Part 25

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Emilys Pov

Meine Gedanken schlagen Purzelbäume und ich kann sie nicht ordnen. Ich muss Justin die Wahrheit sagen. Ich muss was Leo betrifft eine Entscheidung treffen und ich muss verdammt noch mal endlich mit einem dieser beiden Punkte beginnen. Aber Justin möchte die Wahrheit nicht wissen. Und Leo ist in seinem Hotelzimmer und damit gerade so weit weg, dass ich mich nicht genug unter Druck gesetzt fühle, den Kontakt zu ihm wieder aufzunehmen. Außerdem habe ich Angst davor. Ich habe Angst davor, mich für oder gegen Leo zu entscheiden. Ich habe Angst davor, Justin wieder zu verlieren, obwohl ich ihn doch gerade erst wieder gefunden habe.

Nachdem er sich vorhin verabschiedet hat um zu Clara zu fahren und mit ihr über die Screenshots zu sprechen, hat er mich in eine unheimlich feste Umarmung gezogen und für einen winzigen Augenblick habe ich mir die Vorstellung erlaubt, alles wäre so wie früher. Ich hätte ihn nie betrogen und wir wären glücklich. Erst jetzt, wo ich alles verloren habe, wird mir klar, wie viel ich hatte. Wieviel wir hatten. Andere Menschen brauchen Jahrzehnte um ihren Seelenverwandten zu finden und meiner lebt schon seit meiner Geburt im Haus gegenüber. Wie konnte ich das nur alles einfach wegwerfen? Wie konnte ich nur so dumm und leichtsinnig sein.
In dem Moment hat es sich nicht falsch angefühlt. In dem Moment schien es das einzig Richtige zu sein, Leo zu küssen. Mich in seine Arme fallen zu lassen. Alle Sorgen zu vergessen. Im Moment zu leben. Doch der Moment ist vorüber gegangen und im Nachhinein weiß ich, dass dieser eine perfekte Moment es nicht wert war das aufzugeben, was ich mit Justin hatte und jetzt wahrscheinlich für immer verloren habe. Seltsamerweise war es einfacher für mich, als er seine Erinnerung noch hatte und mir die kalte Schulter gezeigt hat. Da konnte ich mir einreden, dass er eigentlich sowieso ein Arschloch ist. Doch jetzt, wo er wieder so lieb ist, habe ich direkt vor Augen, was ich mit meinem unmöglichen Verhalten zerstört habe und das macht mich kaputt. Es macht mich wahnsinnig. So sehr ich es genieße, dass er wieder für mich da ist, kann ich nicht leugnen, dass dieser Zustand nur temporär ist und er sich sowieso früher oder später wieder an alles erinnern wird. Deshalb möchte ich ihm auch jetzt so gerne die Wahrheit sagen. Damit ich es hinter mir habe und er mich wieder so behandelt, wie ich es verdiene.

Justins Pov

Wenn man sein Gedächtnis verliert, ist das eine ziemlich seltsame Geschichte und zwar in allen möglichen Lebenssituationen. Da ist diese eine Seite, die mir zum Beispiel sagt, dass ich Clara nicht ausstehen kann, Ian mir niemals so böse sein kann, dass er mir nicht mehr verzeiht und ich mit Emily glücklich zusammen bin. Aber das ist ja nicht alles. Während ich durch die Straßen von Stratford in Richtung Claras Haus laufe, fühle ich mich seltsam unwirklich. Ich habe das Gefühl, seit Jahren schon nicht mehr hier entlang gelaufen zu sein, obwohl ich ja auch das gesamte letzte Jahr über hier gelebt habe und anscheinend relativ oft bei Clara gewesen bin. Das alles fühlt sich immer mehr an wie eine riesige Verschwörung. Ich möchte nicht glauben, dass ich vergessen habe, wer ich bin. Wer ich innerhalb eines einzigen Jahres geworden bin. Ich male mir aus, was wäre, wenn meine Freunde überhaupt nicht meine Freunde wären, sondern Außerirdische, die während ich bewusstlos war, die Welt übernommen haben und mir nun erzählen, ich hätte mein Gedächtnis verloren, damit ich in ihre Welt passe. Vielleicht bin ich ja der einzige Mensch, der noch übrig ist und muss jetzt die Welt retten?

Natürlich weiß ich, dass solche Gedanken absoluter Blödsinn sind, aber wenn man sich an ein ganzes Jahr an Erfahrungen und Veränderungen nicht mehr erinnert, ist es schwer dafür eine rationale Begründung zu akzeptieren. Vielleicht ist das auch ein weiterer Grund dafür, dass ich nicht möchte, dass Emily mir die Wahrheit sagt. Ich glaube nicht, dass das hier echt ist. Also weigere ich mich, den Gedanken zuzulassen, dass unsere Beziehung für immer zu Ende ist. Wie hatten vielleicht einen kleinen Streit. Aber nichts, was man nicht wieder zu Recht biegen könnte. Vor allem jetzt, wo ich mich nicht einmal mehr daran erinnern kann. Ich wünsche mir zwar meine Erinnerung zurück, habe aber Angst vor diesem einen speziellen Detail. Ich möchte alles über das letzte Jahr wissen außer dieser einen Geschichte. Dabei weiß ich eigentlich, dass diese eine Geschichte das sein muss, was die letzten Monate meines Lebens so sehr geprägt hat, dass ich sogar so weit gegangen bin, mit der Freundin meines besten Freundes zu flirten, obwohl ich sie eigentlich nie ausstehen konnte.

Als ich um die letzte Ecke biege und nun Claras Haus direkt vor mir sehe, merke ich dass es eine schlechte Idee war, genau jetzt zu ihr zu fahren. Ians Auto steht in der Einfahrt und ich habe keine Lust heute noch einmal mit ihm aneinander zu geraten. Vor allem nicht bei dem Mädchen zu Hause wegen dem er mich hasst. Ich bin schon im Begriff wieder auf dem Absatz kehrt zu machen, doch bevor ich dazu komme, öffnet sich die Tür und sowohl Clara als auch Ian treten aus dem Haus. Natürlich sehen sie mich und der Ausdruck auf Ians Gesicht ist beinahe angsteinflößend.

„Was willst du denn hier? Sag mal spinnst du? Ich dachte, du hättest wenigstens so viel Anstand dich jetzt, wo du weißt, was passiert ist, von ihr fern zu halten.", ruft er mir entgegen und Clara legt beruhigend die Hand auf seine Schulter, was jedoch nichts zu nützen scheint.

„Ich darf ja wohl noch mit ihr reden? Kannst du dir vorstellen wie sich diese ganze Scheiße für mich anfühlt? Ich bin hier um eine Erklärung von ihr zu bekommen.", antworte ich und merke, wie meine Wut von vorhin als ich mich bei ihm zu Hause mit ihm gestritten habe, wieder in mir aufsteigt, während ich auf die beiden zu laufe. „Lass ihn doch bitte in Ruhe, Ian. Es ist doch verständlich, dass er jetzt mit mir reden möchte.", versucht Clara mich in Schutz zu nehmen und ich weiß nicht, ob ich ihr dafür dankbar sein soll. Gerade kommt es mir so vor, als wäre sie der Grund für all meine Probleme, auch wenn ich eigentlich weiß, dass Emily und ich die einzigen Gründe für das sind, was in meinem Leben momentan passiert. Das alles muss irgendwie zusammen hängen. „Nen Teufel werde ich tun. Wenn er mit dir reden will, soll er das jetzt machen, wo ich dabei bin.", motzt Ian seine Freundin an und ich verdrehe die Augen.

„Dein Ernst. Du willst dich daneben setzen und aufpassen, dass ich deine Freundin auch ja nicht falsch anschaue? Verdammt nochmal, Ian! Ich weiß doch auch nicht, wieso ich das gemacht habe. Das einzige Mädchen, von dem ich je ernsthaft was wollte und auch immer noch will, ist deine kleine Schwester. Nur das habe ich aus irgendeinem Grund verbockt und jetzt versuche ich Erklärungen für meine jetzige Situation zu finden. Lass mich verdammt nochmal einfach für ein paar Minuten alleine mit ihr reden." Ich merke, dass ich mehr preisgebe, als ich vorhatte, wenn ich denn überhaupt irgendetwas vorhatte. Seltsamerweise scheint mein Ausbruch aber auch in Ian einen Schalter umzulegen und er tritt zur Seite.

„Zehn Minuten. Ich warte in meinem Auto. Dann seid ihr beide wieder hier draußen.", verkündet er, gibt Clara einen schnellen Kuss und läuft so an mir vorbei, dass er mich grob an der Schulter streift und ich kurz ins Straucheln komme. 

From Love to Hate? (FHtL Pt2) zur Zeit unterbrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt