wissen wie lange ich hier noch ohne Karen und Aaliyah aushalten musste. "Es geht ihr leider noch nicht besser, sie hat starke Schmerzen und braucht viel Unterstützung von mir. Wir können leider noch nicht zurück kommen. Ich denke es wird noch ein paar Tage dauern. Kommst du mit Shawn denn soweit klar?" - lediglich ein stotterndes "ja.." Brachte ich hervor. Ich konnte ihr ja nicht erzählen was vorgefallen war. Da ich nicht weiter auf das Thema eingehen wollte, lenkte ich um -"Muss Aaliyah nicht eigentlich zur Schule?" gluckste ich in den Hörer. "Doch natürlich. Ich habe bereits mit dem Direktor telefoniert. Wir stehen nun täglich in Kontakt mit der Schule und bekommen den Lernstoff übermittelt. So verpasst Aaliyah nicht den Anschluss, kann mich aber hier unterstützen." erklärte sie mir. "Ich muss jetzt leider auflegen, ich werde gerufen" schloss Karen noch hastig an ihren letzten Satz an. Ohne eine Reaktion von mir abzuwarten legte sie auf und ich hörte nur noch ein tuten.
Gerade als ich den Hörer weglegte klingelte es an der Tür.
Ich ging zur Tür und öffnete sie. Mit einem brummenden "sorry, ich hab meinen Schlüssel vergessen" drängte sich Shawn an mir vorbei und zischte richtig Treppe ab. Anscheinend hatte mein Gehirn einen Kurzschluss, denn bevor ich überhaupt realisierte was ich tat, hörte ich mich selber ein herrisches und lautes "stop!" rufen. Shawn drehte sich natürlich sofort um und sah mich intensiv an. In meinem Kopf ratterte alles. Was habe ich da nur getan?! Was soll ich nun sagen? Ich wollte mir sein Verhalten nicht gefallen lassen, nun hat mich aber der Mut verlassen. Erst beachtetet er mich kaum, dann will er Zeit mit mir verbringen und wir schlafen sogar zusammen in einem Bett und jetzt bin ich wieder nur im Weg?  "Also..was war gestern Nacht los?" stammelte ich vor mich hin. "Lass mich in Ruhe" sagte er mit ausdruckslosem Gesichtsausdruck, gleichzeitig signalisierte er mir mit der Hand, dass ich gehen sollte. "Warum bist du immer so? Was ist dein Problem?!" ich würde lauter und meine Stimme leicht hysterisch. Shawn runzelt die Stirn und schien kurz zu überlegen was er antworten sollte. "Du bist mein Problem! Du kommst her und bringst nur Probleme mit. Kaum zu glauben, dass du nicht einmal eine Woche hier bist." Er schrie wütend, ballet die Hände zu Fäusten. Sein Verhalten verunsicherte mich immer mehr. "Das erklärt trotzdem nicht, warum du mich heute morgen nicht geweckt hast!" argumentierte ich sinnlos, da mir nichts anderes in den Sinn kam. "Du nervst mich einfach!" brüllte er schon fast in meinen Satz, bevor ich diesen überhaupt beenden konnte. Meiner Meinung nach habe ich nichts falsches getan. Weder habe ich ihm Probleme bereite, noch Stress gemacht.
Anscheinend war ich nun an der Reihe etwas zu sagen, denn er sah mich mit in Falten gelegter Stirn eindringlich an. Ich blieb aber stumm, unwissend was ich sagen sollte.
Das passte ihm wohl nicht. Mit großen, schnellen Schritten ging er auf mich zu. Er packte mich mit festen Griff an den Schultern und sah mich wütend an. Einen Moment dachte ich Verzweiflung in seinen Augen zu sehen, diese verschwand aber gleich wieder. "Verschwinde einfach und komm nie mehr wieder!" Zischte es zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. Leicht aber bestimmt schupste er mich richtig Haustür. Da dies alles so schnell passierte und ich die Situation nicht erst auf mich wirken lassen konnte, tat ich natürlich das erstbeste was mir in den Sinn kam. Ich lief los. Nach draußen in die Dämmerung, denn die Sonne war bereits am untergehen.
Ich lief und lief die Straßen entlang, ohne ein wirkliches Ziel. Ich kannte mich natürlich noch nicht besonders in der Gegend aus. Um die 10 Minuten lief ich einfach weiter. Nicht weil er mir das befohlen hatte, auch nicht weil ich weinen musste oder sonstiges. Ich wollte einfach nur weg von ihm. Ich konnte einfach nicht länger mit ihm in einem Haus sein.
Einige Minuten später stoppte ich abrupt auf dem Gehweg. Es schoss mir der Gedanke in den Kopf, dass es nicht besonders schlau wäre mich noch weiter vom Haus zu entfernen. Auch wenn ich es gerade nicht wollte war mir bewusst, dass ich später auch noch zurück zum Haus finden muss. Von Vorteil wäre es dabei auch gewesen sich den Weg zu merken, was ich natürlich nicht wirklich gemacht habe. Aber ich werde es schon irgendwie schaffen.
Ich hockte mich mit angewinkelten Beinen auf den Kantstein und lies die Situation von eben Revue passieren.
Im Nachhinein war es auch total albern von mir wegzurennen. Das war auch wieder so eine Kurzschlussreaktion.

Mittlerweile war es komplett dunkel geworden und auch ziemlich frisch. Blöd, dass man in solchen Momenten auch nicht daran denkt eine Jacke mitzunehmen. Ich beschloss mich langsam auf den Rückweg zu machen.
Die ersten paar Abbiegungen waren leicht zu erkennen. Zumindest dachte ich das, bis ich an eine Kreuzung kam, wo ich mir sicher war sie noch nie gesehen zu haben. In der Ferne kamen viele abgewrackte, kleine Häuser auf. Hier war ich definitiv noch nicht gewesen. Es schien eine etwas ärmere Gegend zu sein. In ein paar Fenstern der Häuser hingen nur Handtücher oder Klamotten als Gardinen-Ersatz. Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus. Da ich nicht scharf darauf war mich hier weiter aufzuhalten, drehte ich mich um und wollte gerade in die andere Richtung zurückgehen, als ich einen lauten Pfiff hörte. Mein Kopf drehte sich automatisch in die Richtung aus der das Geräusch kam. Ich sah drei Typen die direkt auf mich zu kamen. Schätzungsweise sind sie in meinem Alter. Einer von ihnen war ziemlich groß und muskulös. Ein anderer etwas kleiner, runder und nicht ganz so trainiert. Dies lies ihn aber auch nicht weniger gefährlich aussehen, denn sein Körper war komplett von Tattoos übersehen. Nicht die schöne Art von Tattoos, so richtig Gangster mäßig. Der dritte von ihnen war ziemlich schmächtig und sah eigentlich gar nicht aus wie jemand, der mit solchen Leuten abhing. Sein Gesicht kam mir bekannt vor, ich wusste aber nicht woher.

Fest entschlossen sie einfach zu ignorieren und ihnen aus dem Weg zu gehen ging ich weiter. Mein Schritt beschleunigte sich. "Warte doch mal" rief mir einer von ihnen zu. Es machte nicht den Anschein, als wollten sie mich in Ruhe lassen. Gerade als ich fast zum stehen kam, sah ich wie sich ein Auto mit schnellem Tempo nährte. Dies weckte natürlich meine Aufmerksamkeit. Als mein Blick kurz nach hinten zu den drei Jungs fiel, erschrak ich. Sie hatten mich fast erreicht. Konzentriert auf mein Ziel den Typen zu entkommen, bemerkte ich erst gar nicht, dass das Auto direkt neben mir zum stehen kam. Beim Blick in die Frontscheibe entdeckte ich ein bekanntes Gesicht. Es war Shawn. Er fuhr sein Fenster hastig runter und befahl mir sofort einzusteigen. Zügig ging ich zum Auto. Ich wollte nicht länger alleine hier draußen unterwegs sein und es war meine Rettung vor den drei angsteinflößenden typen. Natürlich weiß ich nicht was genau sie von mir wollten, aber das musste ich auch nicht erfahren. In dem Moment in dem ich den Griff der Tür berührte und sie gerade öffnen wollte, rief mir der schmächtige der drei Jungs etwas zu. Aufgrund der ganzen Hintergrund Geräusche konnte ich es zuerst kaum verstehen. Aber ich war mir relativ sicher es sollte "grüß Shawn" heißen, beachtete es aber erstmal nicht weiter. Ich ließ mich erleichtert auf den ledernen Sitz des Autos sinken. Shawn brauste sofort los. Da ich nicht vor hatte etwas zu sagen schloss ich die Augen und lehnte meinen Kopf an die Fensterscheibe. Die knurrende stimme von Shawn lenkte aber gleich wieder meine Aufmerksamkeit auf ihn. "Was hast du in dieser Gegend zu suchen gehabt? Halt dich fern von hier!" Seine Hände umklammerten fest das Lenkrad. Offensichtlich war er ziemlich wütend, was ich mal wieder nicht genau verstand. Welch ein Wunder, wäre ja auch zu einfach wenn er mal kein wirres Zeug von sich geben würde. Alles was er sagte ergab auf mich keinen Sinn. Stur verschränkte ich die Arme vor der Brust. "Kann dir doch egal sein. Du magst mich doch gar nicht." - er blieb still.
Doch dann fuhr er plötzlich an den Straßenrand und brachte den Wagen zum stehen. Er drehte sich zu mir. Den Blick starr auf mich geheftet kam sein Oberkörper immer näher auf mich zu. Seine Augen durchbohrten mich förmlich. Er blieb aber weiterhin stumm.

ONE YEAR with Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt