Part 37

443 19 4
                                    


Justins Pov

„Justin ich glaube wirklich nicht, dass er dich sehen möchte.", begrüßt mich Jeremy, als er seine Wohnungstür öffnet. Auf dem Weg hierher hat er mehrmals versucht, mich zurückzurufen, aber ich habe ihn immer weggedrückt.

„Das ist mir relativ egal.", antworte ich und schiebe mich an ihm vorbei in den schmalen Flur. Von früheren Besuchen weiß ich, dass das Wohnzimmer am Ende des Gangs Rechts und das Schlafzimmer am Ende des Gangs links liegt. In einem dieser beiden Zimmer wird er sein. Doch noch bevor ich eine der beiden Türen öffnen kann, tritt Ian plötzlich neben mir aus dem Badezimmer.

„Was willst du denn hier?" Ich kann genau erkennen, dass er das Pflaster auf meiner Nase und mein blaues Auge abcheckt. Wahrscheinlich ist er auch noch stolz darauf.

„Ich will mit dir über gestern reden." Er verdreht die Augen und streift mich absichtlich grob im Vorbeigehen. Ich lasse mich aber nicht davon provozieren, sondern folge ihm in Richtung Wohnzimmer. Dort angekommen dreht er sich zu mir um.

„Was gibt es denn da bitte zu besprechen?", fragt er überflüssigerweise. Er weiß genauso gut wie ich, worüber ich reden möchte.

„Screenshots. Clara und ich. Du. Mein Ausraster gestern, als du es mir erzählt hast. Dein Ausraster letzte Nacht." Und, dass ich wieder mit deiner Schwester zusammen bin. Den letzten Teil spreche ich natürlich nicht laut aus. Ich habe keine Lust, seine Faust ein zweites Mal in 24 Stunden im Gesicht zu haben. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob er wirklich so stark auf diese Information reagieren würde. Er hat sich ja schließlich schon einmal damit abgefunden, dass Emily und ich ein Paar waren.

„Es tut mir Leid, ok? Reicht das jetzt?" Er setzt sich auf die Couch und ich höre, wie Jeremy hinter mir den Raum betritt. Das nervt mich zwar, aber ich kann ihn ja wohl kaum in seiner eigenen Wohnung wegschicken.

„Nein, tut es nicht.", lautet meine Antwort. Er hat mittlerweile den Fernseher angeschaltet und tut so, als würde er mich nicht hören. Arschloch.

„Jetzt benimm dich doch einmal deinem Alter entsprechend, damit wir das klären können.", bitte ich ihn und setze mich neben ihn.

„Ja dann werd halt los, was du loswerden willst.", antwortet er immer noch genervt, aber schaltet wenigstens den Fernseher auf stumm. Jeremy hat das Wohnzimmer wieder verlassen. Anscheinend hat er gemerkt, dass er mich das lieber mit Ian alleine klären lässt.

„Ich hab gestern überreagiert, als du mir davon erzählt hast. Ich hätte wahrscheinlich ähnlich mies reagiert wie du, wenn ich einen Chatverlauf zwischen deiner Schwester und Jeremy gefunden hätte, der in die Richtung gegangen wäre, wie der zwischen Clara und mir. Aber ich kann dir nur noch einmal versichern, dass da nie etwas zwischen uns gelaufen ist. Nie." Er starrt mir entgegen und mir fällt auf, dass wir nur sehr selten so ernsthaft miteinander gesprochen haben, obwohl wir doch eigentlich seit ich denken kann beste Freunde sind. Für die ernsteren Themen habe ich bisher immer mit Emily oder in letzter Zeit auch Clara geredet. Mit Ian stand eigentlich immer Spaß und Ablenkung im Vordergrund. Deshalb ist er jetzt auch verlegen und weiß nicht, wie er auf meine Ehrlichkeit reagieren soll. Er nimmt die Fernbedienung in die Hand und ich will ihn schon wieder anmotzen, als er auf die X-Box umschaltet und mir einen der beiden Kontroller hinhält. Ich muss grinsen. Ian und ich haben es noch nie lange ausgehalten, zerstritten zu sein.

Emilys Pov

Auf dem Weg von Clara nach Hause überschlagen sich meine Gedanken. Ich bin unheimlich aufgeregt, weil wir zusammen in den Urlaub fahren wollen und weil ich nicht weiß, wie ich es schaffen soll, sowohl meinen Bruder als auch meine beste Freundin dabei zu haben ohne alles zu zerstören. Außerdem kann ich natürlich auch nicht aufhören darüber nachzudenken, was zwischen Justin und mir letzte Nacht und auch noch heute Morgen abgelaufen ist. Wie schnell wir wieder zusammengefunden haben. Naja. Schnell nicht wirklich. Er musste erst sein Gedächtnis verlieren und wiederfinden um mir zu verzeihen. Aber ab dem Moment, wo er mir verziehen hatte, ging es wirklich schnell. Eine gemeinsame Nacht auf dem Treppenabsatz und zack sind wir wieder zusammen. Zu viele Emotionen geistern in mir herum, um auch nur einen einzigen klaren Gedanken fassen zu können.

Sobald ich mein Zimmer erreiche, öffne ich meine Balkontür. Mum sitzt unten in der Küche und ich möchte Justin eine Möglichkeit geben, rüber zu kommen, ohne an ihr vorbei zu müssen. Ich weiß, dass wir eigentlich erwachsen sind und uns nicht verstecken müssen, aber irgendwie lässt mich die alte Gewohnheit der Heimlichtuerei mit ihm nicht los. Ich verbinde es einfach so sehr mit ihm, dass er über die Leiter zu meinem Balkon zu mir ins Zimmer kommt. Es wäre seltsam, wenn er plötzlich durch meine Zimmertür laufen würde. Wie ein kleines Kind an Weihnachten warte ich darauf, endlich seine Schritte auf der Leiter zu hören.

Justins Pov

Als Ian und ich von Jeremy aus aufbrechen, scheint alles zwischen uns geklärt zu sein. Die Sache mit den Screenshots und ich auch, dass ich wieder mit Emily zusammen bin habe ich mehr als einmal angedeutet und ich glaube, dass er es auch verstanden hat.

„Glaubst du, sie lässt mich rein?", fragt Ian an der Straßenecke, an der sich unsere Wege trennen.

„Keine Ahnung um ehrlich zu sein. Aber du kannst es wenigstens versuchen.", antworte ich. Wenn ich es geschafft habe, meine verkorkste Situation mit Emily wieder gerade zu biegen, wird Ian es auch schaffen, sich wieder mit Clara zu vertragen. Auch, wenn sie eine Zeitlang wirklich ziemlich offensiv mit mir geflirtet hat, weiß ich genau, dass sie ihn immer noch liebt. Sie hat versucht sowohl mir als auch sich selbst etwas vorzuspielen und fühlt sich jetzt durch den Streit mit Ian wahrscheinlich sogar noch darin bestätigt. Aber ich habe ein gutes Gefühl, was die beiden angeht. Solange Ian nicht zu früh aufgibt, sehe ich da keine Gefahr, dass sie es nicht noch einmal schaffen zusammen zu finden.

„Alles klar. Grüß Emily von mir.", verabschiedet sich Ian von mir. Er hat meine Andeutungen also richtig verstanden und ich bin erleichtert über seine positive Reaktion. Die hätte auch anders ausfallen können. Vielleicht habe ich ja Glück, dass er momentan zu sehr mit Clara beschäftig ist, um sich über Emily und mich aufzuregen.

Ich laufe also alleine durch die kühle Abendluft zur Bushaltestelle und als ich unsere Straße erreiche, sehe ich von weitem, dass Emilys Balkontür offen steht. Mein Herz macht einen Sprung in meiner Brust und die Wärme, die ich so lange vermisst habe, macht sich in meinem Körper breit. Sie wartet auf mich. Sie wartet auf mich. Auf mich.

Emilys Pov

Mein Handy vibriert und ich stürze darauf zu, weil ich hoffe, dass es eine Nachricht von Justin ist. Ich mache mir langsam Sorgen, weil er so lange braucht. Was, wenn mein Bruder ihn dieses Mal krankenhausreif geschlagen hat? Als ich sehe, dass die Nachricht von Leo ist, könnte ich enttäuschter nicht sein. Trotzdem öffne ich sie, weil ich weiß, dass ich sonst heute Abend keine Ruhe mehr haben werde.

Leo an Emily:

Ich vermisse dich. Können wir nicht noch einmal reden? Ich hätte jetzt Zeit zum Skypen.

Er hat sogar noch ein Herzemoji ans Ende gesetzt. Leo ist kein schlechter Mensch, aber er hat eine Freundin verdient, die ihn liebt, und das tue ich nicht. Moment. Was? Ich liebe ihn nicht. Ich liebe ihn nicht mehr? Oder habe ich ihn überhaupt jemals geliebt? Meine Gefühle für ihn sind einfach überhaupt nicht vergleichbar mit meinen Gefühlen für Justin. Ich schließe die Nachricht und wie auf Abruf höre ich die Leiter zu meinem Balkon knarzen. Seltsamerweise spüre ich, wie mir die Röte ins Gesicht steigt und dass ich aufgeregter bin, als ich sein sollte.

„Heimlich durch die Hintertür wie in alten Zeiten huh?", begrüßt er mich und ich muss grinsen. Er trägt eine graue Jogginghose und ein schlichtes schwarzes T-Shirt. Er ist gekommen, um die Nacht über bei mir zu bleiben. Mein Herzschlag beschleunigt sich, als er mit seinem typischen Mistkerllächeln auf mich zukommt. Er greift mit seiner linken Hand nach meiner Hüfte und zieht mich nah zu sich heran während seine rechte meinen Hinterkopf umfasst und dadurch meine Lippen hin zu seinen drückt. Als unsere Lippen aufeinandertreffen, wird mir noch wärmer, als mir sowieso schon ist. Er drückt sein Becken gegen meins und schiebt mich quer durch den Raum auf mein Bett zu. Unglaublich, wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe. Das letzte Mal, dass wir miteinander geschlafen haben, ist Ewigkeiten her. Die Nacht, bevor ich nach Toronto abgeflogen bin. Ich falle Rückwärts auf mein Bett und habe nicht einmal die Möglichkeit, mich etwas aufzurichten, weil er sofort hinterher kommt und unsere Körper noch enger aneinander presst. Seine Lippen sind jetzt an meinem Hals und ich spüre seine Hände an meinem Bauch, während meine unter seinem Shirt über seinen Rücken fahren.

„Ich hab dich so vermisst.", murmelt er und seine Stimme so nah an meinem Ohr gibt mir Gänsehaut.

„Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich vermisst habe.", setzt er nach und ich lasse mich fallen in seine Wärme, Nähe und Elektrizität.


From Love to Hate? (FHtL Pt2) zur Zeit unterbrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt